Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT) — Revolution oder Krieg - Sozialismus oder Barbarei. In: Bolschewik 8 (1999) Nr. 12, S. 7-9. — Version: 2023-04-10. — Geladen: 2024-03-28
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Revolution oder Krieg - Sozialismus oder Barbarei

Kaum war Anfang der 90er Jahre das sowjetische "Reich des Bösen" (Ronald Reagan) durch die kapitalistische Konterrevolution vernichtet worden, da verkündete George Bush eine Neue Weltordnung des Friedens. Sofort entpuppte sich die Weltfriedensordnung als billiger Vorwand zum Kriegführen: In ihrem Namen sollte der Irak von der imperialistisch zusammengezwungenen Weltgemeinschaft unter hunderttausenden zivilen Opfern in die Unterwürfigkeit gebombt werden.

Seitdem haben die internationalen Ereignisse ein ums andere mal bewiesen, daß mit dem Kapitalismus kein Frieden zu machen ist. Heute müßen alle EinwohnerInnen Jugoslawiens erfahren, was es heißt den neuen Weltordnern im Weg zu stehen. Im Schatten der NATO-Angriffe auf Jugoslawien setzen die USA ihre im Dezember 1998 begonnene Kampagne "Wüstenfuchs" mit Luftschlägen gegen den Irak fort. In beiden Fällen sind KommunistInnen nicht neutral: Sie verteidigen Jugoslawien wie den Irak gegen die militärischen Angriffe des Imperialismus, ohne ihren Machthabern die geringste politische Unterstützung zu geben. So treten wir für die Unabhängigkeit des Kosovo und das Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen im Nordirak ein.

Auch wenn die USA nach wie vor die stärkste Militärmacht der Welt sind, steht für Anti-MilitaristInnen in Deutschland der Hauptfeind nicht am Potomac River sondern an Rhein und Spree. Dies galt auch für die Operation "Wüstenfuchs", an der sich deutsches Militär zwar nicht direkt beteiligte, aber die von der "rot"-grünen Regierung unterstützt wurde - nicht aus Unterordnung unter die USA, sondern aus eigenem imperialistischem Antrieb im gemeinsamen räuberischen und unterdrückerischen Interesse gegenüber unterentwickelt gehaltenen Ländern wie dem Irak. Während die letzten grünen PazifistInnen nach dem Beginn der amerikanisch-britischen Angriffe noch hofften "dazu wird sich der Joschka erklären" (Junge Welt 18.12.1998), erklärte der prompt sein Verständnis und Unterstützung für die Gewaltmaßnahmen gegen den unbotmäßigen Irak. So einfach macht Regierungsverantwortung für deutsche Interessen auch aus pazifistischen Sozialpatrioten militaristische Sozialpatrioten.

Während Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) den USA die Benutzung der Militärbasen in Deutschland zusicherte, bot der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Hans-Ulrich Klose (SPD), logistische Unterstützung für die Militärschläge gegen den Irak an. Insgesamt monierten SPD und Bündnis90/Die Grünen zwar, daß Deutschland als "partner in leadership" nicht vorab informiert worden war, rechtfertigten aber die Luftschläge gegen den Irak inklusive Umgehung der UNO: "Der Sicherheitsrat.war durch gegensätzliche Positionen blockiert" (Junge Welt 19.12.1998), übte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Verheugen (SPD) schon mal für die Rechtfertigung der Bundeswehr-Angriffe auf Jugoslawien, für die der Weg ja bereits prinzipiell am 16.10.1998 durch eine Entscheidung des Bundestages freigemacht worden war.

Im folgenden drucken wir die Übersetzung der Erklärung der Internationalen Bolschewistischen Tendenz zu den amerikanisch-britischen Angriffen auf den Irak ab.

Nieder mit der Hungerblockade!
Verteidigt den Irak gegen den imperialistischen Angriff!

Donnerstag früh um 0:49 Uhr heulten die Luftwarnsirenen über Bagdad auf. Minuten später war die Stadt der ersten Welle des Bombenterrors einer imperialistischen Strafaktion ausgesetzt, die vom U.S. Pentagon "Wüstenfuchs" getauft wurde. Wie schon bei George Bushs "Wüstensturm" geht es bei Clintons "Wüstenfuchs" allein darum, die Vorherrschaft der USA im ölreichen Mittleren Osten zu behaupten. Britanniens sozialdemokratischer Premierminister, Tony Blair, stellte aus freien Stücken britische Bomber für die mörderische Kampagne zur Verfügung. Blair hat auch Clinton energisch gegen Vorwürfe verteidigt, der Zeitpunkt des Angriffs habe etwas damit zu tun, eine anstehende Abstimmung des US-Repräsentantenhauses über ein Amtsenthebungsverfahren aufzuschieben.

