SL distanziert sich von der ‚Kapitulation vor dem Imperialismus‘

Sklerotische Spartacisten entwirren sich

„In einer Stellungnahme im Anschluss an den Bericht Chruschtschows [über die Verbrechen Stalins] fragte Togliatti: ‚Was machte derart gravierende Fehler möglich? Und woran lag es, dass um sie herum eine Atmosphäre der Zustimmung und Akzeptanz geschaffen werden konnte…?‘“
—Hershel Meyer, The Krushchev Report and the Crisis in the American Left [Der Chruschtschow-Bericht und die Krise der amerikanischen Linken (Eig. Übers.)]

Am 27. April verurteilte die Internationale Kommunistische Liga (IKL, unter Führung der Spartacist League/U.S. [SL]) öffentlich ihre vorangegangene Unterstützung der US-Militärintervention in Haiti als einen sozial-imperialistischen Verrat, der vergleichbar sei mit dem „4. August 1914, als die deutschen Sozialdemokraten zu Beginn des Ersten Weltkriegs Kriegskrediten für die deutschen imperialistischen Herrscher zustimmten“ („Eine Kapitulation vor dem US-Imperialismus“). Die IKL-Stellungnahme (gedruckt als Spartakist-Extrablatt ], 1. Mai 2010) erklärte: „Nicht nur rechtfertigten wir in diesen Artikeln die US-imperialistischen Truppen als notwendig für Hilfsmaßnahmen [ WV Nr. 951, 952, 953 and 955]; darüber hinaus polemisierten wir auch gegen die prinzipienfeste und korrekte Position, den sofortigen Abzug der Truppen zu fordern.“ Die Polemiken, die die IKL verwarf, waren gegen zwei Organisationen gerichtet, die von ehemaligen Spartacist-Kadern ins Leben gerufen wurden: die Internationalist Group (IG, deren Gründungsmitglieder die SL 1996 verließen) und die Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT).[1] +++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[1] Das Mea Culpa (Schuldbekenntnis) der IKL erwähnt die IG, aber nicht die IBT, obwohl eine der Polemiken, auf die angespielt wird („BT zu Haiti: Atemberaubender Zynismus“ WV, 26. Februar) eine Reaktion auf unsere Erklärung vom 9. Februar ist, die ihre Position als sozialimperialistisch verurteilte. Einige Unterstützer der Spartacist League haben uns erklärt, dies sei so, weil wir darauf aus seien, die IKL zu „zerstören“. 2003 suggerierte die SL, wir seien „Gegner des revolutionären Marxismus“, deren Methode es sei, eine „Organisation umzubringen, indem ihr der Kopf abgehackt wird“ (WV, 1. August 2003), als wir den IKL-Oberbonzen James Robertson durch die Erwähnung einer grob chauvinistischen Anspielung auf Kurden als „Scheißhaufen“ [Kurds as „turds“ (im Orig.)] in einer Rede, die 1979 in einem internen Spartacist Diskussionsbulletin abgedruckt wurde, in Verlegenheit brachten. Die ganze Affäre brachte die IKL in Aufruhr. WV veröffentlichte daraufhin eine ausnehmend lächerliche Erklärung, warum Robertsons chauvinistischer „Scherz“ etwas anderes gemeint habe als das, was es bedeutete, wie jeder (einschließlich des derzeitigen Führers der IG wusste. Der gesamte Meinungsaustausch ist in unserer Broschüre dokumentiert: Polemics with the ICL: Kurdistan & the Struggle for National Liberation [dt.: Polemik mit der IKL: Kurdistan und der Kampf für nationale Befreiung]

Wie wir in Whatever Happened to the Spartacist League? [dt.:Was geschah mit der Spartacist League?] bemerkten, hat sich die IG zurückgehalten, die Kontroverse zu kommentieren: „Norden, der nicht bereit war, seinen Namen unter WVs lächerliches Alibi zu setzen, sieht keinen Gewinn darin, die SL-Mitgliedschaft unnötig gegen sich aufzubringen, indem er die Wahrheit sagt.“

Die IG beklagt sich in ihrem „Offenen Brief“ vom 8. Mai, dass die IKL versucht, sie mit der IBT gleichzusetzen: „Ihr versucht dadurch, uns mit der unzutreffend benannten Internationalen Bolschewistischen Tendenz gleichzusetzen, deren Gründer austraten und in der Tat auf dem Höhepunkt des Zweiten Kalten Krieges aus der IKL flohen ….“ In der Tat wurden unsere Gründungskader in einer Reihe apolitischer Säuberungen rausgejagt, die ein Vorspiel für eine ähnliche Behandlung waren, die anderthalb Jahrzehnte später der IG zuteil wurde. Die IG bestätigte dies ungewollt, indem sie Darstellungen ihrer Säuberungen veröffentlichte, die praktisch identisch waren mit unserer Beschreibung dessen, was unseren Genossen widerfuhr. Beide Darstellungen wurden in unserem langen Schreiben vom 15. Dezember 1996 an die IG verglichen (abgedruckt in Trotskyist Bulletin Nr. 6, S. 20-21) und auch in „IG: Ex-Robertsonites in Denial-Willful Blindness [IG: Ex-Robertsoniten verschließen die Augen - vorsätzliche Blindheit (Eig. Übers.)]“ 1917 Nr. 20, 1998).

Die spektakuläre Abkehr der SL von ihrer pro-imperialistischen Linie hat in der internationalen Linken für erhebliche Aufregung gesorgt. Verschiedene Leute, die vom Ausmaß der Selbstkritik und ihrem „schonungslosen“ Ton beeindruckt sind, haben gefragt, was unserer Meinung nach vor sich geht. Die Erklärung gibt unverblümt zu, dass die IKL damit beschäftigt war, „Illusionen zu fördern, die US-imperialistische „Demokratie“ sei die Rettung des haitianischen Volkes. Fast redeten wir Barack Obama nach dem Mund, als er imperialistische Kampftruppen … entsandte.“ Bei einer IKL-Veranstaltung zu Haiti in Toronto am 20. März, auf der die Spartacisten ankündigten, dass sie fortan den Abzug der Besatzungstruppen forderten (ohne ihre bisherige Position aufzugeben oder wenigstens offen zuzugeben) bemerkte ein Genosse der IBT:

„Heute Abend wird uns erzählt, dass die IKL jetzt den Truppenabzug fordert, weil es eine veränderte ‚Sachlage‘ gibt! Das einzige, was sich geändert hat ist, dass die anfängliche militärische „Welle“ die Situation für die Imperialisten stabilisierte. Jetzt, da Obama die Lage als „sicher“ genug beurteilt, um einige Truppen abzuziehen (damit diese in den Irak, nach Afghanistan oder sonst wohin geschickt werden), stimmt die IKL in die ‚Forderung‘ nach ihrem Abzug ein und verkündet ihre (völlig bedeutungslose) ‚Opposition‘ gegen die imperialistische Besatzung.“

In ihrer Stellungnahme distanziert sich die IKL nicht nur von ihrer pro-imperialistischen Kapitulation, sondern auch von WVs früheren Versuchen, der Verantwortung auszuweichen:

„James P. Cannon, Gründer des Trotzkismus in den USA, verurteilte solcherlei Unaufrichtigkeit. Als die trotzkistische SWP 1954 bei ihrer Konferenz Fehler eingestehen musste, bemerkte Cannon: ‚Wisst ihr, die Stalinisten vollziehen mehr Schwenks, und zwar schnellere und einschneidendere, als jede andere Partei in der Geschichte. Aber sie sagen nie: „Wir haben einen Fehler gemacht.‘ Sie sagen immer: ‚Die Lage hat sich geändert.“ Wir sollten genauer und ehrlicher sein.‘“

