Die Bundestagswahl 2017 steht ganz im Zeichen einer weiteren Konsolidierung des deutschen Imperialismus als aufstrebender Macht im globalen Konkurrenzkampf. Deutschland hat in den letzten Jahren seine Einflussgebiete ausgebaut, vor allem in Westafrika, dem Balkan und in Afghanistan. Mit Hilfe der Agenda 2010 wurde Deutschland zur führenden imperialistischen Macht in der EU.
Eine wichtige politische Frage ist die der eigenständigen Entwicklung deutscher Außenpolitik. Die Zusammenarbeit und gleichzeitige Konkurrenz mit den USA, der immer noch führenden imperialistischen Macht auf dem Planeten, spiegelt sich deutlich im Ringen um Russland wider. Die NATO ist militärisch längst an die Westgrenze Russlands vorgerückt und zeigt der russischen Regierung mit einem Manöver nach dem anderen, wer mittlerweile den größten Einfluss in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts hat. Der Konflikt um die Ukraine und die Krim, oder die neuen NATO-Mitglieder im Baltikum und auf dem Balkan sind Beispiele für eine Konfrontation zwischen Russland und der NATO. Das deutsche Kapital ist zwar auf Seiten der NATO, macht aber mit Russland gute Geschäfte. Aufgrund der Angliederung der Krim an Russland verhängten die USA und andere westliche Staaten Sanktionen gegen Russland. Diese schaden in erster Linie Deutschland bzw. der EU. Deswegen verschärfen auch die USA diese Sanktionen immer wieder, da die aktuelle Strategie des US-Imperialismus in einer Schwächung der EU besteht. So feierte Trump den Brexit oder ermutigte die rechte Regierung in Polen über einen Austritt aus der EU stärker nachzudenken. Trump weiß, was die EU schwächt, schwächt damit auch einen großen Konkurrenten: das deutsche Kapital.
Ein besonderes Projekt ist der Ausbau der Nordstream-Pipeline, die Gas von Russland durch die Ostsee nach Deutschland bringt. Im Juni verabschiedete der US-Senat weitere Sanktionen gegen Russland. Diese treffen aber auch Firmen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Italien, der Schweiz und Britannien, welche am Projekt Nord Stream II beteiligt sind. Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel und der österreichische Bundeskanzler Christian Kern kritisierten die USA daraufhin sehr scharf:
Bei dem nun beschlossenen Gesetzesentwurf gehe es aber eigentlich um den Verkauf amerikanischen Flüssiggases und die Verdrängung russischer Erdgaslieferungen vom europäischen Markt, schreiben die beiden sozialdemokratischen Politiker Gabriel und Kern. Das gehe aus dem Gesetzentwurf “in bemerkenswerter Offenheit hervor“. Ziel sei es, Arbeitsplätze in der Erdgas- und Erdölindustrie der USA zu sichern.
[…]
Die neuen Sanktionen könnten EU-Firmen unter Druck setzen, die sich am Bau beteiligen – unter anderem BASF und OMV, so Gabriel und Kern.
„Europas Energieversorgung ist eine Angelegenheit Europas, und nicht der Vereinigten Staaten von Amerika“, schreiben Gabriel und Kern. Politische Sanktionsinstrumente dürften nicht mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht werden. Europäischen Unternehmen „auf dem US-Markt mit Bestrafungen zu drohen, wenn sie sich an Erdgasprojekten wie Nord Stream II mit Russland beteiligen oder sie finanzieren, bringt eine völlig neue und sehr negative Qualität in die europäisch-amerikanischen Beziehungen“, heißt es weiter.
—spiegel.de
Die wiedererstarkte FDP möchte nur zu gerne wieder am Regierungstisch sitzen. Umso bemerkenswerter ist dabei die Perspektive, die der FDP-Vorsitzende Christian Lindner einnimmt:
„Sicherheit und Wohlstand in Europa hängen auch von den Beziehungen zu Moskau ab.“ Lindner weiter: „Ich befürchte, dass man die Krim zunächst als dauerhaftes Provisorium ansehen muss“ sagte Lindner den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
—spiegel.de
Zusammen mit Merkels Ablehnung eines Überfalls auf Nordkorea, wie die USA ihn wieder ins Spiel bringen, ist das eine geballte Form von Negierung US-amerikanischer Außenpolitik. Der Bundesadler fliegt nicht mehr im Schatten des amerikanischen Adlers; die Beute soll nun neu verteilt werden.
