Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT) — "Marxistische Kritik" im imperialistischen Kriegslager In: Bolschewik 11 (2002) Nr. 17, S. 10-12. — Version: 2023-04-10. — Geladen: 2024-03-29
URL: http:// bolshevik.org/deutsch/bolschewik/ibt_bol17_2002-03.html

"Marxistische Kritik" im imperialistischen Kriegslager

Die E-Mail vom 1.10.01 der MAK an die Gruppe Spartakus:

Hallo Genossen und GenossInnen,

eure Stellungnahmen zum Terroranschlag auf das WTC und die Folgen habe ich erhalten. Sie überzeugen mich nicht wirklich. Insbesondere die folgenden Passagen halte ich für nicht stichhaltig. Ihr schreibt:

"…Ein massiver imperialistischer Militärschlag gegen Afghanistan und/oder den Irak wäre eine Katastrophe, die Tausende weiterer unschuldiger Opfer hervorbringen und letztendlich die Kräfte der islamistischen Reaktion in der Region stärken würde.

Für den Weltsozialismus!

Revolutionäre müssen eine Position der bedingungslosen militärischen Verteidigung jedes neo-kolonialen Ziels imperialistischer Angriff vertreten. Es ist die Pflicht klassenbewusster amerikanischer Arbeiter, sich der Flutwelle chauvinistischen Drecks standhaft entgegenzustellen und die historischen Interessen der amerikanischen Arbeiter nicht aus dem Auge zu verlieren. …"

Die Frage ist doch gegen wen sich ein Militärschlag richtet. Eine Zerstörung der militärischen Basen der Taliban ist zu befürworten, denn dieses Regime ist qualitativ einem faschistischen Regime gleichzustellen und muss aus der Welt geschafft werden.

Um Pol Pot und seine blutigen Khmer Rouge zu beseitigen gab es damals ein Vietnam, dass der geschundenen Bevölkerung im Nachbarland zu Hilfe kam. Den geschundenen Afghanis hilft keiner.

Man kann nicht gleichzeitig für den Weltsozialismus propagieren und die bedingungslose militärische Vereidigung der Taliban-Verbrecher fordern. Oder versteht ihr etwas anderes unter "jedes neo-kolonialen Ziels imperialistischer Angriff" (Grammatik?).

Es ist doch ein Märchen zu glauben, man könnte die Islamisten mit gutem Zureden bezwingen. Oder vielleicht schicken wir ein paar Sozialarbeiter hinunter.

Eure Schwäche ist wie immer der voreilige Schluss und die mangelnde Ideologiekritik. KommunistInnen müssen endlich die reaktionären Ideologien kritisieren und bekämpfen. Die Imperialisten für Dinge zu kritisieren, die sie _nicht_ getan haben ist nicht glaubwürdig. Wir müssen sie dafür kritsieren was sie wirklich getan haben. Ihr solltet nicht spekulieren, wie es die "Antiimperialisten" tun.(siehe: junge Welt)

Erlaubt mir zu sagen, dass es oft einen Unterschied gibt zwischen den Reden und den Taten. Nicht nur beim Großmaul Saddam Hussein, auch beim Großmaul Bush, dessen Rhetorik sich nach den Tiraden der ersten Woche deutlich abgekühlt hat.

mrevg Heribert

"Dieselbe Politik, die eine bestimmte Großmacht, eine bestimmte Klasse innerhalb dieser Großmacht lange Zeit hindurch vor dem Krieg verfolgte, setzt diese selbe Klasse unvermeidlich und unausbleiblich während des Krieges fort, wobei sie nur die Form des Handelns ändert"

(Lenin: "Krieg und Revolution"; LW Bd. 24, S. 397)

Nach dem Terroranschlag gegen das WTC und das Pentagon hat es in den entwickelten kapitalistischen Ländern eine chauvinistische Mobi-lisierung für Krieg gegen den 'Terrorismus' gegeben. Ziel der herrschenden Klasse dieser Länder war die nationale Einheit, um zum einen den imperialistischen Angriffskrieg gegen Afghanistan vorzubereiten, und zum anderen massive Angriffe auf die soziale Lage der arbeitenden Klasse durchzuführen.