Die SL hat sicherlich anerkannt, dass sie einen großen Fehler gemacht hat. Aber es fehlt ein ernsthafter Versuch der Erklärung, wie überhaupt eine solche eklatant pro-imperialistische Position eingenommen werden konnte, und warum sie nicht sofort auf vehementen internen Widerstand stieß. Es gibt auch keine wirkliche Beschreibung, wie die IKL plötzlich, nach drei Monaten der Verteidigung einer sozialimperialistischen Linie, zur folgenden Einsicht gelangte: “Von Anfang an war die einzige revolutionäre internationalistische Position, den Abzug aller US/UN-Truppen aus Haiti zu fordern!“

Als wir die Position der SL zum ersten Male sahen, trauten wir kaum unseren Augen.[2]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[2] Die Position der SL wurde ursprünglich in einer Polemik gegen die IG in einem Artikel der Ausgabe der WV vom 29. Januar vorgebracht. Ein paar Tage zuvor, am 25. Januar, beteiligten sich Genossen der IBT an einer Demonstration in der San Francisco Bay Area zu Haiti mit Plakaten, die aufriefen: „Bewaffnete Schläger von Imperialisten und UN - Raus aus Haiti!“ Am 28. Januar gaben wir in Toronto eine Erklärung ab, die feststellte: „In Haiti wird sich nichts Wesentliches ändern, bevor nicht die Imperialisten vertrieben worden sind und das Eigentum der einheimischen herrschenden Klasse durch eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung enteignet wurde.“ Im Gegensatz zu Unterstellungen, die von verschiedenen SLern geäußert wurden, als sie der Okkupation noch Rückendeckung gaben, riefen wir nicht für den Truppenabzug auf, um uns die IKL „vorzuknöpfen“ oder um gegenüber der IG unsere „amourösen Annäherungsversuche … voranzutreiben“. — Widerstand gegen imperialistische Truppen in Neokolonien ist eine „Standardeinstellung“ für Revolutionäre. Es war schwer zu verstehen, wie die SL solch einen grob revisionistischen Fehler begehen konnte, wo doch viele Gruppen rechts von ihr zum Abzug der US-Truppen aufriefen. Es gab kaum populäre Illusionen, vor denen man kapitulieren konnte, noch gab es einen besonderen Grund, Konsequenzen für das Aussprechen der Wahrheit über die „humanitäre“ Intervention des US-Imperialismus zu fürchten. Einige bürgerliche Medien und mit dem Imperialismus verbundene „Nichtregierungsorganisationen“ diskutierten offen die hässliche Wirklichkeit der Besatzung.

Linke Organisationen können durch noch nie dagewesene historische Entwicklungen desorientiert sein, aber nichts an der Situation in Haiti warf neue oder schwierige politische Fragen auf. Die Selbstkritik der IKL betonte, dass ihre australische Sektion gegen die imperialistische „humanitäre“ Militärintervention 2005 infolge des Tsunamis in Indonesien war. In unserer Erklärung vom 9. Februar zitierten wir eine Reihe anderer Präzedenzfälle von der britischen Intervention in Belfast im Jahre 1969 hin zur Rolle der US/UN-Truppen in Beirut im Jahr 1982, wo die SL korrekterweise diejenigen anprangerten, die behaupteten, die Imperialisten würden vielleicht irgendwie im Interesse der Unterdrückten handeln.

Die Tatsache, das es keine Möglichkeit einer Fehlinterpretation der objektiven Situation gab und dass die politische Frage eine war, die schon viele Male in der Vergangenheit aufgeworfen worden war, macht es ein wenig umständlich für die Spitzenleute der SL, eine Erklärung zu finden, wieso sie diese so falsch verstanden haben. Eine wirklich revolutionäre Organisation hätte diesen Fehler einfach nicht begehen können. Wie es die IG in ihrem „Offenen Brief“ vom 8. Mai an die SL feststellte: „Ihr gesteht das Verbrechen, aber seid nicht zu einer ernsthaften Erklärung der Gründe imstande. Und das garantiert eigentlich, dass es wieder geschehen wird.“

Wir geben nicht vor, die Details zu kennen, wie die IKL zu ihrer Position gelangte. Vielleicht hatte Robertson keinen guten Tag, vielleicht überspannte er den Bogen ein wenig mehr als gewöhnlich oder vielleicht verstand einer seiner Hofschranzen einige hingeworfene Bemerkungen, falsch, die er von sich gab. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die ursprüngliche Abweichung (genauso wie die letztliche Korrektur) nicht auf die eine oder andere Weise von Robertson stammt. Der Versuch der IKL, es so hinzudrehen, dass ein Teil des Problems darin bestand, dass „sich das Politische Büro der SL/U.S. und das Internationale Sekretariat (das ortsansässige Administrativgremium des IEK) der Verantwortung dadurch [entzogen], dass sie keine organisierte Diskussion und Abstimmung durchführten, sondern stattdessen unsere Linie über informelle Beratung festlegten“, erklärt nichts, da die gleiche Position gebilligt wurde, als ein formelles Treffen Mitte März abgehalten wurde und WV einräumt, dass es keine interne Opposition gab, als die Linie ausgegeben wurde.[3]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[3] Die formalen Führungsgremien der IKL haben seit langem kaum mehr als einen Stempel für den Gründer/Führer und sein Umfeld abgegeben. Wir haben 1985 in „The Road to Jimstown“, unserer Darstellung der qualitativen Degeneration der Spartacist Tendenz vom Trotzkismus zum politischen Banditentum, festgestellt:

„…der demokratische Aspekt des ‚demokratischen Zentralismus‘ in der SL verkümmerte in den 70er Jahren erheblich. Auf dem Höhepunkt der Umwandlung, in den zwei Jahren vor dem Austritt der Cunningham-Gruppierung 1972, traf sich das Politbüro (PB — Gremium, das die alltägliche politische Führung der Gruppe bilden soll) 39 Mal oder einmal in zweieinhalb Wochen. Zehn Jahre später traf es sich über einen gleichen Zeitraum im Durchschnitt nur einmal in zwei Monaten. Abgesehen vom Inhalt der Sitzungen, die an sich die Entpolitisierung des internen Lebens der SL widerspiegeln, bedeutet dies, dass die Funktion der gewählten Führung der SL einfach darin besteht, die Entscheidungen der wirklichen Führung — Robertson und wen auch immer er um ‚Rat‘ fragt — abzusegnen.“

Die hyperzentralisierte Natur der „politischen Autorität“ in der Spartacist Tendenz bedeutet seit Jahrzehnten, dass alle wichtigen Fragen zur Linie in Absprache mit Robertson oder von ihm Auserkorenen festgelegt werden. Gelegentlich hat Robertson seine Meinung zu einer Frage geändert, und ausnahmslos wurde die Linie der Organisation entsprechend verändert.[4]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[4] Ein Beispiel dafür ergeignete sich 1993, als die SL abrupt und unerklärlich die Umkehrung einer ursprünglich korrekten Einschätzung des Zerwürfnisses zwischen Boris Jelzin und Alexander Rutskoj als „Streit zwischen korrupten und zynischen Lagern“ von Konterrevolutionären verkündete (see 1917 No. 13, 1994).

