Der Krieg nach innen und die deutsche „Antikriegsbewegung“

„Kampf gegen Terror“ bedeutet Abbau demokratischer Rechte!

Der Krieg ist Bestandteil einer unvermeidlichen Entwicklung im Kapitalismus. Die Arbeiterklasse trägt nicht nur die immensen Kosten für die militärische Aufrüstung, sondern sie zahlt auch die teuren Anschaffungen für die „innere Sicherheit“. Dabei sind die „Anti-Terror-Pakete“ Schilys nichts als ein Ausdruck der Angst vor kommenden sozialen Protesten. Der rechte italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi stellte bei seinem Besuch in Deutschland in Gegenwart von Schröder und Schily eine „merkwürdige Übereinstimmung“ zwischen den sog. Globalisierungskritikern und islamischen Terroristen fest, da sich beide gegen die „westliche Zivilisation“ wenden würden. So werden soziale Proteste delegetimiert. Das ist nichts wirklich Neues: Der Begriff des Terrors wurde von den Herrschenden schon immer sehr flexibel gebraucht und fand immer dann Anwendung, wenn man Streik- oder Protestbewegungen kriminalisieren wollte. Darüber hinaus dienen die neuen Vorschriften und Gesetze der Schröder-Regierung einer weiteren Spaltung der Arbeiterklasse getreu dem Motto „Teile und herrsche“. Dabei soll zwischen verfassungstreuen Bürgen und „potentiellen Terroristen“ unterschieden werden. Welche Organisationen als terroristisch gelten und wo die Unterstützung einer solchen Organisation anfängt, hängt natürlich von den konkreten Interessen und Bedürfnissen der herrschenden Klasse ab. Mittels der Ermittlungs- und Gesinnungsparagraphen 129/129a biegt man sich dann die eigene Realität zurecht. Zu diesen Paragraphen gesellt sich der neue Paragraph 129b hinzu sowie die neu geschaffene Möglichkeit der Beteiligung von V-Leuten an schweren Straftaten. Im Namen der Terrorbekämpfung können polizeiliche Ermittlungen in Zukunft ohne jeden Anfangsverdacht eingeleitet werden, Einschränkungen des Datenschutzes bei Internet-Betreibern und Banken sind geplant. Die Rasterfahndung wurde wieder eingeführt und perfide Überwachungstechnologien werden in die Überlegungen einbezogen.

Gleichzeitig beschneidet die Regierung ganz massiv die Rechte der in Deutschland lebenden Immigranten. Menschen arabischer Herkunft oder islamischen Glaubens geraten in den Generalverdacht des Terrorismus. Im Windschatten des staatlichen Rassismus werden „Ausländer“ verstärkt angefeindet und dem tödlichen Terror deutscher Stiefelnazis fallen viele weitere Menschen zum Opfer. Die geringste Auffälligkeit und das kleinste Vorstrafenregister konnte Menschen mit nicht-deutschem Pass schon vor der Verabschiedung der „Anti-Terror-Pakete“ zum Verhängnis werden sobald sie sich in Deutschland politisch betätigten. Dass die neuen Polizeistaatmaßnahmen Schilys praktisch auf ein politisches Betätigungsverbot für Immigranten hinauslaufen, dringt jedoch derzeit nicht in das Bewusstsein der Mehrheit der Arbeiterklasse in Deutschland. Doch die staatliche Repression richtet sich nicht allein gegen die sogenannten „Ausländer“, sondern gegen die gesamte Arbeiterklasse! Der Abbau demokratischer Rechte wird zuerst bei jenen Schichten der Arbeiterklasse erprobt, die derzeit über gar keine Lobby verfügen. Die Konkurrenzsituation unter den Werktätigen wird somit verschärft — ebenfalls gemäß der Parole „divide et impera“. Doch die Akzeptanz gegenüber den „Anti-Terror-Maßnahmen“ ist deutlich gestiegen. Deshalb müssen sich Staat und Polizei auch weniger als früher für ihre Gewaltausbrüche rechtfertigen. Vor den Anschlägen fürchtete man gelegentlich wegen diverser Ausrutscher wie z. B. in Genua in ein schiefes Licht zu geraten. Doch heute kann sich der Staat und seine Polizei praktisch alles erlauben. Ein Beispiel aus München soll diese Akzeptanz unterstreichen: Der AstA (Studentenvertretung) der Ludwig-Maximilians-Universität verteilte im Rahmen einer Aktion gefälschte Fragebögen an Münchner Studenten, in denen diese aufgefordert wurden zu erklären, ob sie in den letzten drei Generationen arabische Vorfahren hatten und ob sie im Besitze eines Pilotenscheins wären. Viele dieser Fragebögen wurden gewissenhaft ausgefüllt an den AstA zurückgeschickt! Fremdenfeindlichkeit gegenüber Immigranten und ethnischen Minderheiten ist in jeder Hinsicht abstoßend. Dem übergeordnet ist die Tatsache, dass diese Zwietracht unter den Unterdrückten nur unseren Unterdrückern nützt! Wir kämpfen für den Abbau aller rassistischen Ressentiments innerhalb der Arbeiterklasse. In jeder noch so kleinen Auseinandersetzung zeigen Marxisten die unversöhnlichen Gegensätze zwischen oben und unten aufs Schärfste auf.

