Reformismus, Antifaschistischer Kampf &
Revolutionäre Bündnispolitik

Bürgerliche Arbeiterparteien und reformistische Gewerkschaftsführungen tragen Mitverantwortung am Wachstum der Faschisten. Gerade bezüglich der PDS gibt es in der (antifaschistischen) Linken jedoch trotz zunehmender Kritik nach wie vor eine weitverbreitete Haltung, die PDS noch als fortschrittliche Kraft zu betrachten. Diese Sichtweise ist gänzlich unberechtigt. Insbesondere trägt die PDS eine klare politische Mitverantwortung für das Wachstum der Faschisten.

Die politische Verantwortung der PDS

1989/90 war die SED/PDS eine politische Kraft, welche die kapitalistische Konterrevolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung förderte und damit die Ausgangsbedingungen schuf, unter denen die Nazis seitdem ungebrochen gedeihen. Nach der kapitalistischen Wiedervereinigung hat sie dazu beigetragen, Arbeiterkämpfe, wie im Kalibergwerk Bischofferode, auszuverkaufen und sozialen Kahlschlag, wie in Sachsen-Anhalt, "toleriert". In Mecklenburg-Vorpommern trägt sie Regierungsverantwortung für Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und Abschiebeterror.

Eine Partei, die dem Kapitalismus dient, dient nicht dem Weltmarkt, sondern einer bestimmten nationalen Bourgeoisie in der globalen Konkurrenz. Konsequenterweise verbreitet die PDS-Führung zunehmend offener nationalistische Töne - vom Ostpatriotismus des "Rostocker Manifests" und des Wahlkampfs 1998 bis zu den offenen nationalistischen Bekenntnissen der (neuen) Führungsriege auf dem Cottbuser Parteitag und Gabi Zimmers "Ich liebe Deutschland" (taz, 28./29. Oktober 2000). Mit dem Patriotismus nimmt in der PDS der Rassismus zu. Dazu gehören die jüngsten Vorschläge der Parteiführung zur “Steuerung”, d.h. Kontrolle und Beschränkung, der Einwanderung.

Gleichzeitig baut die Schweriner PDS mit dem von ihr initiierten Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Versammlungsrechts (siehe S. 4) demokratische Rechte ab und macht es damit zukünftig Arbeitern, Immigranten, Linken schwerer, zu protestieren. Die PDS düngt damit nach ihren Kräften und Möglichkeiten den Nährboden für die Nazis. Von der SPD unterscheidet sie sich nicht durch einen "fortschrittlicheren Charakter" sondern nur durch den Mangel an Gelegenheit. Formale politische Unterschiede sind in der Hauptsache rein rhetorischer Natur und damit Teil der typischen reformistischen Betrugsmanöver, durch die Kräfte der Linken (ein)gebunden werden sollen.

Im antifaschistischen Kampf selbst erweist sich die Politik der PDS als Hindernis. Doch in dieser bunten Truppe gibt es auch Mitglieder mit ernsthaftem Interesse an antifaschistischer Politik. Meistens wird deren elementare politische Entrüstung über das Nazi-Pack von der Führung erfolgreich auf die übliche Volksfrontpolitik orientiert: Verbotsforderung, Kollaboration mit "kritischen" Polizisten und generell Appelle an den Staat. Wenn er diesen - erwartungsgemäß - nicht folgt, wird mit unangebrachter moralischer Empörung reagiert. Diese Politik hat eine demobilisierende Wirkung: Ihrem reformistischen, d.h. verräterischen Charakter, gemäß, dient der Parteiführung das antifaschistische Profil vor allem dekorativ zur Einbindung des linken Parteiflügels. Eine ernsthafte antifaschistische Mobilisierung der Basis findet nicht statt: Folglich nimmt an antifaschistischen Aktionen nur ein kleiner Bruchteil der organisatorischen PDS-Basis teil.

Wer die PDS unterstützt oder wählt, statt sie offen politisch zu bekämpfen, leistet seinen Beitrag zu dieser Politik. Wer den klaren politischen Bruch mit der PDS vermeidet, trägt seinen Teil dazu bei, daß diese Partei weiterhin nach links als integrierende Kraft wirken kann, die Jugendliche und Arbeiter an das kapitalistische System bindet und ihre politische Energie in das Fahrwasser einer Koalitionsperspektive mit der SPD lenkt. Es gibt zwischen der SPD und der PDS keinen qualitativen Unterschied. Zusammen mit der Gewerkschaftsbürokratie bilden beide das Haupthindernis für die Entwicklung von Klassenbewußtsein und Klassenkampf.

Arbeitereinheitsfronttaktik und Aktionseinheiten

Es reicht nicht, daß Kommunistinnen und Kommunisten mit jeder Art reformistischer Politik brechen, solange die Massenbasis der reformistischen Organisationen noch ihren Irre-Führern und -Führerinnen folgt. Denn ohne diese proletarische Massenbasis ist keinerlei grundlegende politische Veränderung möglich. Auch der antifaschistische Kampf kann ohne die militante Mobilisierung der Arbeiter- und Immigrantenmassen nicht aus der Sackgasse der Isolation herauskommen. Eine kleine militante Minderheit wird sich an den Bullenketten erfolglos den Kopf einrennen aber nicht in Schlagdistanz zu den Naziaufmärschen kommen.