Der Wahlkampf wird vom Säbelrasseln der USA gegen Nordkorea überschattet. Nordkoreas stalinistisches Regime stellt die Perversion des Sozialismus in einem Land deutlich dar. Obwohl wir den Stalinisten keine politische Unterstützung geben, verteidigen Leninisten Nordkorea militärisch gegen kapitalistische Konterrevolution. Sollte es zum Angriff auf Nordkorea kommen, sind die Stützpunkte der US-Armee in Deutschland ein wichtiger Logistikpunkt für den imperialistischen Krieg. In diesem Fall sollte sich die Arbeiterbewegung bemühen, Waffentransporte zu stoppen.
Auch wenn Deutschland sich als die „friedlichere“ Alternative verkaufen will, darf man sich nicht täuschen lassen: Deutschland wird in den nächsten Jahren massiv aufrüsten, um seine militärische Durchschlagskraft zu erhöhen. Dieses Ziel haben alle Parteien, die sich für die Regierungsbank bewerben, klar und deutlich genannt. Dagegen hilft auch kein Bezahlbarer-Wohnraum-statt-Kanonen-Pazifismus, sondern nur eine antiimperialistische Strategie, die in der revolutionären Tradition von Luxemburg und Liebknecht steht: Keinen Euro, keinen Mann, keine Frau für dieses System! Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Der reaktionäre Flüchtlingsdeal mit der Türkei, der unter anderem das tausendfache Ertrinken von Flüchtlingen im Mittelmeer verursacht, ist wichtig für den deutschen Imperialismus. Die Zusammenarbeit mit Erdogans Regime, dessen Weg zum autoritären Staat weitergeht, ist für Berlin unabdingbar. Sicherlich ereifert sich die Regierung gerne über Erdogan und seine autoritäre Politik, doch nur weil er der deutschen herrschenden Klasse zu selbstbewusst geworden ist und seine wichtige Rolle im Flüchtlingsdeal geschickt zu nutzen wusste. Auch nutzt die deutsche Bourgeoisie die Abscheu der Öffentlichkeit gegen Erdogan um den Rassismus gegen Deutschtürken zu schüren, um diese als fünfte Kolonne Erdogans zu verleumden.
Denn was ist die Antwort Berlins auf die Zehntausend Verhafteten in der Türkei? Richtig, man verfolgt die türkische linke Opposition in Deutschland gleich nochmal schärfer: Unzählige linke türkische und kurdische Oppositionelle sitzen in deutschen Knästen. Die jüngste Durchsuchung einer Wohnung in München wegen einer Grafik der YPG auf Facebook zeigt auch, dass die Repressionen klare Prioritäten haben: Hilfe für das türkische Regime, neben Israel der wichtigste Partner im Nahen und Mittleren Osten, um einen Fuß in der Tür zu haben, wenn diese Region neu aufgeteilt wird. Die Partei die Linke (PdL) fordert die deutsche Regierung dazu auf, mit Sanktionen und andere Mitteln massiven Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Das sind genau die Methoden, die üblicherweise imperialistische Staaten gegen neokoloniale Länder anwenden, um ihren Willen durchzusetzen. Wir lehnen das entschieden ab. Alle Bundeswehrsoldaten raus aus der Türkei! Internationale Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Türkei! Für die sofortige Freilassung der linken Gefangenen in Deutschland!
Das Spektrum der bürgerlichen Arbeiterparteien hatte zuletzt nicht allzu viel zu tun, um Streiks abzuwenden oder in parlamentarische Kanäle umzulenken. In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von Streiks. Während diese zu moderaten Lohnerhöhungen führten, ist das Reallohnniveau aufgrund einer den Lohnerhöhungen entsprechenden Inflationsrate praktisch annulliert worden. Militante Kämpfe gab es allerdings kaum. Während der Bahnstreik zwischenzeitlich für Furore sorgte, schaffte es die Bundesregierung schnell, die etwas radikaler auftretende Ständegewerkschaft der GDL mittels des Tarifeinheitsgetzes auszubremsen. Wir sind für die Formierung von Industriegewerkschaften und insofern für eine Fusion von DGB-Gewerkschaften und ständischen Gewerkschaften wie der GDL, auch wenn diese in den vergangenen Jahren zweifelsohne militanter war als die EVG. Eine Fusion würde es klassenkämpferischen Gewerkschaftern in der GDL erlauben, militante Positionen auch in die EVG zu tragen. Selbstverständlich lehnen wir das Tarifeinheitsgesetz ab, das als ein Angriff auf radikale Streiks verstanden werden muss. Bernd Riexinger demonstrierte die Kampfbereitschaft der Partei die Linke (PdL) treffend mit folgender Aussage:
Anlässlich der Beratungen des Bundesverfassungsgerichts über die Klagen mehrerer Gewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz erklärt Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei DIE LINKE: Es bleibt dabei: Das Tarifeinheitsgesetz ist eine unzulässige Einschränkung des Streikrechts und ein Eingriff in die Tarifautonomie. Ich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht es wieder einkassieren wird.