Die vom Staat ergriffenen Maßnahmen zur „Bekämpfung des Terrorismus“ machen deutlich: Krieg verträgt sich nicht mit Demokratie. Der jetzige Beschluss zum Kriegseintritt geht zwangsläufig mit einem massiven Angriff auf demokratische Rechte einher. Die Interessen der Arbeitsplatzvernichter in diesem Land und die Interessen der Lohnabhängigen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Der deutsche Kriegseinsatz bringt Leid und Entbehrung mit sich — sowohl für die Völker der Staaten in denen die Bundeswehr (neben den anderen Streitkräften) interveniert als auch für die deutsche Arbeiterklasse selbst.

Hier soll noch einmal verdeutlicht werden: Unser Parole ist nicht „Kein deutsches Blut für US-Interessen“, ganz im Gegenteil! Die deutsche Beteiligung am Kriegseinsatz ist ein weiterer Schritt hin zur militärischen Wiedererstarkung Deutschlands — denn je stärker die Position unserer Herrscher, desto schwerer unser Stand in kommenden Kämpfen!

Wie kommt man zu einer erfolgreichen Antikriegsbewegung?

Kaum waren die ersten Friedenstauben aufgestiegen, haben etliche wohlmeinende bürgerliche Kommentatoren und einige auf rasche Erfolge hoffende linke Schreiberlinge schon die Geburt einer neuen Friedensbewegung heraufbeschworen. Dass diese Friedensbewegung schwach und äußerst heterogen ist, wird dabei gerne übersehen. Die Ablehnung gegenüber dem Krieg resultiert bei vielen aus ihrer ethischen oder religiösen Haltung. Das unbedingte Bekenntnis zur Gewaltfreiheit ist dabei ihre Hauptforderung: Sie schrecken nicht davor zurück, die bürgerliche Staatsgewalt mit der Abwehrreaktion von Arbeitern und anderen unterdrückten Menschen gleichzusetzen. Was sie wollen ist die Rückkehr zu den Friedenszeiten, oder anders formuliert: Die Rückkehr zum kapitalistischen Alltag. Andere Kriegsgegner begnügen sich nicht mit dem „friedlichen“ Alltag im Kapitalismus und fordern stattdessen eine „Humanisierung“ des kapitalistischen Systems. Doch der Spielraum für reformistische Experimente ist eng geworden. Die Menschheit steht ganz offen vor der Frage: Sozialismus oder Barbarei? Das bestehende System kann ganz offensichtlich nicht reformiert werden — es sei denn, es handelt sich um „Reformen“ im heutigen Sinne: Sozialabbau, Sparpakete und Anti-Terror-Gesetze sind die „Reformen“ von heute. Die morschen Mauern der Marktwirtschaft können nicht mit einer Tapete überklebt werden, ganz gleich in welcher politischen Farbe das Papier getränkt ist.

