Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT) — Nieder mit dem NATO-Krieg gegen Libyen! In: Bolschewik 21 (2012) Nr. 29. S. 5-7. — Version: 2023-04-10. — Geladen: 2024-04-19
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Nieder mit dem NATO-Krieg gegen Libyen!

Im März beschloss die UNO eine militärische Einmischung in den libyschen Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Muammar al-Gaddafi und der Opposition im Osten des Lan­des. Deutschlands Regierung profilierte sich am Anfang des Konfliktes mit einem Alleingang. Die Enthaltung bei der Ab­stimmung über die UN-Kriegsresolution 1973 war ein Zeichen der Stärke des deutschen Imperialismus. Die Zeiten, in denen die USA auf automatische deutsche Unterstützung zählen konnten, sind lange vorbei. Doch hinter diesem Alleingang stand auch die Angst, in ein militärisches Abenteuer hinein­gezogen zu wer­den, dessen Ausgang of­fen ist. Die Landtags­wah­len in Sach­sen-An­halt und Ba­den-Würt­tem­berg, die kurz nach der Abstim­mung in der UNO anstanden, durften ein weiterer Grund für die Enthaltung gewesen sein. Auch die Ankündi­gung, das deutsche Kon­tin­gent bei der Besatzung Afghanistans aufzustocken, zeigt, dass für den deutschen Imperialismus an­dere Prioritäten gelten.

Nachdem der Kriegseinsatz gegen Libyen losging, stieg Deutschland aber bei der Diskussion, wie es mit Libyen nach einem Sturz Gaddafis weitergehen solle, wieder voll ein. Auch Deutschland hat ein Interesse daran, dass eine neue Regierung weiterhin Öl liefert. Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, warum man in Libyen eine dem westlichen Imperialismus wohlgesinnte Regierung braucht: Als Puffer­staat gegen Flüchtlinge, die dem Elend und dem Chaos, Folgen des kapitalistischen Weltmarktes in ihren Ländern, entfliehen wollen. Gaddafi war für die EU eine nützliche Autorität gewesen, als es darum ging, einen Vorposten für die rassistische Festung Europas zu haben. Man bezahlte ihn, damit er die afrikanischen Flüchtlinge, die nach Europa wollten, aufhielt.

Ein Vorfall im Mittelmeer verdeutlichte die Barbarei, die vom Imperialismus und seinen Kriegen ausgeht. Ein Flücht­lingsboot, das Ende März in Tripolis gestartet war, kam in Seenot. Trotz der erheblichen Präsenz der imperialistischen Flotte und trotz eines Seenotrufes der Flüchtlinge griffen die Kriegstreiber nicht ein, und ließen die Flüchtlinge auf offener See sterben. Von 70 gestarteten Flüchtlingen überlebten lediglich 10. Der Rest starb, unter Aufsicht der NATO-Marine, an Hunger und Durst.

Opposition in Libyen: Stiefellecker des Imperialismus

Innerhalb der Linken und Arbeiterbewegung existiert all­ge­meine Verwirrung in der Frage, wie man die Opposition zu Gaddafi einschätzen soll. Nachdem in Tunesien und Ägypten Massenbewegungen für ein Ende der jeweiligen Regierungs­führer sorgten, war man erst erfreut darüber, dass es auch in Libyen zu Protesten kam, und dann um so verwirrter, als die Opposition innerhalb kürzester Zeit die UNO, die EU und die NATO anflehte, ihnen Gad­dafi mit militäri­schen Mitteln vom Hals zu schaffen.

Die pro-imperia­listische Opposition in Libyen ist kein spon­tanes Produkt der Unzufriedenheit der verarmten und unterdrückten Massen, die mit dem Mut der Verzweiflung gegen das übermächtig erscheinende Regime anrennen, son­dern eine von CIA und einer Reihe von europäischen Regie­rungen von langer Hand geplante „Bewegung“. Die Nationale Front zur Rettung Libyens bestand schon seit 1981 mit Ver­bindungen zur CIA. Dass diese Opposition schon lange Gespräche mit der EU und den USA über die Beseitigung Gaddafis führte, ist keine Sensation, aber eine Erklärung für das blitzschnelle Zuschlagen der NATO-Kräfte, allen voran Frankreich. Die Proteste in Libyen waren für London, Paris und Washington eben keine Überraschung.

SPD und Grüne: „Ja“ zu Krieg und Sanktionen

Die bürgerliche Arbeiterpartei SPD war empört über die Enthaltung der Regierung von Guido Westerwelle und Angela Merkel im UNO-Sicherheitsrat. Die SPD möchte an der Seite der anderen NATO- und EU-Imperialisten Libyen rekolo­nia­lisieren. Sie nimmt damit eine aggressivere Haltung als die Union ein und betont, dass sie sich auch von den alten „Grundsätzen“ der „Nichteinmischung“ verabschiedet hat:

Wer Krieg gegen sein eigenes Volk führt, muss mit Sank­tionen rechnen und er ist vor internationaler Strafver­fol­gung nicht sicher. Diese neue Tendenz im Völkerrecht wird immer wichtiger und sie lässt den alten Grundsatz, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht in „innere Ange­legenheiten“ eines anderen Staates einmischen darf, bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen zunehmend zurücktreten.
— Markus Engels (Stellvertretender Leiter. der Internationalen Abteilung beim SPD-Parteivorstand): Aufbruch in Nordafrika. 25. März 2011.
http://www.spd.de/aktuelles/News/11028/20110325_aufbruch_in_nordafrika.html