—die-linke.de
Die PdL verlässt sich lieber auf das Bundesverfassungsgericht als dass sie Klassenkampfmaßnahmen gegen diesen Angriff des Kapitals auch nur verbal in Erwägung zieht. Das Gesetz kann aber nur durch militante Klassenkämpfe gekippt werden und nicht durch Illusionen in das Bundesverfassungsgericht. Wir rufen dazu auf, keiner Partei des deutschen Imperialismus eine Stimme zu geben. Die PdL, die vermeintlich „sozialistische“ Partei, bleibt seit ihrer Gründung vor über 10 Jahren den Beweis schuldig, eine klassenkämpferische Opposition zu den herrschenden Verhältnissen zu sein oder auch nur anzudeuten, das sie es sein könnte. Die PdL ist darauf fokussiert, unbedingt mitzuregieren, auch wenn das das Durchwinken von Sozialabbaumaßnahmen erfordert. Nicht nur das Wahlprogramm der PdL zeigt keine Perspektive für die Arbeiterklasse und ihre objektiven Interessen auf, sondern auch die Tatsache, dass weite Teile der Parteiführung eine Koalition mit der SPD und den bürgerlichen Grünen eingehen möchten. Keine Stimme der Partei die LINKE!
Die immer wiederkehrende Diskussion über eine SPD-PdL-Grünen-Regierung als Alternative zu Merkel und AfD ist geprägt von speziellen Illusionen in den Parlamentarismus und dem Funktionieren von Kapitalismus und bürgerlicher Herrschaft allgemein. Wir wenden uns aus mehreren Gründen gegen eine mögliche Regierung von Rot-Rot-Grün. Eine solche Volksfrontregierung kann nur den Zweck haben, dem ohnehin niedrigen Klassenbewusstsein einen weiteren Schlag zu versetzen. SPD und PdL sind bürgerliche Arbeiterparteien, die bereits seit Jahren versuchen, sich der deutschen Bourgeoisie als linke Feigenblätter anzudienen. Eine Koalition zwischen diesen Kräften und den Grünen ginge noch einen Schritt weiter, denn die Grünen sind eine lupenreine bürgerliche Partei und eine Koalition zwischen diesen Kräften ist eine Volksfront, die das deutsche Kapital zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund des niedrigen Klassenkampfniveaus nicht braucht. Das relativ gemäßigte Klassenkampfklima in Deutschland und die bestenfalls ambivalente Haltung der PdL gegenüber Streiks trägt dazu bei, dass die PdL für breite Teile der Lohnabhängigen zurecht nicht als Opposition sondern als kollaborierende Kraft wahrgenommen wird. Reale Verbesserungen für die Arbeiterklasse kann es nur auf Grundlage von Klassenkämpfen geben. Genossen und Genossinnen der PdL, die eine Regierungsbeteiligung ablehnen, müssen erkennen, dass nicht nur ihre Parteiführung, sondern auch weite Teile der Mitgliedschaft in die Bundesregierung eintreten und sämtliche Prinzipien auch auf Bundesebene über Bord werfen wollen.
Das Treffen der G-20 und die Proteste dagegen Anfang Juli in Hamburg markierten einen wichtigen Meilenstein, sowohl für das Verständnis des deutschen Imperialismus als Weltmachtsaspirant, als auch im Hinblick auf die Mobilisierungsfähigkeit einer potentiellen Opposition. Im Vorfeld wurde mit Demo- und Übernachtungsverboten gegen die Mobilisierung der gesamten Linken gehetzt, und als die Bilder der brennenden Barrikaden und geplünderten Geschäfte um die Welt gingen, sahen sich die antidemokratischen Hetzer von Regierung und Opposition, inklusive der PdL-Führung, bestätigt. Doch es wurde schnell deutlich, dass die Basis der Hetze massive Falschdarstellungen der Polizei, verstärkt durch Propaganda in den Medien, war. Die herrschende Klasse nutzte ihre Sicht und Darstellung der Ereignisse, um eine weitere Beschneidung der demokratischen Grundrechte zu fordern. Dies gipfelte dann im Verbot der Website linksunten.indymedia.org. Bei aller Kritik des Konzeptes dieser Kommunikationsplattform der radikalen Linken: Verteidigt Linksunten! Die aktuelle Kampagne des Innenministeriums gegen Linksextremismus und die ersten Urteile gegen Anti-G20-Aktivisten zeigen wieder einmal: Keine Illusion in diesen Staat und seine Justiz. Für den deutschen Imperialismus ist Links das Feindbild seit der Staatsgründung 1871.