Ein Jahr vorher, im August 1992, hatte Robertson entschieden, dass es nicht länger möglich sei, die Position aufrecht zu erhalten, dass Russland unter Jelzin ein Arbeiterstaat bleibe, aus Prestigegründen weigerte er sich jedoch zuzugeben, dass wir damit richtig lagen, dass der Sieg der Jelzinleute im August 1991 den Triumph der Konterrevolution markierte. Seit diesem Zeitpunkt behaupteten die IKL (und die IG) unbeholfen, dass der sowjetische degenerierte Arbeiterstaat unter Boris Jelzin einem allmählichen Prozess unterworfen war, der ihn „1991-1992“ in einen bürgerlichen Staat verwandelte. Für eine ausführlichere Diskussion siehe Whatever Happened to the Spartacist League?, S. 10-12.
IKL-Mitglieder mögen private Bedenken wegen der Haiti-Position gehabt haben (tatsächlich war nicht zu übersehen, dass einige, mit denen wir sprachen, sich nicht wohl fühlten, sie verteidigen zu müssen)[5]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[5] Siehe unsere Stellungnahme vom 9. Februar sowie den Bericht von der öffentlichen Veranstaltung der IKL zu Haiti in Toronto am 20. März., aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass irgendeine offene Opposition gegen die Position zum Ausdruck gebracht wurde, bevor ein Zeichen von oben gegeben worden war, vielleicht von dem „einen führenden Parteigenossen“, auf den die Erklärung der IKL indirekt Bezug nimmt.[6]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[6] Der offene Brief der IG vom 8. Mai an die IKL fragt: „Was wäre, wenn kein führender Parteigenosse gesagt hätte: ‚Stopp‘. Wo wäret ihr dann?…. Warum ging dies so glatt vonstatten und blieb fast drei Monate lang eure Linie?“ Das sind gute Fragen. Die IG, die dazu tendiert hat, die Diskussion über die Beziehung zwischen dem zutiefst deformierten internen Regime der SL und ihren formalen programmatischen Abweichungen zu vermeiden, mag vielleicht darüber nachdenken, wie es angehen kann, dass so viel von der Meinung eines einzelnen „führenden Parteigenossen“ abhängt.



Die IKL wendet sich von der Permanenten Revolution ab

Die Position der SL ist vielleicht zum Teil aus dem Versuch erwachsen, die völlig vernünftige Betrachtung der IG zu attackieren, dass das soziale Chaos infolge des haitianischen Erdbebens eine Situation schaffen könnte, in der des Landes „kleines, aber kämpferisches Proletariat versuchen könnte, sich an die Spitze der verarmten städtischen und ländlichen Massen zu setzen, um ihre eigene Macht zu organisieren.“ (“Haiti: Workers Solidarity, Yes! Imperialist Occupation, No! [Haiti: Arbeitersolidarität: Ja, Imperialisische Besatzung: Nein! (Eig. Übers.)],“ 20. Januar). In ihrer ursprünglichen Polemik machte WV geltend, dass „schon vor dem Erdbeben in Haiti so gut wie keine Arbeiterklasse existierte“ und behauptete, dass die IG suggeriere, „das Erdbeben biete eine Öffnung für eine Revolution in Haiti“. Die SL attackierte auch die Aussage der IG, dass „es nicht in der Absicht dieser riesigen militärischen Okkupation liege, Hilfe zu leisten, sondern Unruhen unter den Armen und der arbeitenden Bevölkerung von Haiti niederzuwerfen“ (Hervorhebung im Original). Diese von vielen Linken geteilte Auffassung wurde durch einen Großteil der Berichterstattung in den bürgerlichen Medien gestützt, von denen wir einige in unserer Erklärung vom 9. Februar zitierten.

Die SL behauptet nach wie vor, es bestehe keine Möglichkeit, dass Haitis relativ kompakte Arbeiterklasse (dazu gehören etwa 24.000 Arbeiter in Textilfabriken) als natürlicher Führer von Millionen der Ärmsten der Armen und unterdrückten Bürger des Landes in Erscheinung tritt. Dies gipfelt, wie die IG festgestellt hat, in einer impliziten Ablehnung der zentralen Achse von Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution. Die IG wies darauf hin, dass die massive Korruption und Inkompetenz, die 1972 die Reaktion der Somoza-Diktatur auf das verheerende Erdbeben in Nicaragua charakterisierte, die Grundlage für ein Wiederaufleben der Linken schuf, dass sieben Jahre später zu dem von den Sandinisten geführten Aufstand führte:

„Die Geschichte zeigt, dass Naturkatastrophen, die die Unfähigkeit des bürgerlichen Regimes offenlegen, selbst minimale Voraussetzungen für das Überleben der Bevölkerung bereitzustellen, und deren Tribut an Tod und Zerstörung enorm durch die Bedingungen intensiviert wird, die vom Kapitalismus geschaffen wurden, revolutionäre Organisierung beflügeln können.“
—„Die SL dreht und windet sich zu Haiti“, 9. April

Die IG verknüpfte in ihrer Erklärung vom 30. Januar die ablehnende Haltung der SL gegenüber der haitianischen Arbeiterklasse mit verschiedenen anderen Fällen:

„Haiti wird jetzt auf einer wachsenden Liste von Orten geführt, wo es, der SL zufolge, keine Arbeiterklasse gibt. Es begann 2005 mit Bolivien, dann kam 2006 Oaxaca, jetzt 2010 folgte Haiti. Wer ist der nächste? [… In] allen Fällen verkündet die SL, im Land X gäbe es kein Proletariat, gerade wenn es dort explosive Arbeiterkämpfe gibt.“

Nepal ist ein weiteres Land, das dieser Liste hinzugefügt werden kann. Die Ausgabe der WV vom 7. Dezember 2007 behauptete: „[I]m bitterarmen Nepal … ist das Proletariat relativ unbedeutend.“ (Eig. Übers.) Relativ wozu? Laut US-Außenministerium sind eine Million von 30 Millionen Nepalesen Mitglied einer Gewerkschaft — ein Verhältnis, das etwa doppelt so hoch ist wie das in den USA. Im April 2006 erfasste ein Generalstreik der nepalesischen Arbeiterbewegung die überwiegende Mehrheit der städtischen Bevölkerung des Landes. Diese machtvolle Massenmobilisierung führte zum Sturz der Erbmonarchie, wodurch ein politisches Vakuum geschaffen wurde, um dessen Ausfüllung die ehemaligen maoistischen Rebellen und die etablierten bürgerlichen Parteien noch miteinander rangeln.[7]+++ Für Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[7] Siehe „Maoist ‚New Democracy‘ or Permanent Revolution?—’People’s War’ in the Himalayas [Maoistische ‚Neue Demokratie‘ oder Permanente Revolution?—‚Volkskrieg‘ im Himalaya] (Eig. Übers.)“, 1917 No. 32, 2010. Die ablehnende Haltung der SL-Führung gegenüber den Kämpfen der Arbeiterbewegungen von Nepal, Haiti, Bolivien und anderen Neokolonien ist ein Indiz ihrer tiefen politischen Demoralisierung und der Distanz, die sie von ihrer trotzkistischen Vergangenheit trennt.

