Die unabsehbaren Folgen der Währungsunion zwingen die Vertretung des deutschen Imperialismus, den Anschluß möglichst rasch durchzusetzen, um den Widerstand in der DDR mit vereinigter Staatsmacht kleinzukriegen und gleichzeitig Aktionen der BRD-Arbeiter gegen die Kosten der Einheit zuvorzukommen. Der „Widerstand“ der SPD gegen Kohls Politik bezieht sich v. a. auf die zu geringen „Anpassungs- und Übergangsmaßnahmen“ für DDR-Betriebe und gipfelt in Mompers Hetzforderung nach Auflösung der PDS — ein fundamentaler Angriff auf die Rechte der Linken und Arbeiterbewegung.
Durch den Verrat der SPD bei den Post- und Metall-Verhandlungen kann die Bourgeoisie einen wichtigen Erfolg bei der Herstellung der deutsch-nationalistischen Front von Republikanern bis GRÜNEN verbuchen. Daß die Forderung der 35-Stunden-Woche an der Massenarbeitslosigkeit nichts ändert, sondern vom konsequenten Kampf dagegen ablenkt, weiß inzwischen jeder. Aber daß der wichtigsten BRD-Gewerkschaft für acht Jahre die Hände gebunden werden sollen, ist das Besondere dieser Niederlage. Nach dem Verzicht auf den Kampf gegen den Aussperrungsparagraphen 116, nach der effektiven Durchdringung der DDR bis hin zur Auflösung des FDGB durch den DGB hat die bürgerliche Arbeiterpartei SPD auch in der BRD vermittels ihrer Gewerkschaftsführungen ihren Patriotismus unter Beweis gestellt: Von Seiten der sozialdemokratischen Arbeiterbürokratie ist Ruhe im Land für ein neues Großdeutschland garantiert.
Ob diese imperialistische Linie der SPD-Führung angesichts steigender Arbeitslosigkeit, zu erwartender Inflation, Kürzung der Sozialleistungen einhergehend mit politischer Entrechtung (letztes Beispiel: das Ausländergesetz), durchgeht, hängt auch von der Linken in der BRD ab. Doch da sieht es düster aus! Angesichts der Gretchenfrage deutscher Politik: Wie hältst Du es mit der kapitalistischen Wiedervereinigung? schwankt sie zwischen Hilflosigkeit und offener Kapitulation. Sicher, der Aufruf der „Radikalen Linken“ zur Frankfurter Demonstration am 12. Mai hatte eine korrekte Stoßrichtung gegen deutschen Nationalismus und Annexion der DDR. Doch durch ihre Wirkungslosigkeit demoralisiert wendet sich die Linke von der Arbeiterklasse ab — eine Kapitulation vor dem Einfluß der SPD. Diesen postmodernen „Marxisten“ fehlt jede Klassenanalyse. So diskutieren der KB, BWK, VSP und „Radikale Linke“ heftig die Forderung nach „Volksentscheid“ über die „Deutsche Einheit“.
Die Frage des Rechts auf Selbstbestimmung (nach Lenin das Recht auf Lostrennung von einer Unterdrückernation) in dieser Situation deutsch-deutsch nationalistischen Taumels aufzuwerfen, ist sowohl eine Kapitulation vor dem traditionellen Antikommunismus („DDR=SBZ“), als auch vor dem deutschen Nationalismus. Nicht von ungefähr waren die Linkem Bestandteil der schwarz-rot-goldenen Friedensbewegung, die der „Bananenrepublik“ BRD — in Wirklichkeit einer der stärksten imperialistischen Staaten — im Kampf gegen die „Supermächte“ (und da, besonders „links“ gegen die „US-Besatzer“) auf die Sprünge helfen wollte. Nur konsequent ist deshalb auch die aktuelle Übernahme der bürgerlichen Kollektivschuldideologie; ihr widerlicher „negativer Patriotismus“ heißt auf deutsch: „Nur ein schlechter Deutscher ist ein guter Deutscher“!
Beim Kampf um die DDR handelt es sich um eine Klassenfrage: Welche Klasse soll in dieser (gespaltenen) Nation herrschen? Die Antwort von Revolutionären beginnt mit der Verteidigung des Arbeiterstaates DDR gegen die kapitalistische Wiedervereinigung. Die „Radikale Linke“ sieht dagegen traditionell keinerlei historische Errungenschaften in der DDR und entwarf im Januar gegen die BRD-Einmischung die reaktionär-utopische Perspektive einer kapitalistischen Zweistaatlichkeit.
Wir Trotzkisten treten für die revolutionäre Wiedervereinigung von Ost- mit Westdeutschland, für die sozialistische Räteregierung in ganz Deutschland ein. Wer allerdings jetzt die „Einheit“ angesichts der drohenden kapitalistischen Einverleibung der DDR in den Vordergrund stellt, und mag er sie noch so „revolutionär“ begründen, ist ein Lakai des deutschen Imperialismus. Denn unter den aktuellen Bedingungen kann unter Einheit nur kapitalistische Einheit verstanden werden. Die Einheitsapostel des BSA, die in ihrem „Kampfprogramm“ den Kampf gegen Stalinismus und Kapitalismus gleichsetzen (und damit die Verteidigung proletarischer Eigentumsformen der DDR, trotz und gegen die Herrschaft der stalinistischen Bürokratie, sabotieren), rufen dagegen zynisch zur Wahl der SPD auf. Damit ketten sie die Arbeiter nur weiter an diese proimperialistischen Wiedervereiniger. Neben der SpAD, die in der höchsten Gefahr für die DDR trotz aller vergangenen verbalradikalen Sprüche dann doch wieder die bekannte Wiedervereinigungslinie herauskehrt, gehören auch die Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt und GAM zu diesem Einheitslager. Natürlich sind auch beide Gruppen der LRKI für die Wahl der SPD in der BRD und forderten z.B. die Zusammenarbeit des österreichischen Gewerkschaftsbundes mit dem FDGB.
Ein klarer revolutionärer Kurs gegen die Pläne zur deutschen Neuorganisierung Europas ist nötig. Nach dem Verrat der SPD, der momentan auf keinen ernsthaften Widerstand in der westdeutschen Arbeiterklasse trifft, stehen die DDR-Arbeiter erst einmal allein gegen die Ansprüche des BRD-Kapitals. Die Forderung nach Arbeiteraktionen zur Verteidigung der DDR muß jedoch auch im Westen verankert werden: An Möglichkeiten, den sozialdemokratischen Burgfrieden zu durchbrechen und den Zusammenhang zwischen kapitalistischer Wiedervereinigung und Austeritätspolitk im Westen praktisch herzustellen, wird es nicht mangeln. Das beweist u.a. der fast dreimonatige Kita-Streik in Westberlin. Notwendig für Siege ist jedoch der konsequente Bruch vom Einfluß der Sozialdemokratie und in dieser Perspektive die revolutionäre Umgruppierung der Linken. Das heißt auch der möglichen Herausbildung einer links-sozialdemokratischen Strömung offensiv entgegenzutreten. Die Sammlung von linken GRÜNEN bis zu kommunistisch Gesinnten unter Führung der PDS-Bankrotteure würde nur die sozialdemokratische Arbeiterbürokratie von links abdecken.