Mit ebensoviel Skepsis müssen jene „Globalisierungskritiker“ betrachtet werden, die eine Abkehr von der an sich nicht rückschrittlichen länderübergreifenden, internationalen Produktion fordern. Ihre Strömungen mögen vielseitig sein, buntscheckig ihre Phrasen. Doch machen sie alle den Fehler, den unaufhaltsamen technischen Fortschritt und seine die Fesseln der Nationalstaaten sprengende Produktionsweise für Krieg und Elend verantwortlich zu machen und eben nicht die kapitalistisch organisierte Produktion. Sie sind die modernen „Ludditen“: Mitte des 19. Jahrhunderts warfen die auch als „Maschinenstürmer“ bekannten französischen Arbeiter ihre Holzschuhe (franz. „Sabot“, daher das Wort „Sabotage“) auf Maschinen und zerstörten diese. Sie wünschten sich die Rückkehr zum Feudalismus, weil sie in ihm die „gute alte Zeit“ erblickten. Heute stürmt natürlich kaum jemand Produktionsstraßen oder Industrieanlagen, um diese zu vernichten. Doch viele „Globalisierungsgegner“ sehnen sich nach dem „guten alten Kapitalismus“ zurück. Mal ist es der Wirtschaftswunderkapitalismus der Fünfzigerjahre, mal der Frühkapitalismus des 19. Jahrhunderts. Ja ja, die gute alte Zeit eben. Dass es der Mechanismus der freien Konkurrenz des Frühkapitalismus war, der den Imperialismus erst gebar, ist vielen Nostalgikern wohl völlig unverständlich. Wir hingegen wollen kein zurück zum Frühkapitalismus, keine „Wirtschaftswunder“, keine „regionalen Wirtschaftskreisläufe“ (PDS) und kein „kauft deutsche Produkte“ (Protektionisten). Wir verteidigen die Perspektive des technischen Fortschritts und einer geplanten globalen Produktion zum Wohle aller Menschen anstatt zur Reichtumsmehrung einiger weniger.

Die häufig zu lesende Parole „Krieg ist keine Lösung“ suggeriert, dass der vom Kapitalismus verursachte Terrorismus durch Diplomatie oder soziale Sicherungsmaßnahmen verhindert werden könnte. Damit begibt man sich unweigerlich in die Logik der kapitalistischen Kriegstreiber, die bestimmen wer gut ist und wer böse. Allein das Suchen einer „Lösung“ für den Terrorismus geht meilenweit am Kern der Sache vorbei. Das kapitalistische System bedeutet für die meisten Menschen auf dieser Welt nichts anderes als Hunger, Krieg, Terror und Gewalt. Eine Lösung für den Terrorismus im System des „Terrors der Ökonomie“ zu suchen, kann nicht funktionieren. Es ist erschreckend, wie weit sich die kleinbürgerlichen Globalisierungsgegner der Logik des Kapitals unterworfen haben. Diese wollen die mühsam aufgebauten politischen Kontakte mit Teilen des Establishments nicht verderben. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob es das Kapital in dieser für ihn günstigen Stunde noch für notwendig erachtet, den wenngleich nicht gefährlichen aber immerhin lästigen Kritikern Zugeständnisse zu machen.