In so gut wie allen Bereichen der Wirtschaft werden Massenentlas-sungen angekündigt oder durchgeführt. Vielen Arbeitern soll ihr Rausschmiss als eine Art patriotische Handlung verkauft werden, zu der es im Angesicht des 'weltweiten Terrors' keine Alternative gäbe. Die Gewerkschaftsführung hat zwei Tage nach den Terroranschlägen den Schulterschluss mit den Bossen gesucht. Eine gemeinsame Schweige-minute signalisierte, dass die bürokratische Führung auch nach dem 11. September jede Umverteilung des Reichtums von unten nach oben und den Burgfrieden mitträgt.

In Deutschland gibt es nur wenig Protest gegen den Krieg. Die Anti-Kriegsdemonstrationen sind spärlich besucht und von Pazifisten dominiert, die mit den Slogans: "Stoppt den Krieg", "Die Gewaltspirale durchbrechen" klar machen wollen, dass der Imperialismus schon recht hat, wenn er sich als armes Opfer aufführt, dass er nur bitte, bitte keine Bomben schmeißen soll.

Wir, die Gruppe Spartakus, formulierten nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 in der Ausgabe Nr. 13 (Januar 2000) des BOLSCHEWIK eine fundierte Kritik an der (links-) pazifistischen und reformistischen Linken. Wir nannten nicht umsonst die Ausgabe "Die Linke zwischen den Kriegen". Deshalb waren wir nicht so naiv zu glauben, dass der Imperialismus seinen weltweiten Siegeszug nach der Konterrevolution in Russland (August 1991), nach dem Angriff auf den Irak (1991), den Interventionen in Somalia (1992-95) und Bosnien (seit 1995) sowie dem Angriff auf Jugoslawien (1999) so einfach beenden wird. Denn Imperialismus bedeutet den Griff nach der Weltherrschaft und die Unterwerfung von ganzen Regionen und Milliarden von Menschen unter die Interessen des imperialistischen Großkapitals mit allen ökonomischen, diplomatischen und militärischen Mitteln. Wir waren daher nicht so naiv wie Heribert von der MAK, der uns noch wenige Tage vor Kriegsausbruch belehren wollte, "dass es oft einen Unterschied gibt zwischen den Reden und den Taten. Nicht nur beim Großmaul Saddam Hussein, auch beim Großmaul Bush, dessen Rhetorik sich nach den Tiraden der ersten Woche deutlich abgekühlt hat." Wer dagegen den Unterschied zwischen Neokolonien und Imperialisten begreift, weiß: Im Unterschied zu Hussein ist Bush ein Großmaul, das kann.

Wir treten im imperialistischen Krieg gegen Afghanistan für die Niederlage des Imperialismus und damit für einen militärischen Sieg Afghanistans ein. Wir stehen auf der Basis des leninistischen Pro-gramms, das Halbkolonien gegen den Zugriff von Imperialisten verteidigt, ohne ihre Regime in irgendeiner Form politisch zu unterstützen.

Die "Marxistische Kritik" (MAK), ein Zeitungskollektiv aus dem "Offenen Kommunistischen Forum", bezog beim Ausbruch des Krieges 1999 eine Position, die zur Niederlage der NATO-Truppen aufrief (vgl. Infoblatt Nr.1, 2.4.1999).

Keine 2 1/2 Jahre später findet sich die "Marxistische Kritik" im imperialistischen Kriegslager wieder.

Der anti-kommunistische Standpunkt der MAK

Die MAK erklärt auf ihrer Internetseite (www.okf-sued.org), dass der imperialistische Angriffskrieg gegen Afghanistan kein "ungerechter Krieg" sei, und ruft zum Krieg gegen den "inhumanen Islamismus" auf. In den Artikeln während des Krieges wird den Imperialisten der Rücken gestärkt und zur Unterstützung der Nordallianz aufgerufen. Im Sinne der kleinbürgerlichen anti-nationalen und anti-deutschen Linken werden die islamischen Bewegungen als faschistisch bezeichnet.