Die G-20-Mobilisierung des gesamten Spektrums der Linken war bemerkenswert, aber es zeigte auch ihre Grenzen auf. So lange es keine revolutionäre Organisation gibt, wird der Unterdrückungsapparat immer am längeren Hebel sitzen, und die zersplitterte Linke und Arbeiterbewegung erfolgreich bekämpfen, bzw. sie von dem Rest der Bevölkerung isolieren. Der Widerstand darf nicht gespalten werden:
Weg mit allen Verfahren im Zusammenhang mit den Protesten gegen G20!
Verteidigt die demokratischen Grundrechte auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit!
Die Alternative für Deutschland (AfD) wird voraussichtlich in den Bundestag einziehen. Ihre rassistische, anti-muslimische, nationalistische und antisoziale Hetze ist widerlich, aber das rassistische Gift der AfD kann nicht dadurch neutralisiert werden, dass man andere Parteien wählt, damit die AfD klein gehalten wird. Ohne Frage spielt sie eine tragende Rolle, den rassistischen Schlägertrupps das Wort zu reden, die regelmäßig Migranten und Flüchtlinge angreifen. Auch dass der bürgerliche Staat Indymedia.linksunten verbietet, andererseits aber fleißig Akten schreddern kann, wenn es um seine Verwicklungen die Nazimordserie der NSU geht, spielte der AfD in die Hände. Zugleich unterscheidet sich die AfD von anderen Versuchen rechts der Union etwas aufzubauen dadurch, dass sie es erfolgreich schafft, einen Teil der Enttäuschten und vom Kapitalismus Abgehängten selbst innerhalb des Gewerkschaftsmillieus anzusprechen. Die tiefgreifende soziale Verelendung ist aber ein Produkt der Politik der Parteien, die mit der Agenda 2010 und anderem Sozialabbau das Tor zu Armut und Verzweiflung öffneten. Um der AfD das Wasser abzugraben, muss man denjenigen Teilen der AfD-Wählerschaft, die sich von ihrem pseudosozialen Populismus angesprochen fühlen, durch Erfolge im Klassenkampf aufzeigen, dass sich ihre Lebenssituation nur durch eine konsequent revolutionäre Perspektive verbessern lässt. Durch ihre Popularität hat die AfD es geschafft, dass Regierung und Opposition ihre rassistischen Positionen stückweise in die eigene Politik integrierten. Eine ausführliche Analyse der AfD befindet sich hier:
Die Revolutionär Internationalistische Organisation (RIO) und ihre Website klassegegenklasse.org haben in der radikalen Linken in Deutschland eine gewisse Bekanntheit erlangt. Deshalb ist es wichtig, ihre Position zur Wahl 2017 etwas genauer zu untersuchen. Die zentrale Position von RIO ist wie folgt:
Anstatt Wahlkampf für eine Linkspartei zu machen, die um jeden Preis regieren will, sollten revolutionäre Sozialist*innen unabhängig auftreten. […] Es gibt keinerlei Vorteile für die Ausgebeuteten und Unterdrückten, wenn die Linkspartei in der Regierung sitzt.
—klassegegenklasse.org
Die PdL sitzt in drei Landesregierungen, ist an Abschiebungen, Sozialabbau, Aufrüstung der Polizei und vielen anderen Angriffen auf die Arbeiter beteiligt. Daher ist es offenkundig, dass von ihr keine Verbesserungen zu erwarten sind. Im Gegensatz zu anderen Parteien ist die PdL, wie auch die SPD, eine bürgerliche Arbeiterpartei. Ihre Basis steht oft genug auf der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten, zuletzt ja auch in großer Zahl bei den Protesten rund um den G20-Gipfel, während die bürgerliche Parteiführung brav die Lügen von Staat und Polizei wiederholen.