Der Vorwand für die gegenwärtigen Angriffe ist Iraks angebliche Weigerung, sich völlig den UN-Waffeninspektoren zu fügen. Während der 80er Jahre wurde der Irak von Britannien, Deutschland und den USA als Bollwerk gegen die islamische Revolution im Iran unterstützt und bewaffnet. Heute heucheln Saddams ehemalige Schutzherren Entsetzen bei dem Gedanken, daß der Irak vielleicht immer noch einige der Waffen besitzt, mit denen sie ihn einst ausgestattet haben. Doch auch die UN-Inspektoren räumen ein, daß Iraks Atom- und Chemiewaffenprogramme zerstört wurden, und sie geben auch zu, daß keine Beweise für biologische Waffen gefunden werden konnten. Die imperialistische Medienhysterie über die angebliche Gefahr, die von Saddams "Massenvernichtungswaffen" ausgeht, ignoriert zudem regelmäßig die Tatsache, daß die Mittelstreckenraketen - ohne die solche Waffen nicht verschickt werden können - untauglich gemacht worden sind.

Saddam Hussein ist ein brutaler Diktator und der Feind der irakischen Massen, aber sein einziges "Verbrechen" in den Augen der Imperialisten ist es, nicht fügsam genug zu sein. Da es ihnen nicht gelungen ist, ihn nach dem Wüstensturm zu stürzen, haben die USA den Irak einem niederträchtigen Embargo unterworfen, das direkt verantwortlich ist für den Tod von gut über einer Million IrakerInnen - zwei Drittel davon Kinder. Die fortgesetzte Kampagne gegen den Irak ist in Wirklichkeit die Durchsetzung "vitaler" amerikanischer Interessen an der Kontrolle der Ölfelder im Mittleren Osten durch die Vernichtung der Fähigkeit Bagdads Saudi-Arabien, Kuwait und andere abhängige US-Schützlinge in der Region unter Druck zu setzen. Der anhaltende Druck auf Saddam hat den USA zudem einen bemerkenswerten Einfluß über die irakische Ölindustrie eingeräumt - die über mehr als zehn Prozent der gesamten Weltölreserven verfügt. Jahrelang haben die unbefristeten "Waffeninspektionen" den Vorwand für die unbegrenzte Fortsetzung der UN-Sanktionen und die Einschränkungen des irakischen Ölverkaufs geliefert.

Das amerikanisch/britische Drängen auf die Einhaltung der UN-Resolutionen ist immer sehr selektiv gewesen. Israel, der Hauptverbündete der USA im Mittleren Osten, hat jahrelang ihm nicht passende UN-Entscheidungen ignoriert. Anders als der Irak verfügen die USA, Britannien und Israel sowohl über beachtliche Mengen an "Massenvernichtungswaffen" als auch die Mittel sie zu verschicken, aber keiner von ihnen würde die Eingriffe in die Souveränität akzeptieren, welchen der Irak unterworfen ist. Die UN-Inspektoren (welche die Iraker zu Recht für kaum etwas anderes als imperialistische Spione halten) sollten den Vereinten Nationen berichten, doch "Wüstenfuchs" begann, bevor der UN-Sicherheitsrat auch nur eine Chance hatte, über den Bericht zu diskutieren, der die Angriffe angeblich auslöste.

In der Fernsehansprache zur Bekanntgabe der Angriffe tönte Clinton, die USA verfolgten eine Politik "intensiven diplomatischen Drucks gedeckt von einer überwältigenden (Streit-)Macht". Ein bemerkenswerter Anteil des diplomatischen Drucks wurde auch auf Amerikas europäische Verbündete und seine abhängigen Schützlinge im Mittleren Osten verwandt. Deutschlands sozialdemokratischer Kanzler Gerhard Schröder hat dem US-Angriff ebenso begierig beigepflichtet wie der kanadische Premierminister Jean Chrétien, aber Frankreich hat einen bezeichnenden Mangel an Begeisterung gezeigt und Rußland hat seinen Botschafter aus Washington abberufen, um seinen Unwillen zu signalisieren.