Zumindest Teile der proletarischen Basis von PDS, Gewerkschaften und SPD haben ein aktives Interesse an der direkten Verhinderung von faschistischen Aufmärschen. Auch wenn sie in ihren Organisationen derzeit nur eine Minderheit der Mitgliedschaft sind, so haben sie jedoch einen besonderen politischen Stellenwert, insofern sie eine Verbindung zur möglichen Masse und Macht der Arbeiterklasse darstellen. Dies kann Perspektiven eröffnen, die sich qualitativ von den Möglichkeiten des Milieus der studentischen und kleinbürgerlichen Linken unterscheiden. Es kommt darauf an, diese Chance zu nutzen, auch wenn dies Beharrlichkeit verlangt.

Die revolutionäre Aufgabe, trotz der politischen und organisatorischen Spaltung der Arbeiterbewegung Wege des gemeinsamen Kampfes zu finden und die revolutionäre Vereinigung der Arbeiter zu fördern, ist nicht neu. Nach dem 1. Weltkrieg entwickelte die Kommunistische Internationale, als ein Mittel zur Lösung dieser Aufgabe, die Taktik der Arbeitereinheitsfront. Deren Leitgedanken sind "getrennt marschieren, vereint schlagen" und "Einheit der Aktion, Freiheit der Kritik" sind.

Ausgehend von konkreten Problemen aller Arbeiter traten dabei die Kommunisten mit einer Reihe konkreter Aktionsvorschläge (etwa zum ständigen Schutz der Arbeiterorganisationen vor den Faschisten oder gegen Verschlechterungen in den Betrieben) an die sozialdemokratische Basis und Führung heran. Damit wollen Kommunisten letztere unter dem Druck der Basis in den Kampf zwingen und im Verlauf der Kämpfe praktisch das Abwiegeln und den Verrat der reformistischen Spitzen aufdecken. In diesem Rahmen ist es unbedingt wichtig, daß die Kommunistinnen und Kommunisten ihre politische Unabhängigkeit wahren und die Kritik ihrer reformistischen Bündnispartner ohne falsche Rücksichten fortsetzen. Alles andere würde bedeuten, die von der Einheitsfront organisierten Massen dem reformistischen Einfluß zu überlassen und damit nicht nur die Revolution sondern auch den aktuellen Tageskampf zu verraten.

Kommunistische Bündnispolitik unterscheidet sich an diesem Punkt wesentlich von der angeblich trotzkistischer Organisationen wie Revolutionär-Sozialistischer Bund (RSB) und Sozialistische Alternative Voran (SAV). Sie kritisieren z.B. die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie, verschweigen aber in Worten und vermeiden in Taten den unversöhnlichen Kampf um die Führung der Gewerkschaften. Der RSB umgeht diesen Punkt schlichtweg in seinen Thesen "Gemeinsam gegen Faschismus und Rassismus kämpfen!" (Avanti Nr.65, September 2000). Die SAV will die antifaschistische Bewegung darauf orientieren, die reaktionären Gewerkschaftsführer unter Druck zu setzten. Die DGB-Führung wird aufgefordert, mit dem "Bündnis für Arbeit" zu brechen - aber kein Wort darüber, daß die Arbeiter mit der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführung brechen müssen. Im Kampf gegen das Schreckgespenst des Sektierertums frönen diese Organisationen dem Opportunismus durch eine versöhnlerische Bündnispolitik, statt das Streben nach der Einheit in der Aktion mit dem Kampf gegen jede nicht-revolutionäre Führung zu verbinden.

Wenn diese Aufgabe auch nicht neu ist, so hat sich doch etwas gravierend verändert: Vor allem wegen der stalinistischen Politik wurde besonders in Deutschland weitestgehend eine politische Einheit der Arbeiterbewegung wiederhergestellt - und zwar auf sozialdemokratischer, d.h. reformistischer Grundlage. Die Verfechter des revolutionären Programms der Befreiung der Arbeiterklasse sind aktuell an den Rand der Arbeiterbewegung gedrängt und nicht in der Lage, die Arbeitereinheitsfronttaktik im großen Stil landesweit anzuwenden. Das Reformismus-Problem hat sich vergrößert, die Mittel der Kommunisten verkleinert.

Dennoch lassen sich die erwähnten taktischen Grundsätze auf die gemeinsame Durchführung einzelner konkreter Aktionen anwenden. In diesem begrenzteren Rahmen kann auch eine revolutionäre Gruppe eine spürbare unabhängige Rolle spielen. Kommunisten werden nach Möglichkeit darauf drängen, den Rahmen solcher Aktionseinheiten - über die meist kleinbürgerlichen Linken hinaus - auf Arbeiter- und Immigrantenorganisationen, auf Gewerkschaften und Betriebsräte auszudehnen.