Sahra Wagenknechts Ausfälle zur Gewaltfrage sind ein typisches Beispiel, wie sie sich bei den potentiellen Koalitionspartnern beliebt machen, und der herrschenden Klasse eine gewisse Loyalität signalisieren möchte. Leninisten versuchen diesen Widerspruch zwischen Führung und Basis für sich zu nutzen. Das Herausbrechen der fortschrittlichsten Genossen und Genossinnen mit der Perspektive, eine revolutionäre Partei aufzubauen, ist das Ziel. Dies kann jedoch nicht auf Kommando geschehen, sondern erfordert langwierige und systematische Arbeit. Die Waffe der politischen Kritik ist hierbei unabdingbar, um das Bewusstsein zu verändern. RIO liefert eine klare Kritik an der PdL und spielt dann verlockende Zukunftsmusik:
Anstatt einen Wahlkampf für Sozialchauvinist*innen und Regierungssozialist*innen zu machen, könnten sie [Revolutionäre in der PdL, Anmerkung von uns] unter einem eigenen Banner auftreten: Konsequent gegen Privatisierungen, Repression und Abschiebungen; gegen jede bürgerliche Regierung, für eine Regierung der Arbeiter*innen; gegen Kapitalismus und für Sozialismus.… Internationale Beispiele sollten optimistisch stimmen. Die Front der Linken und Arbeiter*innen (FIT) in Argentinien bekommt regelmäßig über eine Million Stimmen. Der antikapitalistische Arbeiter Philippe Poutou von der NPA in Frankreich bekam auch fast eine halbe Million Stimmen dieses Jahr.
—Ebenda
Dieser Aufruf richtet sich an die Genossen der Sozialistischen Alternative Voran (SAV), Marx21 und der Internationalen Sozialistischen Organisation (ISO). Diese Gruppen haben in zahlreichen Statements der letzten Jahre klar gemacht, dass kein Rechtsschwenk der PdL weit genug geht, um mit ihr zu brechen. Und wenn diese vorgeblichen Revolutionäre schon nicht mit der PdL brechen wollen, dann darauf zu hoffen, dass Teile der Mitgliedschaft jetzt Konsequenzen ziehen, ist naiv. RIO unterstellt einfach, dass es eine Fraktion in der PdL gibt, die bereit ist, mit der eigenen Partei zu brechen, um eine Wahlkampagne zu starten, die das genaue Gegenteil der PdL-Politik darstellt. Es ist jedoch notwendig von der konkreten Situation auszugehen, auch wenn diese eher trübe aussieht. Nicht zuletzt deutet der Zuspruch derjenigen Landesregierungen zur Privatisierung der Autobahnen, in denen die PdL Regierungsverantwortung übernommen hat, an, dass es der PdL wichtiger ist, sich an den Fleischtöpfen der Regierungsmacht zu laben, anstatt sich zu Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter durchzuringen. Darüber können auch einige wenige lokalpolitische Kampagnen nicht hinwegtäuschen. Diese Prioritätensetzung zieht sich wie ein roter Faden durch die zehnjährige Geschichte der PdL. Die vermeintlich linken Kräfte laufen der Parteileitung nach, sprechen ihren Unmut aus, aber ziehen keine organisatorischen und politischen Konsequenzen. Es ist eine Illusion, zu glauben, mehrere linksreformistische und zentristische Strömungen, die sich unabhängig von der PdL zu einem Wahlbündnis organisieren, könnten das schwache Klassenbewusstsein der Arbeiterbewegung wieder anheben. Das Wegbrechen eines linken Flügels der PdL ist nur unter dem Druck von Klassenkämpfen denkbar, in denen die Führung der PdL ihre eigene Basis direkt attackiert.