Ein Wesensmerkmal des Faschismus ist die Mobilisierung einer kleinbürgerlichen, terroristischen Massenbewegung zur Zerschlagung und nachhaltigen Atomisierung der Arbeiterbewegung. Die Taliban mit ihren paar Zehntausend Soldaten waren keine tief in der Bevölkerung verwurzelte Massenbewegung; sondern von Pakistans Geheimdienst finanzierte und nach Afghanistan (re-) importierte extrem reaktionäre Kriegsherren. Sie bezogen ihre scheinbare Stärke vor allem aus der allgemeinen Ermüdung der afghanischen Gesellschaft nach Jahren des Bürgerkrieges. Wenn in Afghanistan jemand die ohnehin schwache Arbeiterbewegung und Linke verfolgt, ermordet und ins Exil getrieben hat, dann waren dass bereits die Mudschaheddin der Nord-Allianz nach dem Abzug der Sowjetarmee und dem Fall Kabuls.

Der von der MAK zur Charakterisierung der Taliban verwandte Faschismusbegriff bleibt unklar. Es liegt der Verdacht nahe, dass hier mal wieder inflationär damit umgegangen wird, weil dieses Wort den Vorzug hat, bei manchen Linken den Verstand auszuschalten und jeden Verrat zu rechtfertigen. Unsere bedingungslose militärische Verteidigung einer Neokolonie gegen den Imperialismus ist allerdings explizit unabhängig vom politischen Charakter des Regimes. Für uns sind nicht die Staatsform oder die reaktionäre Ideologie der beteiligten Regierungen ausschlaggebend sondern ihre Stellung und Macht in der imperialistischen Weltordnung. Kein Taliban-Terror kann soviel Elend über den Globus verbreiten wie die Weltherrschaft der westlichen Demokratien.

In Verdrängung dieser Wirklichkeit wertet die MAK mit dem gleichen Sprachgebrauch wie die US - Regierung die Anschläge vom 11. September als Angriff auf die USA. Wirkliche Marxisten lehnen den Terrorismus gegen Zivilisten grundlegend ab. Wir stellen aber auch fest, dass der US-Imperialismus nicht der Anwalt der Opfer des World Trade Centers ist, die sich aus über 80 Nationalitäten zusammensetzen.

Genauso wenig wie die MAK den imperialistischen Charakter des Krieges erkennt, genauso wenig hat die MAK Kritik am Hauptfeind im eigenen Land. Zwar wird der Kriegseinsatz deutscher Truppen abgelehnt - aber nicht aus marxistischen Gründen. Deutschland habe "keine direkte Verantwortung" und solle sich "neutral" verhalten. Marxisten sollten wissen, dass es keinen neutralen Imperialismus gibt. Die Imperialisten verfolgen ihre Interessen weltweit und haben daher immer eine "direkte Verantwortung".

Kein Wort verliert die MAK über die Behandlung afghanischer Flüchtlinge vor dem 11. September 2001 in Deutschland oder die rassistischen und anti-demokratischen Gesetzesverschärfungen der 'rot'-grünen Kriegsregierung. In einer E-Mail an uns beklagt Heribert von der MAK, "den Afghanis hilft keiner" - außer den Imperialisten meint er. Doch auch die Imperialisten helfen mit ihrer Intervention in Afghanistan (wie im Kosovo) nur sich selbst und ihren geostrategischen und Öl-Interessen. Alles andere ist eine Fassade vor zutiefst rückständigen Sozialverhältnissen und vorübergehende humanitäre Kosmetik wie die gelben Care-Pakete zu Beginn der Bombardierungen - inszeniert für die momentane Medienpräsenz. Kaum war der Kosovo aus den Schlagzeilen geraten und Milosevic gestürzt, schrumpfte die Finanzhilfe für den Balkan-Stabilitätspakt von versprochenen Milliarden auf tatsächliche Milliönchen. Was dagegen bleibt, ist die imperialistische Besatzung und Kontrolle des Balkans.

Wer so eine bizarre Kriegsposition bezieht wie die MAK, muss die Realität übersehen. Das Bündnis aus Imperialisten und Anti-Taliban-Kräften wird als "antifaschistisch" und "republikanisch" bezeichnet. Doch wie sieht die Realität dieses Bündnisses aus? Lassen wir dazu die kleinbürgerliche Frauenorganisation RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans), deren Illusionen in den König Zahir Schah und in die UNO abzulehnen sind, zu Wort kommen: "Die Welt muss verstehen dass die Nordallianz aus einigen Banden zusammengesetzt ist, die bereits ihre wirkliche kriminelle und unmenschliche Haltung gezeigt haben, als sie Afghanistan von 1992 bis 1996 regiert haben." Und weiter: "Auch wenn die Nordallianz es gelernt hat vor dem Westen manchmal als "demokratisch" und sogar als Unterstützende von Frauenrechten zu posieren, haben sie sich in Wirklichkeit jedoch überhaupt nicht verändert, genauso wenig wie ein Leopard seine Flecken ändern kann" (beide Zitate aus einer RAWA-Erklärung vom 13.11.01).