Die IG hat ganz Recht, dass die Position der SL zu Haiti „nicht aus heiterem Himmel kam.“ Ein ähnlicher Impuls war klar ersichtlich beim ursprünglichen Versäumnis des SL-Politbüros, zwischen dem Pentagon und dem World Trade Center als Zielen der 9/11-Angriffe zu unterscheiden. Erst nachdem wir die SL hinsichtlich dieses Zurückweichens herausgefordert hatten, brachte sie eine Erklärung heraus, dass das Pentagon, im Gegensatz zum World Trade Center, in der Tat ein „echtes militärisches Ziel war, das die brutalen Angriffe des US-Imperialismus auf die Arbeiterklasse und die Unterdrückten der Welt repräsentierte.“[8]+++ Für Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[8] In „Der Kampf für revolutionäre Kontinuität in der nachsowjetischen Welt“ (Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr.24, Sommer 2004) gestand die IKL, nach 9/11 gab es: „opportunistisches Zurückweichen sowie […] bombastische Wortblasen in unserer Propaganda. Hervorstechendstes Beispiel für diesen Opportunismus war unsere einen Monat lang währende Unfähigkeit, öffentlich zu erklären, dass Marxisten einen Unterschied machen zwischen Anschlägen auf Einrichtungen wie das Pentagon — welches unmittelbar die militärische Macht des US-Imperialismus verkörpert — und willkürlichem Terror gegen unschuldige Zivilisten — wie im Falle des World Trade Centers.“ Unsere Erklärung vom 18. September 2001: „World Trade Center Bombenterror-US-Imperialistische Herrschaft: Ein endloser Horror“ zog eine klare Trennlinie zwischen dem Pentagon und dem World Trade Center. Die Korrektur der SL in der Frage kam in Form einer Polemik gegen uns. siehe „Die Bolschewistische Tendenz und die Pathologie von Renegaten - Zur Attacke auf das Pentagon“ (Eig. Übers.), WV 12. Oktober 2001. Die Ablehnung des Defätismus durch die SL gegenüber US-amerikanischen Streitkräften in Afghanistan 2001, worauf die IG verwies, kann auch als ein Präzedenzfall für die anschließende Kapitulation zu Haiti gesehen werden. Nach dem frühen Erfolg der Imperialisten, die Taliban auseinander zu jagen, reflektierte die SL-Führung impressionistisch den Siegestaumel der amerikanischen Bourgeoisie indem sie erklärte, dass „die Forderung nach einer militärischen Niederlage der USA zu diesem Zeitpunkt illusorisch und reinste heiße Luft und &bsquo;revolutionäre‘ Phrasendrescherei“ sei. (WV, 9 November 2001). Neun Jahre später, da sich der Konflikt verhärtet und defätistische Stimmungen auch innerhalb der oberen Ränge des amerikanischen Militärs zum Ausdruck gebracht werden, steht die Pose der IKL von 2001 vollkommen enttarnt als das, was es war: historischer Pessimismus maskiert als Realismus.

In einer öffentlichen Diskussion in der gleichen Woche, in der WV den US-Imperialismus für unschlagbar erklärte, stellten wir eine andere Sichtweise vor:

„Die Taliban-Strategie schließt augenscheinlich ein, den Konflikt in die Länge zu ziehen und genügend amerikanische Soldaten aufzureiben, um die USA zum Rückzug zu zwingen. Dies ist die Lehre, die sie aus Reagans überhastetem Rückzug aus dem Libanon nach der Zerstörung der Kaserne der Marines und Clintons Rückzug aus Somalia ein Jahrzehnt später gezogen haben, als 18 US-Soldaten in einem Feuergefecht durch die Kampftruppen eines lokalen Kriegsherrn getötet wurden.“
— „Imperialism’s Bloody Trail [Blutspur des Imperialismus]1917 Nr.24, 2002


Beim letzten Beschuss: US-Marines retten

Der Hauptmangel in der IG-Chronologie der SL-Degeneration liegt in der Weigerung, den Zusammenhang zwischen der Haiti-Abweichung und ähnlichen Fehler anzuerkennen, die vor ihrem Ausschluss 1996 stattgefunden haben. Als eine Lastwagenbombe des islamischen Jihad die Kaserne der US-Marines im Libanon 1983 dem Erdboden gleichmachte, rief Workers Vanguard, damals herausgegeben vom IG-Führer Jan Norden, auf „Marines raus aus Libanon, sofort und lebend!“ (Übers. Spartakist Nr. 182), d.h. zur Rettung der Überlebenden.[9]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[9] Norden hat Berichten zu folge zugegeben, dass im Nachhinein die „Marines Alive [Marines lebend (Eig. Übers.)]„-Position zumindest ein taktischer Fehler war. Aber die IG zieht es vor, dem Problem aus dem Weg zu gehen, da jede ernsthafte Diskussion bald ihre Behauptung in Frage stellen würde, die SL habe eine konsequent revolutionäre Geschichte bis zum Zeitpunkt des Weggangs der IG 1996 (siehe auch „IG & Revolutionary Defeatism–‘A Blank Page!’“ [IG & revolutionärer Defätismus-‚Keine leeren Seiten‘], 1917 Nr. 28, 2006). In ihrem „Offenen Brief“ an die IKL rät die IG: „Diejenigen, die wirklich den Ursprung der pro-imperialistischen ‚Politik des Möglichen‘ der SL zu Haiti suchen, täten gut daran, die wirkliche Bilanz ihrer Anpassungen und Kapitulationen gegenüber ‚ihrer eigenen‘ Bourgeoisie in den vergangenen Jahren zu prüfen.“ Guter Rat, wir würden nur vorschlagen, dass der Zeitrahmen in Jahrzehnten gemessen werden sollte, anstatt in Jahren.

Der Aufruf der SL, die Marines zu retten, widersprach rundweg ihrer gesamten bisherigen Geschichte genauso wie dem Image einer furchtlosen revolutionären Organisation, dem sie zu entsprechen suchte. Nur ein Jahr zuvor, während des Konflikts um die Falklandinseln/Malwinen, erschien ein Artikel in WV mit dem Titel „‚Save Our Boys‘ Socialists [‚Rettet-unsere-Jungs-Sozialisten‘]“, der Sean Matgamnas Socialist Organiser für die Veröffentlichung eines freundlichen Interviews mit Reg Race, einem „Linken“ der Labour Party, angriff:

„Noch nie war Lenins Charakterisierung von Sozialdemokraten als ‚Sozialimperialisten‘ treffender. Race fordert den Abzug der Flotte und Schonung des kostbaren Blutes der Elitetruppen Britanniens, denn er hat ein anderes Programm, um Argentinien in die Knie zu zwingen….“
WV, 28. Mai 1982

Die Verlautbarung der SL-Führung ein Jahr darauf, der US-Marines „kostbares Blut zu schonen“, sei plötzlich zu einer wichtigen leninistischen Taktik geworden, löste eine Reihe scharfer Polemiken zwischen uns aus, die im Trotskyist Bulletin Nr. 2 „Marxism vs. Social-Patriotism [Marxismus versus Sozialpatriotismus (Eig. Übers.)]“ abgedruckt sind.