Bauchschmerzen mit dem gegenwärtigen Kurs der Regierung gibt es auch in den Reihen von SPD und bei den Grünen. Doch die wenigen Kritiker lehnen trotz ihrer „Bedenken“ gegenüber dem Afghanistan-Krieg nicht die außenpolitischen Ziele des deutschen Kapitals ab. Sie vertreten lediglich die Ansicht, eine Beteiligung am gegenwärtigen Krieg sei ein untaugliches Mittel zur Erreichung dieser Ziele. Meist versteckt sich dahinter die Auffassung, dass sich Schröder zu eng an die USA anlehnt und dass sich „deutsche Interessen“ besser durchsetzen ließen, wenn Deutschland international mehr Gewicht hat. Obwohl die PDS wegen ihrer angeblich ablehnenden Haltung zum Krieg innenpolitisch isoliert ist, kann diese Partei nicht als antimilitaristisch bezeichnet werden. Militäraktionen unter der Führung der Vereinten Nationen oder einer anderen internationalen Organisation würde ihre Führung jederzeit zustimmen. Sie stört sich lediglich am einseitigen Vorgehen der USA. Auch dort wird eine Art „Balance of Power“, ein Gegengewicht zur Politik der USA gefordert. In Zeitungen wie „Junge Welt“ oder „Neues Deutschland“ kann man immer wieder aufs Neue Artikel lesen, die diese Meinung klar zum Ausdruck bringen. Autoren wie der ehemaligen Top-Spion Rainer Rupp (Topas) werden hier als Experten abgefeiert und fordern abwechselnd mehr „Mut zum Antiamerikanismus“. Der Chef des neofaschistischen „Kampfbund Deutscher Sozialisten“, Michael Koth (Nomen est Omen), lobte die „Junge Welt“ ausdrücklich für ihren „stramm deutschen Antiimperialismus“. Das kommt nicht von ungefähr: In ihrer Ausdrucksweise stehen die einschlägigen Beiträge dieser Zeitung der Sprache rechter Druckerzeugnisse wie „Junge Freiheit“ oder „Nationalzeitung“ in nichts nach.

Mahnrufe an die deutsche Elite irritieren nur die Arbeiterklasse! Wir fordern keine Balance innerhalb der kapitalistischen Welt: Wenn ein Sklaventreiber 30 Sklaven hat und der andere 50, dann kann es nicht unser Ziel sein, dass der andere 20 Sklaven hinzukauft damit beide Menschenhändler auf die gleiche Anzahl von 50 Sklaven kommen. Wir treten für die weltweite Abschaffung der modernen Sklaverei ein! Mit weinerlichen Appellen an die Herrschenden wird man nichts in Bewegung setzen. Nur eine revolutionäre antimilitäristische Bewegung wäre imstande, Sand in das imperialistische Getriebe zu streuen. Eine wirkungsvolle politische Bewegung gegen den Krieg kann hierzulande nur aufgebaut werden, wenn sie die Pläne des deutschen Kapitals und den Antiamerikanismus in gleicher Weise ablehnt wie das Vorgehen der US-Regierung. Dabei müssen wir immer vor Augen haben, dass unser Hauptfeind im eigenen Land steht. Unser Ziel ist es, die internationale Arbeiterklasse auf der Grundlage eines revolutionär-sozialistischen Programms gegen die Kriegstreiber auf beiden Seiten des Atlantiks zu vereinen. Da es gegenwärtig keine nennenswerte politische Führung gibt, die dem Unbehagen vieler Kriegsgegner eine konsequente antiimperialistische und antikapitalistische Stoßrichtung geben könnte, müssen wir uns der Aufgabe stellen, eine neue kommunistische Partei in der Tradition von Marx, Engels, Lenin und Trotzki aufzubauen. Als kleine „kämpfende Propagandagruppe“ möchten wir hierzu den größtmöglichen Beitrag leisten.

Für die sofortige Rücknahme des Anti-Terror-Paketes.

Für die Ersatzlose Streichung der Ermittlungs- und Gesinnungsparagraphen 129/129a und des geplanten Paragraphen 129 b!

Gleiche Rechte für alle, die in Deutschland leben und arbeiten!

Keine Appelle an den bürgerlichen Staat! Gegen staatliche Verbote, denn die neu zu schaffenden Gesetze werden sich in aller Schärfe gegen Arbeiter und Linke richten!

Die Macht der Arbeiterklasse und der Gewerkschaften kann die feigen Nazi-Mörder beseitigen!

Je schwächer der deutsche Imperialismus, desto besser die Kampfperspektiven der deutschen Arbeiterbewegung.

Deshalb deutsche Truppen raus aus Kosova und Mazedonien! Gegen eine deutsche Beteiligung in Afghanistan!!!

Gruppe Leo Trotzki