Die SAV und Marx21 sind ein gutes Beispiel für das Elend der PdL-Linken: Die SAV lehnt Regierungsbeteiligungen der PdL ab und kämpft nach eigenen Angaben für eine „kämpferische und sozialistische LINKE“. Sie betreibt seit Anbeginn der Partei tiefen Entrismus und liefert keine weiterführende Kritik an der Parteiführung, egal ob diese Privatisierungen, Abschiebungen oder Räumung von alternativen Räumen usw. zustimmt. Nichts kann die SAV davon abbringen, mit dieser reformistischen und opportunistischen Partei zu brechen. Noch eine Stufe schlechter als die SAV arbeitet Marx21 in der PdL. Als Sahra Wagenknecht Anfang des Jahres die AfD damit „bekämpfte“, deren Positionen zu übernehmen, war Marx21 doch tatsächlich bereit, Wagenknecht ein Loblied zu singen:
Sahra Wagenknecht ist eine wichtige Vertreterin für die LINKE. Sie erreicht ein Millionenpublikum. Als Spitzenkandidatin der LINKEN hat sie auch eine besondere Verantwortung das Programm der Partei nach außen zu Vertreten. Das macht sie sehr gut, wenn sie die neoliberale Politik der aktuellen oder vergangenen Regierungen kritisiert, wenn sie die Heuchelei und den Verrat von Grünen und SPD herausarbeitet oder wenn sie bei der Frage der Fluchtursachen die imperialistische Wirtschaftspolitik kritisiert, die für Hunger und Elend in großen Teilen Afrikas und Asiens verantwortlich ist. Falsch ist hingehen ihre Behauptung, dass die Politik der »unkontrollierten Grenzöffnung« von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Zusammenhang mit dem Terrorismus steht.
—marx21.de
Marx21 beschreibt sogar wie die Politik der Berliner Regierung, an der die PdL beteiligt ist, aussieht:
Nach jedem Terroranschlag wird der Ruf nach schärferen Sicherheitsgesetzen und dem Ausbau des Sicherheitsapparates lauter. Das [sic] sich neben Sahra Wagenknecht auch andere führende Politikerinnen und Politiker der LINKEN daran beteiligen ist ein Fehler. In Berlin Rot-Rot-Grün jetzt sogar eine millionenschwere Aufrüstung der Polizei beschlossen: Neun Millionen Euro stehen für die angeblich 12.000 fehlenden Dienstwaffen sofort zur Verfügung und 8,8 Millionen Euro für neue Maschinenpistolen.
—Ebenda
Aber Marx21 will deshalb keine Abkehr von der PdL, ganz im Gegenteil, sie warnen davor, die eigenen Reihen zu schwächen:
Die LINKE und all ihre Funktionsträger und Abgeordnete haben eine große Verantwortung. Die Partei ist in Deutschland für viele Millionen Menschen eine Alternative zum Neoliberalismus, Rassismus und Militarismus der etablierten Parteien. Eine geschwächte LINKE wird niemandem nutzen, der gegen den Rechtsruck kämpfen will. Wenn die Linke als radikale Opposition gegen Kapital, Rassismus und herrschenden Politikbetrieb erkennbar wird, kann sie gewinnen.
—Ebenda
In ihrer nunmehr zehnjährigen Existenz sollte die Führung der PdL mehr als deutlich gemacht haben, dass sie sich als alles andere als eine „radikale Opposition gegen Kapital, Rassismus und herrschenden Politikbetrieb“ versteht. Solange SAV, Marx21 und andere ihre Zeit damit verbringen, die PdL aufzubauen, wird der Reformismus von PdL bis SPD es leichter haben, den Arbeitern ihre Parlamentsreden als die einzige Chance auf Einfluss in der Gesellschaft zu verkaufen. Darüber hinaus treibt die Realpolitik von SPD und PdL letztlich der AfD enttäuschte Wähler zu.
Notwendig ist der Aufbau einer revolutionären Partei als Alternative zu dem Bestehenden. Die Welle von Angriffen des Kapitals auf die Arbeiterklasse – unterstützt von SPD und PdL, wo diese das Sagen haben – zeigt, dass nur konsequente Klassenkampfmaßnahmen den Spieß umdrehen können. Das erfordert den Aufbau einer klassenkämpferischen Strömung in den Betrieben, die auf Grundlage des Übergangsprogramms das jetzige Bewusstsein der Arbeiterklasse mit einer revolutionären Perspektive verbinden kann. Nur ein Bruch mit den Illusionen in einen pro-kapitalistischen Reformismus kann Aktivisten davor bewahren, weiterhin politische Arbeit in ein Projekt zu investieren, das auf kurz oder lang an die Regierung möchte, um das kapitalistische System zu verwalten. SPD und PdL sind Hindernisse auf dem Weg zur Arbeitermacht, da sie das irrationale System von Ausbeutung, Krieg und Rassismus bewahren wollen. Vor hundert Jahren zeigte die Oktoberrevolution den Weg auf, den die Arbeiter auch heute einschlagen müssen, um dem Wahnsinn des Kapitalismus ein Ende zu machen.