Wir wiesen auf den Zusammenhang zwischen dem sozialpatriotischen Zurückweichen der SL im Libanon1983 und ihrer jüngsten sozialimperialistischen Position zu Haiti in unserer Kritik vom 9. Februar hin und stellten fest, dass die „vorsätzlich blinde Loyalität“ der IG „für alles, was die SL vor ihrem eigenen Abgang 1996 tat“ sie daran hinderte, das Offensichtliche zu erkennen. Die SL war nicht so schüchtern und wärmte in ihrer Antwort an uns[10]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[10] Die Antwort der SL auf uns („BT zu Haiti: Atemberaubender Zynismus“ WV, 26. Februar) zeigte sich darüber besorgt, dass die Übereinstimmung der Kritik von IG und IBT an der „unverhohlenen Rechtfertigung des Imperialismus“ Bewegung in Richtung auf eine umfassendere politische Konvergenz auslösen könnte, durch die potenziell ein formidabler Konkurrent entstehen könnte. Die politische Wahlverwandschaft zwischen der IG und IBT ist offensichtlich, aber dies gilt gleichermaßen für die Bedeutung der Hauptfrage, die zwischen uns steht, die politische Geschichte der SL vor dem Abgang der IG.

In ihrer Polemik stellt die SL fest, dass beide, IG und IBT, mehrere wichtige Initiativen des militanten Hafenarbeiters Jack Heyman unterstützten und verbindet dies mit dem mangelnden Enthusiasmus der IG, den Schauprozess und Ausschluss von Bill Logan (jetzt bei der IBT) aus der Spartacist Tendenz zu verteidigen: „Als ein Spartacist-Sprecher bei der Veranstaltung intervenierte, um Logan als widerlichen und gefährlichen Betrüger zu entlarven, versuchte Jack Heyman, der Lieblingsgewerkschaftsbürokrat von BT und IG, unseren Redner zu unterbrechen und Logan gegen „persönliche Verleumdungen“, wie er es nannte, zu verteidigen. Norden verhielt sich dabei ganz still und ergriff danach das Wort, wobei seine einzige Erwähnung Logans aus einer kurzen, ach so kameradschaftlichen Kritik an Logans Beschreibung eines australischen Gewerkschaftsboykotts bestand, der in den 1930er-Jahren gegen Roheisenlieferungen an Japan geführt wurde und den Logan als Beispiel für proletarischen Klassenkampf gegen den Krieg angeführt hatte.“ Die ehemaligen SLer, die die IG führen, spielten keine besondere Rolle beim Ausschluss Logans und widmeten dem Studium der Dokumentation vermutlich nicht viel Zeit. Wer das jetzt verfügbare Material untersucht, wird selbst entdecken, dass Logans Untaten wohlbekannt waren und zumindest implizit von Robertson und dem Rest der SL-Spitzen gebilligt wurden, bis er zur Beseitigung ins Fadenkreuz geriet, was im Wesentlichen eine innerbürokratische Säuberung war (siehe „On the Logan Show Trial“ [Über den Schauprozess gegen Logan]).

Was die Kritik der IG am Roheisen-Boykott betrifft, antworteten wir mit einer Erklärung, die feststellte, dass Genosse Logan lediglich eine Position von der Gründungskonferenz der Vierten Internationale wiederholte, die mit Trotzkis Zustimmung angenommen wurde (siehe: „Polemic with the Internationalist Group—Workers' Sanctions & the Fourth International [Arbeitersanktionen & die Vierte Internationale]“, 1917 Nr. 31, 2009). Wir warten hierzu noch auf Antwort von der IG, und vermuten, dass sie ihre Position neu bewertet hat.
ihr Standardargument auf, dass „es dort [im Libanon] keine bekannte Kraft gab, die gegen die US-Imperialisten kämpfte.“ Wie wir jedoch betont hatten, berichtete die Ausgabe der WV vom 15. Oktober 1982, dass die Marines in Beirut keine neutralen Beobachter waren: „Sie sind zur Verstärkung des neuen Gemayel-Regimes da, das sich auf die Killer der Phalange stützt, die die Massaker von Sabra und Schatila durchführten.“ Jeder seriöse Beobachter des Nahen Ostens stimmt damit überein, dass die Bombardierung der Kaserne der Marines von Gemayels muslimischen Gegnern durchgeführt wurde.[11]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[11] 1993 in der Frühjahrsausgabe von Foreign Policy schrieb der Herausgeber, Charles W. Maynes: „Die Vereinigten Staaten vergaßen in der Selbstüberschätzung der Reagan-Administration die grundlegende Natur der Friedenssicherung. Sie entsandte US-Marines in den Libanon, ohne zu verstehen, dass es für ihre Sicherheit unerlässlich war, dass die USA im libanesischen Bürgerkrieg keine Partei ergriffen. Die Reagan-Regierung beschloss, den Christen den Rücken zu stärken und fand ihre Truppen bald unter Beschuss der Muslime und schließlich, nach der verheerenden Bombardierung der Kaserne der Marines in Beirut, aus dem Libanon verjagt.“ Die New York Times schrieb Hisbollah, der libanesischen „Partei Gottes“, den Angriff zu: „In den letzten Jahren hat die islamische Gruppe ihrer Vergangenheit aus den 80ern ein neues Image als nicht im Untergrund operierende politische Kraft aufgepfropft. Damals waren Hisbollah oder Gruppen, mit denen sie eng verbunden war, berüchtigt für brutale terroristische Aktionen, einschließlich der Zerstörung der amerikanischen Botschaft in Beirut 1983 und die Tötung von 241 Amerikanern auf einem Gelände der Marines noch im selben Jahr.“
New York Times , 14. Februar 2001
Man braucht in einem interkommunalen Konflikt keine Seite zu beziehen, um die Schläge zu unterstützen, die irgendeine der Kampfgruppen gegen die imperialistischen Besatzungskräfte führt.

In einer Polemik vom 7. Februar 1984 hoben wir hervor, wie sich die „Marines lebend“-Position der SL-Führung mit dem liberalen Flügel des US-Imperialismus im Einklang befand.

„Der Kennzeichnung von Reagans Politik im Libanon als ‚dumm‘ und ‚sinnlos‘, stellt ihr die mutmaßlich vernünftige Forderung gegenüber, die Marines heraus zu holen, bevor noch mehr getötet werden. Wie wir in unserer Stellungnahme vom 12. November [1983] aufzeigten, ist diese Position keineswegs einzigartig für die Spartacist League. „Sinnlos“ trifft es genau, wie Reagans demokratische Kritiker im Kongress seine Intervention im Libanon empfanden. „Sinnlos“ vom Standpunkt der ureigensten Interessen des US-Imperialismus. Sie wollen auch besonnen und klug sein und sie jetzt rausholen, solange sie noch am Leben sind. Eure Position kann nur als eine wohlüberlegte Anpassung an diese pro-imperialistische Stimmung, des ‚kritischen Patriotismus‘, gesehen werden.“
Trotskyist Bulletin Nr. 2, „Marxism versus Social-Patriotism, [Marxismus versus Sozialpatriotismus]“

Wie die jüngste Unterstützung der SL für die US-Besatzungstruppen in Haiti, war der Offenbarungseid gegenüber den Marines eine bewusste Abkehr von einer seit langem bestehenden „Standardeinstellung“ für Leninisten:

„Diese Position ist so bedeutend, da es sich nicht um ein zufälliges Ausgleiten handelt. Es ist nicht das Ergebnis von Desorientierung angesichts einer neuen geschichtlichen Entwicklung. Es ist eine bewusste und vorsätzliche Anpassung an die US-amerikanische herrschende Klasse. Diese sozialpatriotische Verrottung muß aus der iSt [International Spartacist Tendenz] herausgeschnitten werden, bevor sie den gesamten Kader infiziert. Das bedeutet: Kampf. „
Trotskyist Bulletin Nr. 2, „Marxism versus Social-Patriotism, [Marxismus versus Sozialpatriotismus]“