Die Verhandlungen von Petersberg: Hoffnung für die afghanischen Massen?

Schon kurz nach dem Zustandekommen der Petersberger Erklärung Anfang Dezember 2001 gibt es im Anti-Taliban-Bündnis Widerstand gegen die Beschlüsse. Doch die MAK begrüßt die Ergebnisse der Bonner Verhandlungen und sieht in ihr das Entstehen einer bürgerlichen Demokratie in Afghanistan. Nach der Definition der MAK ist also ein Land, das von Kriegsherren und Stammesfürsten (Loja Dschirga) regiert wird, eine bürgerliche Demokratie. Die 'demokratischen Fortschritte' sind denn auch so unübersehbar, dass nur 'verblendete Trotzkisten' sie nicht erkennen können: In Afghanistan gibt es zwar immer noch Steinigungen von EhebrecherInnen und öffentliche Hinrichtungen, doch laut neuem Justizministerium würden nur noch kleinere Steine benutzt und die öffentliche Zurschaustellung der Gehenkten sei auf 15 Minuten begrenzt worden. Mit der Einigung von Petersberg ist Afghanistan ein Land, das vollkommen vom Imperialismus (NATO-Staaten stellen unter UNO-Mandat eine Schutztruppe) abhängig ist. Mit der Entscheidung, dass in drei Monaten die Völkermordarmee der Türkei die Schutztruppe in Kabul führen wird, haben die humanitären Imperialisten jeden demokratischen Anschein fallen gelassen.

Nicht nur die Führer der Nord-Allianz haben eine unrühmliche Vergangenheit. Das gilt auch für den neuen Regierungschef. Karsai, der neue Herrscher von Afghanistan, war auch schon vor 20 Jahren im imperialistischen Boot, als die CIA die reaktionär-islamischen Kräfte gegen die pro-sowjetische Regierung in Kabul unterstützte. Karsai wiederum unterstützte von 1994 bis 1999 die Taliban. Nach der Logik der MAK war also Karsai auch einmal Faschist. Und um die Verwirrung komplett zu machen, die ein inflationärer Faschismusbegriff stiftet, sei darauf hingewiesen, dass Israel bis 1997 das Taliban-Regime unterstützte und dass der 'gute' alte König Shah, der Führer der Rom-Gruppe auf dem Petersberg, ein Nazi-Lover war, der einst Deutschland einen erfolgreichen 2. Weltkrieg und sich selbst ein Groß-Afghanistan bis zum Indus wünschte.

Permanente Revolution gegen Imperialismus und Krieg

Afghanistan ist weit davon entfernt, einen qualitativen Schritt in Richtung Fortschritt, Demokratie sowie Frauen- und Menschenrechte zu machen. Wir verwerfen die Idee, dass der Imperialismus heute in unterentwickelten Ländern Fortschritt und Freiheit bringen wird. Der degenerierte Arbeiterstaat Sowjetunion unterstützte ein links-nationalistisches Regime, das versuchte, Afghanistan mittels nationaler Modernisierung aus dem Mittelalter in die Gegenwart zu führen. Die Stammesfürsten Afghanistans wussten, dass eine nationale Einigung ihre Stämme überflüssig machen wird. Deshalb griffen sie zu den Waffen und wurden dabei schon vor der Sowjetinvasion vom US-Imperialismus ausgebildet und angeleitet. So beteiligten sich die USA direkt am Aufbau der islamisch-fundamentalistischen Mudschaheddin, aus deren Reihen die Taliban entsprungen sind.

Die MAK verbreitet eine Form der stalinistischen Etappentheorie. Diese Theorie besagt, dass in rückständigen Ländern erst eine bürgerliche demokratische Revolution siegen muss, um erst danach die Arbeitermacht zu erkämpfen. Die Stalinisten ordneten die kommunistischen Bewegungen der Führung der Nationalbourgeoisien unter, was der Weltarbeiterklasse eine Reihe von blutigen Niederlagen einbrachte (China 1927, Spanien 1936, Indonesien 1965/66, Chile 1973 usw.).