Ein Grund dafür, daß die USA mit ihrem Angriff nicht auf den Sicherheitsrat warteten, mag sein, daß drei seiner fünf ständigen Mitglieder in unterschiedlichem Ausmaß Interessen im Widerspruch zu denen der britisch-amerikanischen Achse haben. Die chinesischen Stalinisten - welche vor der unlösbaren Aufgabe stehen, einen wohlgeordneten Übergang vom Kollektiveigentum zum Kapitalismus anzuleiten - haben in letzter Zeit mit Washington zunehmende Auseinandersetzungen über Handelsfragen, asiatische Einflußsphären und Chinas Behandlung verschiedener pro-amerikanischer Dissidenten. Die Führer von Rußlands kapitalistischem Restaurationsregime ärgert es, mit ansehen zu müssen, wie die USA einen traditionellen Verbündeten demütigen. Überdies schuldet der Irak Rußland sieben Milliarden US-Dollar, die nicht zurückgezahlt werden können, solange Iraks Öl boykottiert wird. Frankreich schuldet der Irak ebenfalls ca. fünf Milliarden US-Dollar. Über diese Schulden hinaus haben sowohl französiche wie russische Erdölfirmen Berichten zufolge lukrative Ölförderungsabkommen ausgehandelt, die solange blockiert sind, bis die Sanktionen aufgehoben werden.

Die internationale Arbeiterklasse ist in diesem Konflikt parteilich - auf Seiten des Iraks und seiner Regierung gegen die britischen und US-amerikanischen Räuber und ihre Verbündeten. Das schließt in keinster Weise irgendeine politische Unterstützung für Saddam Hussein, den "Schlächter von Bagdad", ein, der seine brutale Diktatur aufrechterhalten hat durch die Ermordung jedes möglichen Opponenten, die Niederschlagung der Linken und Arbeiterbewegung und die barbarische Unterdrückung religiöser und ethnischer Minderheiten, insbesondere der KurdInnen. Wir setzen auf den revolutionären Sturz Saddams, der reaktionären Scheichs und Militärs, der rassistischen Zionisten und die Errichtung der Sozialistischen Föderation des Mittleren Osten.

Die USA bevorzugen es, eine Palastrevolution zu organisieren, um Hussein durch einen unterwürfigeren Diktator zu ersetzen. Als Begründung für die jüngste Kampagne imperialistischer Aggression erklärte die US-Außenministerin Madeleine K. Albright, daß "wir zu der Entscheidung gekommen sind, daß es den Irakern nutzen würde, eine Regierung zu haben, die sie wirklich repräsentiert" (New York Times 18.12.1998). Das bringt den Zynismus und die Arroganz der Imperialisten auf den Punkt: Sie sind so gierig darauf, die irakische Bevölkerung vor Saddam zu "retten", daß sie es kaum abwarten können, Tod auf Zehntausende niederhageln zu lassen.

Verteidigt den Irak!
Nieder mit imperialistischer Kanonenboot-Diplomatie!

In den imperialistischen Ländern müssen SozialistInnen und klassenbewußte ArbeiterInnen sich den Gewalttaten "ihrer" Führer durch Massenmobilisierungen, politische Streiks und jedes andere verfügbare Mittel widersetzen. Es ist auch wichtig, der halb-offiziellen Medienkampagne entgegenzutreten, die eine Anti-Irak-Stimmung anstacheln soll, insbesondere in den USA, und möglicherweise zu einer rassistischen Hysterie gegen arabische und muslimische Völker eskalieren kann.

Diese britisch-amerikanische Bombardierung kann wohl kaum als "Krieg" bezeichnet werden, es ist ein Akt massiven Staatsterrorismus gegen eine faktisch wehrlose, großenteils zivile Bevölkerung. Wir bedauern es zutiefst, daß der Irak diesem Angriff derart schlecht bewaffnet ausgeliefert ist, und daß die imperialistischen Kräfte bei ihrem höchst kriminellen Unterfangen wahrscheinlich ohne ernste militärische Schlappe davonkommen werden.

In der gegenwärtigen Konfrontation stehen MarxistInnen an der Seite von Millionen überall auf der Welt, die aufgebracht sind durch die mörderische Kampagne der USA, Britanniens und ihrer Verbündeten gegen den Irak. Es ist jedoch die Aufgabe von MarxistInnen dieser Wut die Richtung zu weisen und ArbeiterInnen und militante Jugendliche davon zu überzeugen, daß es notwendig ist, über eine Opposition gegen einzelne Gewalttaten hinaus zu gehen und mit einer ernsthaften und ununterbrochenen revolutionären Arbeit zu beginnen, um die irrationale, blutgetränkte imperialistische Ordnung zu zerstören und durch ein System zu ersetzen, welches bestimmt wird von menschlichen Bedürfnissen statt unternehmerischer Profite. Das erfordert den Kampf für den Aufbau weltweit im Proletariat verankerter trotzkistischer Parteien. Diesem Kampf ist die Internationale Bolschewistische Tendenz verpflichtet.

Internationale Bolschewistische Tendenz

19.12.1998