Aber es gab keinen Kampf und als Ergebnis wurde der Kader infiziert. Dies wurde ein Jahrzehnt später deutlich, als Jeff S., ein „aktiver“ SL-Anhänger, in einem Brief an WV (2. Juli 1993) argumentierte, dass es im kommunalen Konflikt, der damals auf dem Balkan tobte, wie im Libanon ein Jahrzehnt zuvor, keine „gerechte“ Seite gäbe, und Sozialisten daher eine neutrale Position im Falle eines Konflikts zwischen den imperialistischen Kräften und den Serben einnehmen sollten.[12]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[12] Während die SL diesen irrtümlichen Vorschlag standhaft zurückwies, war es eine völlig logische Anwendung der sozialpatriotischen „Marines lebend“-Position, wie wir in 1917 Nr. 13 anmerkten: „Die Situation auf dem Balkan ist heute ziemlich analog zu der im Libanon vor einem Jahrzehnt. In beiden Fällen unterstützen Marxisten keine Seite im kommunalistischen Bruderkrieg, während sie jedes Lager gegen die imperialistischen Truppen verteidigen. Als Bill Clinton mit einer militärischen Intervention gegen die Serben im letzten Frühling drohte, riet ihm ein Editorial der New York Times davon ab und richtete die Aufmerksamkeit auf die Parallele mit dem Libanon: „‚Senator Ernest F. Hollings aus South Carolina hat auch einen aufschlußreichen Aspekt vorgebracht. Die Bereitwilligkeit der Reagan-Administration, das Bekka-Tal zu bombardieren und Marines in das Chaos des Libanon zu schicken, führte zu einem katastrophalen Verlust an Leben.‘
New York Times , 29. April 1993
„Jeff S. hat recht, dass es keinen Grund für Revolutionäre gibt, heute eine andere Position zu Bosnien einzunehmen als vor über einem Jahrzehnt in der Levante. Aber er versteht nicht, dass die Position der SL zu Reagans Libanon-Katastrophe eine absichtliche opportunistische Anpassung an die wahrgenommenen Erfordernisse des Augenblicks war. Die SL-Führung fürchtete, dass die Verteidigung des verheerenden Schlages gegen die amerikanischen Militärs im Libanon sie in Schwierigkeiten bei den Reagan-Leuten bringen könnte. So wiederholten sie stattdessen die Linie der Demokratischen Partei und riefen dazu auf, die Marines ‚lebend‘ rauszuholen. „Die unaufrichtige Antwort der SL-Führung auf das Schreiben dieses fehlgeschulten Genossen ist eine zynische Mischung aus Vernebelung und unverhohlener Fälschung. Mit der Behauptung, dass ein Vergleich der Konflikte in der Levante und auf dem Balkan eine ‚falsch angewandte historische Analogie‘ sei, antwortete WV: „‚Die wenigen hundert US-Marines, die geschickt wurden, um den Beiruter Flughafen zu „bewachen“, bilden kaum eine imperialistische Militärintervention in Libanons Nachbarschaftskrieg, noch waren die Kämpfe im Libanon damals in erster Linie ein Bürgerkrieg.‘
WV, 2. Juli 1993
„Hier ist alles falsch. Selbst ein „paar hundert“ US-Gendarmen, die eine Militärbasis in einem Land der Dritten Welt errichten, konstituieren eine ‚imperialistische Militärintervention‘.

Im Juli 1984, weniger als ein Jahr nach dem Aufruf, die Marines zu retten, behauptete die SL-Führung in einer bizarren Wendung zu den Demokraten [der US Democratic Party], dass ihr nationaler Konvent in San Francisco von einer Koalition aus Reagan-Leuten und Faschisten angegriffen werden könnte. Mit ihrem Angebot, ein Dutzend Verteidigungswachen zu stellen, um die Demokraten vor dieser imaginären „Bedrohung“ zu schützen, stellte die SL folgende absurde Analogie her:

„Ein passendes historisches Modell für Reagans Ausnutzung einer ‚Terrorhysterie‘ zur Zerschlagung politischer Opposition, kann im Reichstagsbrand von 1933 gefunden werden, der wahrscheinlich von den Nazis gelegt und dann von ihnen genutzt wurde, um politisch Andersdenkende zu unterdrücken und das Dritte Reich zu konsolidieren.“ (Eig. Übers.)[13]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte auf den Endnotenindex klicken. +++[13] „Ein passendes historisches Modell“ für diese Kriecherei vor den Demokraten kann in Farrell Dobbs' Beileidsbekundung an Jacqueline Kennedy nach der Ermordung ihres Mannes im November 1963 gefunden werden. Die erste Ausgabe des Spartacist (Februar-März 1964) antwortete mit dem Abdruck von Kommentaren führender Mitglieder der damals trotzkistischen Socialist Labour League, die erklärten: „Wir trauern nicht um John F. Kennedy“ und Dobbs Brief als „kriecherisches Stiefellecken“ beschrieben, dass „jeden Grundsatz zurückweist, für den Trotzki und die bolschewistische Partei gekämpft haben.“
WV, 6. Juli 1984

Ein paar Jahre nach dem Angebot, für die Sicherheit der Demokraten zu sorgen, beging WV eine noch feigere Kapitulation als Reaktion auf den von bürgerlichen Medien inszenierten Trauererguss nach der spontanen Zerstörung des Space Shuttles Challenger und des militärischen Personals an Bord, dessen Mission die Aussetzung eines großen Spionagesatelliten für den US-Imperialismus gewesen war.

„Was wir für die Astronauten empfinden, ist nicht mehr und nicht weniger als für alle Menschen, die unter tragischen Umständen sterben, wie die neun armen Salvadorianer, die durch ein Feuer in Washington, DC in einer Kellerwohnung zwei Tagen zuvor ums Leben kamen.“
WV, 14. Februar 1986

Dieses „kriecherische Stiefellecken“ genauso wie der Ausdruck der Sorge um das Wohlergehen der Kolonialgendarmen im Libanon, sollte alle Anhänger der SL (oder IG) in Verlegenheit bringen, die auch nur über ein Quentchen Klassenbewusstsein verfügen. Welche Sorte von „Revolutionären“ setzt verarmte Flüchtlinge vor rechtsextremen Terrorschwadronen mit imperialistischen Militärkadern auf einer Mission zur Verbesserung der Übermacht der USA im Weltraum gleich? Doch bis zum heutigen Tag haben sich weder die SL noch die IG von dieser schändlichen und feigen Erklärung distanziert.[14]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[14] Siehe „Challenger's ‚Major Malfunction‘—No Disaster for the Working Class, [Challengers ‚großes Versagen‘—Keine Katastrophe für die Arbeiterklasse]„1917 Nr. 2, 1986. Siebzehn Jahre später, als ein ähnliches Unglück die Raumfähre Columbia (und das militärische Personal an Bord) zerstörte, brachten wir eine Erklärung heraus (8. Februar 2003), die feststellte, dass Raumfähren eine wesentliche Rolle für die Fähigkeit der USA gespielt haben, um Spionage- und Waffensysteme im Weltraum zu stationieren: „Der Verlust der Columbia, eines von nur vier Shuttles, stellt einen erheblichen Rückschlag für das US-Militär dar, weil weder Ersatz zur Verfügung steht, noch irgendwelche alternativen Systeme existieren“. Wir charakterisierten die Fehlgeburt der Columbia-Mission als einen Schlag gegen den imperialistischen Drang, den Weltraum zu militarisieren und forderten die SL und die IG auf, die Gelegenheit für eine Abkehr von ihrem früheren sozialpatriotischen Salut an die Berufssoldaten an Bord der Challenger zu ergreifen. Beide entschieden sich, die Funkstille in dieser Frage beizubehalten.