In den rückständigen Ländern sind aber die Nationalbourgeoisien zu schwach, um die demokratischen Reformen durchzusetzen. Es sind die Arbeiter im Bündnis mit der Landarmut, die gegen die Interessen der eigenen Bourgeoisie und der neokolonialen Ausbeuter eine Diktatur des Proletariats errichten müssen. Nur dieses Bündnis hat die Macht und das Interesse, die Aufgaben der bürgerlichen Demokratie durchzusetzen.

Wir Marxisten treten für die Schaffung revolutionärer Parteien Af-ghanistan und den umliegenden Ländern ein. Sie zu gründen und den Grundstein für eine politische Arbeit zur Sammlung der Arbeiter und Landarbeiter auf der Basis des revolutionären Programms zu legen, ist ein Ziel unserer Politik. Die Befreiung von imperialistischer Unterdrük-kung ist eine zentrale Achse des Klassenkampfes in diesen unterentwickelt gehaltenen Ländern. Es wäre fatal, wie MAK zu glauben, es gäbe einen Weg zum Sozialismus über siegreiche imperialistische Kriege.

Die MAK steht mit dieser Position in der Tradition der II. Internationale nach dem August 1914. Diese Sozialchauvinisten schwadronierten schon damals vom zivilisatorischen Fortschritt, den ihre Kolonialherren den rückständigen Barbaren in den Kolonien bringen würden. Im 1. Weltkrieg versuchten die Kriegstreiber der II. Internationale, ihre Position der Vaterlandsverteidigung mit der marxistischen Theorie vor dem Zeitalter des Imperialismus zu begründen. Marx hat z. B. den Krieg Deutschlands gegen Frankreich 1870 als fortschrittlich angesehen, weil er endlich die Ketten des Feudalismus in Deutschland abwarf und zur nationalen Einigung führte. Sobald dann der Krieg zu einer Beraubung Frankreichs entartete (Annexion von Elsass-Lothringen) verurteilten Marx und Engels die deutsche Regierung ganz entschieden.

Lenin schrieb 1915 gegen die Sozialchauvinisten der II. Internationale eine Polemik, die sich auch im 21. Jahrhundert anwenden lässt: "Dieses Urteil über einen bürgerlich-fortschrittlichen, nationalen Befreiungskrieg [z. B. die 1. Phase des Deutsch-Französischen-Krieges 1870, A. d. R.] auf den jetzigen imperialistischen Krieg übertragen heißt die Wahrheit vergewaltigen. … denn damals gab es weder den modernen Imperialismus …. Wer sich jetzt auf Marx' Stellungnahme zu den Kriegen in der Epoche der fortschrittlichen Bourgeoisie beruft und Marx Worte 'Die Arbeiter haben kein Vaterland' vergißt … der fälscht Marx schamlos und ersetzt die sozialistische Auffassung durch die bürgerliche" (Lenin: "Sozialismus und Krieg"; LW Bd. 21, S . 309).

Die Kriegsmaschinierie läuft wie geschmiert

Nach dem Sieg über Afghanistan hat der Imperialismus Appetit auf mehr bekommen. Bis zu 60 Länder sind auf der Liste des Pentagons, die in Frage kommen, ein ähnliches Schicksal wie Afghanistan zu erleiden. Wer diesen Krieg unterstützt, ebnet den Weg für die Folgekriege.

Der Imperialismus kämpft nicht für Fortschritt und Demokratie sondern für die weitere Ausplünderung der Welt. Er bringt der übergroßen Mehrheit der Menschheit tagtäglich Hunger, Elend, Krieg und Terror. Eine militärische Niederlage für die Imperialisten, wie z. B. im Vietnamkrieg für die USA, bedeutet, dass sie erst mal geschwächt werden und innenpolitisch in einigen Fragen Zugeständnisse an die Arbeiterklasse machen müssen. Politische Kräfte, die für einen Sturz der Regime in Pakistan, Iran, der Türkei oder imperialistischen Ländern eintreten, würden Aufwind bekommen. Um die damit eröffneten Möglichkeiten revolutionär nutzen zu können, müssen Kommunisten über ein revolutionäres Programm verfügen. Konsequenter Antiimperialismus ist ein Eckstein dieses Programms.