Antifaschistische Aktionseinheiten

Antifaschistische Aktionen sind ein wichtiges Gebiet, auf dem diese Taktik angewandt werden kann. Anknüpfungspunkte sind dabei der formale antifaschistische Anspruch und der Widerspruch zwischen Teilen der Arbeiterbasis und der bürgerlichen Führung. Diese Taktik läßt sich auch auf reformistisch dominierte Gewerkschaften und - aktuell zumindest auf lokaler Ebene, wie am 9.12.2000 in Köln - auch auf die SPD anwenden. Gerade in Situationen, in denen die reformistischen Führungen meist unter dem Druck der Basis etwa gegen Naziaufmärsche mobilisieren, ist es nötig, nicht nur der Basis sondern auch ihren gegenwärtigen politischen Führungen, Bündnisse zur konkreten Verhinderung anzubieten. So kann es möglich werden, einerseits die Nazis erfolgreich zu bekämpfen, andererseits die reformistischen Bürokraten als Bremser zu entlarven, die immer wieder versuchen werden, alles in gemäßigte, friedliche und damit wirkungslose Bahnen zu lenken.

Damit diese Bündnisse nicht zur linken Flankendeckung der Bürokraten verkommen, ist es deshalb wichtig, ganz konkrete Schritte vorzuschlagen und einzufordern, wie man gemeinsam die Nazis konfrontieren kann. Es ist besser, ein Bündnis an der offen ausgetragenen Gewaltfrage scheitern zu lassen, als es aufrecht zu erhalten, obwohl es keine praktische Einheit in der Frage gibt, wie man die Faschisten trotz Polizeischutz schlagen soll. Ohne eine offene politische Auseinandersetzung wird sich die scheinbare Einheit als nutzlos erweisen, weil sie das Bewußtsein über die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung des Nazi-Aufmarsches nicht verbreitet sondern verschwiegen hat.

Ein gutes Beispiel dafür ist die antifaschistische Massendemonstration am 9.12 in Köln: Tausende waren auf den Straßen, um einen Aufmarsch der faschistischen "Freien Kameradschaften" um Christian Worch zu verhindern. Nach dem offiziellen Ende der Demonstration zogen sie, das ÖTV-Kontingent vorneweg, Richtung Nazi-Route, blieben aber erwartungsgemäß an den Polizeiabsperrungen passiv stehen. Mit ihnen hätte man trotz Polizeischutz den Faschisten eine spürbare Lektion erteilen können, ohne sie nicht. Zwischen diesen Alternativen stand nur das reformistische Bewußtsein als Hindernis. Dieses war aber von den militanteren Kräften des Demo-Bündnisses nicht angegriffen worden, vielmehr hatte man sich im Vorfeld auf eine wechselseitige Toleranz vielfältiger Aktionsformen geeinigt. Die praktische Umsetzung dieser Absprache sah dann so aus, daß die überwiegende Mehrheit der Demonstrierenden einer haushoch unterlegenen "gewaltbereiten" Minderheit "Keine Gewalt!" zurief.

Will man die Tausende von organisierten und unorganisierten Arbeitern und Arbeiterinnen, die die Nazis ehrlich hassen, für wirkungsvolle antifaschistische Aktionen mobilisieren, dann muß gegen den reformistischen Einfluß, d.h. gegen die bürgerliche Politik in der Arbeiterbewegung, der offene Kampf um die Köpfe aufgenommen werden. Dieser muß ständig und überall geführt werden, besonders aber in den Gewerkschaften selbst. Nur so kann man die in Anlehnung an den italienischen Kommunisten Gramsci viel beschworene "kulturelle Hegemonie" erringen.

Es ist daher unverantwortlich, die entscheidenden praktischen Fragen aus Rücksicht auf die reformistischen Bürokraten politisch feige zu umgehen. Man befreit letztere dadurch vom Druck der Basis, der zumindest von Teilen ausgeht, statt sich mit ihr zu verbünden. Gleichzeitig zeigen damit kleinbürgerliche radikale Linke, daß sie nicht wirklich den gemeinsamen Kampf suchen und Arbeiter ernsthaft für ihre Politik gewinnen wollen, sondern daß sie die Organisationen der Arbeiterbewegung nur für ihre Öffentlichkeitsarbeit oder als Deckung für ihre militanten Aktionen instrumentalisieren wollen. Das ist nicht unser Weg:

"Der Wirklichkeit offen ins Auge sehen; nicht den Weg des geringsten Widerstandes suchen, die Dinge beim Namen nennen, den Massen die Wahrheit sagen, wie bitter sie auch sein mag; keine Hindernisse fürchten, ehrlich sein im Kleinen wie im Großen; das Programm auf die Logik des Klassenkampfes stützen; Mut besitzen, wenn die Stunde des Handelns kommt - dies sind die Regeln der Vierten Internationale."
( Leo Trotzki: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale)

Bolschewik #15, Januar 2001