Steriles Sektierertum

Wie wir bereits 2005 in unserer Broschüre Whatever Happened to the Spartacist League? [Was geschah mit der Spartacist League?] ausführten, ist die IKL heute eine ganz andere Organisation als die internationale Spartacist Tendenz (IST) der 70er Jahre, die viele der besten und hellsten Köpfe der Neuen Linken anzog:

„In der Mitte der 1970er Jahre war die SL eine straff disziplinierte Organisation mit einer talentierten, hoch motivierten Mitgliedschaft, die durch Übereinstimmung mit dem trotzkistischen Programm zusammengehalten wurde. Die makellose Klarheit ihrer anspruchsvollen und intern konsistenten politischen Linie erfüllte die jugendlichen Spartacist-Kader mit einem Selbstvertrauen und einer Entschlossenheit, die dramatisch mit ihren vorgeblichen trotzkistischen Konkurrenten kontrastierte.
Aber als die Chancen versiegten und der Klassenkampf in den USA in den späten 70er Jahren stiller wurde, begann die SL zu degenerieren, Robertsons Lifestyle wurde anspruchsvoller und die Kapazität der Gruppe zur internen Korrektur verkümmerte, als eine Welle von Säuberungen durch die iSt fegte, die auf jene gerichtet waren, die potentiell für fähig gehalten wurden, sich in der Zukunft als politische Opposition herauszubilden. Die Ergebnisse dieser ‚Bolschewisierungs‘kampagne wurden bald in einer Reihe unberechenbarer programmatischer Schwankungen offensichtlich.“

Die Reichweite dieser Schwankungen nahm im Laufe der Zeit zu. Ende 2003 beschloss die Vierte Internationale Konferenz der IKL, dass die Aktivitäten der Spartacist Tendenz in der vorangegangenen Periode, während sie einige „opportunistische[n] Ausbrüche“ enthalten hätten, hauptsächlich von „sektiererischem Moralismus“ und durch ein „zunehmend abstraktes und steriles Herangehen an die Politik“ geprägt waren. Zwei der ungeheuerlicheren Beispiele dieses sterilen Sektierertums waren die Weigerung der SL, Demonstrationen zur Verteidigung von Mumia Abu-Jamal zu unterstützen oder an ihnen teilzunehmen (vorgeblich, weil die SL nicht mit allen Forderungen einverstanden war, die von den Veranstaltern vorgebracht wurden)[15]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[15] Siehe „Disagreeable Sectarians, [Widerliche Sektierer]“ 1917 Nr. 21, 1999 und ihre pauschale Anprangerung der massiven „Anti-Globalisierungs“demonstrationen 1999 in Seattle. In einer Parodie auf sektiererisches Heraushalten erklärte WV:

„Unsere Opposition gegen die chauvinistische Mobilisierung in Seattle war ein Ausdruck unseres revolutionären, internationalistischen und proletarischen Programms. Die Aufrechterhaltung der Klasseninteressen des Proletariats fordert, eine scharfe Trennlinie zwischen Marxismus und Sozialchauvinismus zu ziehen…. „
WV, 11. Februar 2000

Der Artikel beklagte, dass „die IBT unsere prinzipielle Opposition anprangerte, uns der chauvinistischen, antikommunistischen Mobilisierung in Seattle“ anzuschließen und attackierte die IG dafür, „alles zu versuchen, um zu vermeiden, die Seattle Mobilisierung zu kritisieren“, obwohl sie widerwillig einräumte, dass die IG (die zu jener Zeit noch mehr im Umkreis der SL war) in einer Erklärung am 21. Dezember 1999 pflichtgemäß die Seattle-Mobilisierungen verurteilt hatte als „auf der Grundlage eines chauvinistischen Programms des Protektionismus und proletarische Internationalisten würden nicht daran teilnehmen.“[16]+++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[16] Nach ein paar Jahren, in denen sie die Augen verschloss, räumte die SL schließlich ein, daß es völlig falsch war, die Demonstrationen in Seattle zu boykottieren (womit sie implizit zugab, dass unsere Kritik korrekt gewesen war). Aber die IG muss noch ihren Standpunkt ändern. Wenn die Führer der IG tatsächlich ihre Ansicht geändert haben, empfehlen wir ihnen, dem Beispiel der SL zu folgen und den Mut aufzubringen, dies öffentlich zu sagen.

Dem „antisektiererischen“ Zick auf der Vierten Internationalen Konferenz der IKL 2003 folgte ein „antiopportunistisches“ Zack auf seiner Fünften Internationalen Konferenz 2007 mit der Erklärung:

Der Hauptdruck, der auf unserer Partei lastet, vor allem in dieser Periode der post-sowjetischen Reaktion, ist menschewistischer, d.h. sozialdemokratischer Opportunismus, nicht ultralinkes Sektierertum. Und das Hauptmerkmal des Menschewismus in dieser Periode ist die Kapitulation vor dem bürgerlichen Liberalismus.“
Spartacist Nr. 60, Herbst 2007 (Hervorhebung im Original)

Die Konferenz verabschiedete einen neuen programmatischen Talisman zur Abwehr sozialdemokratischen Drucks: Künftig würde die IKL es aus Prinzip ablehnen, Kandidaten für „Exekutivämter“ zu stellen (Siehe „Of Presidents & Principles [Von Präsidenten & Prinzipien]“ 1917 Nr. 30, 2008).

Zur Charakterisierung der früheren Periode als eine hauptsächlich durch den „Druck“ des Menschewismus geprägte, passte der Bericht, dass die Dreizehnte Nationale Konferenz der SL (im Sommer 2009) „die politische Arbeit der Konferenz der SL/US von 2004 kritisierte hatte, denn:

„ein falsches Gewicht wurde auf Episoden von Sektierertum in unserer Arbeit als das Hauptproblem gelegt ….
„Die Betonung ‚antisektiererischer‘ taktischer Militanz führte zu einer Reihe opportunistischer Sprünge. Es gab auch eine systematische Schieflage durch Beteuerungen, mit unseren Problemen aus eigener Kraft … klar zu kommen. „
WV, 4. Dezember 2009

Dies führte laut WV zu „wiederkehrenden Tendenzen aufeinanderfolgender Regime hin zur Vortäuschung von Massenarbeit und unrealistischen Erwartungen bei der Rekrutierung oder Umgruppierung“, vor allem in der Verteidigungsarbeit für Mumia Abu-Jamal:

„Eine wesentliche Aufgabe der Konferenz bestand darin, der programmatischen Verbiegung Einhalt zu gebieten, die ihren Ausdruck fand im Verlauf der vergeblichen Ersetzung der fehlenden Massenbewegung zur Befreiung Mumia Abu-Jamals durch die geringen Kräfte von uns und unseren Sympathisanten, und dadurch von unseren Gegner abzulassen, weil wir ‚Einheitsfronten‘ hinterherjagten.“[17] +++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[17] Die Hochwassermarke der kurzlebigen „antisektiererischen“ Wende der SL war vermutlich die Entscheidung, unsere Broschüre, The Case of Mumia Abu-Jamal [Der Fall Mumia Abu-Jamal], auf den Literaturtischen des Partisan Defense Committee, [in Deutschland] das Komitee fur soziale Verteidigung, zu verkaufen.