Für die Verteidigung des revolutionären Programms

Wir Trotzkistinnen und Trotzkisten stehen in der Tradition des revolutionären Marxismus. "Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein!" Dieser bekannte Brecht-Spruch ist im Zeitalter des Imperialismus richtiger denn je. Wir verwerfen alle Taktiken der Stalinisten, Sozialdemokraten und Pseudomarxisten, dass es einen Weg zur Befreiung über die Unterstützung des Imperialismus gibt. Anders als diese lehnten wir es im Zweiten Weltkrieg ab, für den Sieg eines Imperia-lismus über den anderen einzutreten. Während sie den Befreiungskrieg der Sowjetunion gegen Deutschland verteidigten, gaben Trotzkisten der imperialistischen Anti-Hitler-Koalition keine Unterstützung. Es waren die "anti-faschistischen" Großmächte, die ihre Kolonien auch nach dem Zweiten Weltkrieg zum Teil in der Abhängigkeit beliessen. Sie sorgten auch dafür, dass nach der militärischen Niederlage des Faschismus das überlebende Klassenbewusstsein, das sich in den sogenannte Antifa-Komitees, unabhängigen Gewerkschaften und Betriebsbesetzungen ausdrückte, politisch unterdrückt wurde. In Frankreich wollte die Bourgeoisie "lieber Hitler als Blum" und waren es alle Kräfte der Anti-Hitler-Koalition, die Streiks niedermachten sowie die bürgerliche Herrschaft wiederherstellten und somit den Weg bereiteten für die nächsten Kriege und Völkermorde (s.a. Eric Wegener: Der zweite Weltkrieg: Demokratie gegen Faschismus?).

In der Konkret 11/2001 und gleichlautend in der Marxistischen Kritik werden die US-amerikanischen Trotzkisten dafür angegriffen, während des Zweiten Weltkrieges nicht die US-amerikanische Bourgeoisie im Kampf gegen den nach Weltmacht dürstenden deutschen Imperialismus unterstützt zu haben. Die simple Regel "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" mag linke Kleingeister befriedigen, kann aber keine marxistische Klassenanalyse ersetzen. Warum sollten Kommunisten und Kommunistinnen der 'eigenen' Bourgeoisie helfen, die Welt Untertan zu machen? Auch für amerikanische Arbeiter und Arbeiterinnen stand der Hauptfeind im 'eigenen' Land - die anhaltende Kommunistenverfolgung machte die unveränderte Position der US-Regierung in dieser Frage deutlich. Deshalb vertraten die amerikanischen Trotzkisten der SWP eine revolutionäre proletarische Militärpolitik, die eine solide militärische Ausbildung des Proletariats unter Arbeiterkontrolle forderte, um so den gewaltsamen Sturz der 'eigenen' Bourgeoisie ebenso wie den revolutionären Kampf gegen den Faschismus unter eigener Führung vorzubereiten. Während die stalinistischen Verräter den berechtigten Hass amerikanischer Arbeiter auf den Faschismus in eine patriotische Volksfront mit dem eigenen Hauptfeind lenkten, versuchten Revolutionäre, diesen mit dem Kampf um die Macht im eigenen Land zu verbinden. Denn das Proletariat muss auch im Krieg seine eigene Politik verfolgen und seine völlige politische und organisatorische Unabhängigkeit von der Bourgeoisie bewahren. Nur so kann es wirklich und effektiv den Klassen-brüdern und -schwestern in den faschistisch regierten Ländern helfen. Dies erreicht man sicher nicht durch die Verteidigung der 'antifaschistischen' Kolonialreiche und den westalliierten Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung, wobei systematisch Arbeiterviertel angegriffen wurden, vorzugsweise KPD-Hochburgen. Dagegen kämpften die Trotzkisten der SWP für alle Opfer des faschistischen Regimes und somit gegen die rassistischen und antisemitischen Einwanderungsquoten der USA, während die herrschende Klasse der USA kein Interesse an dem Schicksal der europäischen Juden und der anderen Opfer der faschistischen Vernichtungspolitik hatte.