Die Grünen, bürgerlich wie ein Vorgarten, sehen den imperialistischen Angriff auf Libyen mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite drücken sie Besorgnis um die Zivilbe­völkerung aus, auf der anderen Seite befürworten sie massive imperialistische Sanktionen gegen die Gaddafi-Regierung. Natürlich unterstützen die Grünen die pro-imperialistische Opposition und bemühen sich deren Perspektive als demo­kratisch und revolutionär zu verkaufen. Die Opposition selbst zeigt ihre kaufmännischen Qualitäten und macht sich daran, das Erdöl unter ihre Kontrolle zu bringen – selbstverständlich als Teil der „demokrati­schen“ Umwälzung. Da es nun zum Krieg gekommen ist, wollen die Grünen zumindest noch die Spielregeln kom­mentieren:

Eine militärische Eroberung der Herr­schaftsgebiete Gad­dafis leh­nen wir ab. Der militärische Ein­satz muss strikt an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden und verhältnismäßig im Einsatz der Mittel sein.
— Claudia Roth (Bundesvors. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine einfache Entscheidung. 18. März 2011
http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/keine-einfache-entscheidung.html

Nach Ansicht der Grünen muss der Krieg nunmal human geführt werden. Diese Nachricht wird die libyschen Zivilisten, die mit NATO-Raketen bombardiert werden, sicherlich beru­higen.

Die LINKE hingegen weist auf die Rolle der BRD im Nahen Osten hin:

Deutschland hat mit den Diktatoren in der arabischen Region nicht nur verhandelt, sondern bis fünf nach zwölf paktiert. Deutschland hat Waffen und Ausrüstungen ge­liefert und Ausbildungen durchgeführt.(…) Der deutschen Politik war es gleichgültig, dass in diesen Ländern Demokraten verfolgt wurden, in den Gefängnissen saßen und und noch sitzen, dass in diesen Ländern gefoltert wurde und wird, dass Frauen unterdrückt werden. Auch im Krieg paktiert Deutschland mit Saudi-Arabien. Saudi-Arabien mordet mit seinen Truppen Aufständische in Bahrein. Saudi-Arabien unterdrückt alle demokratischen Bewegun­gen im eigenen Land.
— DIE LINKE. Vorstand: Stoppt den Krieg in Libyen! Frau Merkel, keine Unterstützung für den Krieg! Resolution, 20.03.2011
https://www.die-linke.de/index.php?id=7732&type=123

Doch anstatt dem deutschen Imperialismus den Krieg zu erklären und die Arbeiterklasse gegen deutsche Truppen in Afghanistan zu mobilisieren, bleibt sie einmal mehr auf dem Pfad des bürgerlichen Parlamentarismus:

Was kann getan werden? DIE LINKE hat im Bundestag vorgeschlagen, den Export von Waffen und Rüstungs­gütern in den gesamten Nahen Osten sofort und dauerhaft zu stoppen. Das kann ein erster Schritt zum weltweiten Waffenexportverbot sein. DIE LINKE will sofort den Export und Import von Öl aus Libyen in die Europäische Union stoppen. Wenn kein Öl mehr fließt und kein Geld mehr kommt, wächst die politische Vernunft. DIE LINKE will, dass sich Europa und Deutschland für Flüchtlinge öffnen.
— Ebenda

Wir werden es vermutlich nie erfahren, ob „die politische Vernunft“ von DIE LINKE wirklich wach­sen würde, wenn „kein Geld mehr kommt“, aber man kann jetzt bereits mit Sicherheit feststellen, dass die LINKE versucht, mit pazifistischen Appel­len auf Wählerfang zu gehen. Gleichzeitig deutet man an, dass der Krieg gegen Libyen ein taktischer Fehler ist, da er Gaddafi mehr nutzt als dem Imperialismus:

Der Krieg stärkt Gaddafis autoritäre Herrschaft. DIE LINKE ist solidarisch mit den Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit für eine freie, demo­kratische und sozial gerechte Heimat eintreten.
— Ebenda

Die Bedenken sind also rein taktischer Natur. Die LINKE bezieht sich auch uneingeschränkt positiv auf die libysche Opposition, wie es die bürgerliche Presse auch tut, und dichtet den CIA-Handlangern und Islamisten einen progressi­ven Charakter an.

Imperialismus: Barbarei ohne Ende?

Der Siegestaumel der USA und die Genugtuung der restlichen imperialistischen Welt über die Ermordung Osama Bin Ladens durch eine US-Spezialeinheit, steht dem gestock­ten Versuch der militärischen Zerschlagung des Gaddafi-Regimes gegenüber. Obwohl auch die NATO mit gezielten Angriffen auf die Gaddafi-Familie versuchte, das Regime zu stürzen, sieht es so aus, als ob dieses alles andere als ein Kartenhaus ist.

Solange die imperialistische Allianz Krieg gegen Libyen führt, werden wir zur militärischen Verteidigung Libyens aufrufen! Das umfasst die Notwendigkeit von Arbeiterstreiks gegen Waffen- und Logistiktransporte für die imperialistischen Truppen. Doch wir geben Gaddafi keine politische Unter­stützung — er muss durch die Macht der libyschen, multi­nationalen Arbeiterklasse gestürzt werden! Dafür braucht es eine revolutionäre Partei, die gegen die imperialistische Inter­vention vorgeht, die den Charakter der jetzigen Gaddafi-Opposition schonungslos aufdeckt, und die für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse eintritt.

Zerschlagt den Imperialismus durch Arbeiterrevolution!