Das „Einheitsfront“konzept der IKL ging nicht über Ereignisse hinaus, die sie initiierte und kontrollierte (zu deren Unterstützung andere aufgefordert wurden), aber auch dies wurde verurteilt als „Strecken der Hände nach einem Block mit jenen, die Todfeinde prinzipieller Klassenkampfverteidigung sind.“

Wir kommentierten das zunehmend sektiererische Verhalten der SL in einem Brief vom 9. Juni 2008 an WV:

„Während ihr die Phrase ‚Einheitsfront‘ nutzt, um Ereignisse zu beschreiben, die vollständig von euch selbst kontrolliert werden und bei denen anderen ‚gestattet‘ wird zu sprechen, seid ihr gelegentlich einer unverhohlenen Zurückweisung genau dieser Idee gemeinsamer Aktivität mit anderen Linken sehr nah gekommen. Dies wurde besonders deutlich in eurer Berichterstattung über die Vorstellung von Bryan Palmers Biographie James P. Cannons letzten Oktober in New York, eine Veranstaltung, für die die SL mit der IBT und vier anderen Gruppen gemeinsam als Sponsor auftrat. Ihr kritisiertet insbesondere eine Aussage eines unserer Genossen bei der Veranstaltung…:
„‚Tom Riley von der BT sprach in Unterstützung von Palmers Aufruf zur Umgruppierung:“ Wenn die Linke zusammen arbeiten kann in Fragen, in denen wir übereinstimmen, dann sollte es für uns möglich sein, intelligent, ernsthaft und in einer Weise darüber zu diskutieren, wie James P. Cannon es tun würde, in seiner Organisation als auch mit anderen Organisationen, was die wirklichen substanziellen Unterschiede sind, die zwischen uns stehen. Und auf dieser Grundlage ist es durchaus möglich, dass viele der Leute in diesem Raum heute abend, die in verschiedenen gegnerischen Organisationen sind, eines Tages in einer gemeinsamen Organisationen sein werden.“
„‚Riley richtete seinen Appell für „Einheit“ an ein Publikum, das größtenteils aus Gruppen bestand, die die krassen stalinophoben Appetite der BT teilen. Unsererseits finden wir solche schmierigen Appelle für „Einheit“ grotesk ….‘“
WV, 23 November 2007

Es war klar, selbst aus der Darstellung von WV, dass wir nicht vorschlugen, dass die bestehenden Gruppierungen ihre Differenzen beiseite schieben und sich einfach „vereinen“, sondern vielmehr die Möglichkeit vortrugen, dass gemeinsame Arbeit zu so einer Art ernsthaften politischen Engagements führen kann, dessen Ergebnis möglicherweise ein Prozess der Umgruppierung mit Spaltungen und Fusionen ist.

Ein Jahr nachdem wir darauf hingewiesen hatten, dass die IKL sich auf eine „offene Zurückweisung der Idee gemeinsamer Aktivitäten mit anderen Linken“ hin zu bewegen schien, erklärte die Konferenz der SL 2009, dass die Einheitsfronttaktik für Propagandaorganisationen nur eine geringe operative Bedeutung habe:

„Es ist offensichtlich, dass die Anwendung der Einheitsfronttaktik in elementaren, alltäglichen Arbeitskämpfen gegen das Kapital durch die frühen europäischen kommunistischen Parteien für uns heute nicht relevant ist und es auch morgen nicht sein wird.“
·     ·     ·
„Was passiert ist, denke ich, ist ein tiefgehender subjektiver Drang, organisatorische Durchbrüche zu erzielen, um zu zeigen (vor allem uns selbst), dass wir historisch nicht irrelevant sind, da alle anderen in der Welt denken, dass wir historisch irrelevant sind. Wir sind historisch relevant, aber wir müssen und können das jetzt nicht durch substanzielle organisatorische Durchbrüche oder eine andere Art äußeren Erfolgs nachweisen. Das ist einfach objektive Realität.“
WV, 28 August 2009

Die Abkehr von der Auseinandersetzung mit anderen politischen Strömungen spiegelt den zunehmend pessimistischen und introvertierten Charakter wider und verstärkt ihn. Im Gegensatz zu den düsteren Grübeleien der IKL, hat der Triumph der Konterrevolution in der Sowjetunion die Gesetze des Klassenkampfes nicht außer Kraft gesetzt. Sogar in den USA, dem politisch rückständigsten Land in der „entwickelten“ Welt, gab es für Revolutionäre in den vergangenen zwei Jahrzehnten erhebliche Möglichkeiten. Der explosionsartige Anstieg der Unterstützung für Mumia Abu-Jamal, der seine Hinrichtung 1995 abwendete, die „Anti-Globalisierungs“proteste 1999 in Seattle, die enormen Anti-Krieg-Demonstrationen, die dem Angriff auf den Irak vorausgingen und der massive Latino-Protest 2006 gegen ein reaktionäres Einwanderungsrecht haben allen gezeigt, dass Hunderttausende amerikanischer Arbeiter und Jugendlicher durch den kapitalistischen Status quo nachhaltig verprellt sind.

Die spürbare Verärgerung, die Millionen arbeitender Menschen heute in den USA empfinden, da sie ihre Arbeitsplätze verlieren und aus ihren Häusern geworfen werden durch die „unsichtbare Hand“ des Marktes, hat bei vielen eine Einsicht erzeugt, dass die „freie Wirtschaft“ ein abgekartetes Spiel gegen sie ist. Die Bedingungen sind reif für massive soziale Unruhen in den imperialistischen Kernländern Europas und Nordamerikas, so wie sie in einem Großteil Asiens und Lateinamerikas schon weitverbreitet sind. Der Aufstieg der Tea Party und anderer Kräfte der Rechten ist eine Mahnung, dass blinde Wut wirklich sehr hässliche Formen annehmen kann, wenn die Linke unfähig ist, daraus Vorteile zu ziehen. In diesem Zusammenhang zeugt die Tatsache, dass die SL-Führung darauf besteht, sie könne nichts tun, außer in ihren Büros Archive zu sortieren und darauf zu warten, dass die „objektive Realität“ ihre „Relevanz“ bestätigt, von einem fortgeschrittenen Stadium politischer Sklerose.

Die vielleicht mächtigste Widerlegung der defätistischen Perspektive der SL-Führung ist die Arbeit eines einzelnen militanten Klassenkämpfers, Jack Heyman, in der International Longshore and Warehouse Union [Internationale Hafenarbeiter und Lagerhaus Gewerkschaft]. Heyman, der mit einer Vielzahl anderer Gewerkschaftsaktivisten zusammenarbeitet, von denen viele stark unterschiedliche politische Ansichten haben, löste erfolgreich einen Streik aller Häfen entlang der gesamten Westküste der USA zur Verteidigung von Mumia am 24. April 1999 und einen ähnlichen Streik am 1. Mai 2008 aus, um gegen den Krieg im Irak zu protestieren. Heymans Rolle in diesen beispielhaften Aktionen, die sowohl von der IG als auch von der IBT unterstützt wurden, ist für die SL besonders ärgerlich, weil sie eine Fortsetzung der Arbeit ist, die von Spartacist-Unterstützern in der Gewerkschaft initiiert wurde, besonders der von Howard Keylor, einem prominenten IBT-Unterstützer.[18] +++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[18] Auch wenn die IG 1999 und 2008 die Streiks in den Häfen unterstützte, muss sie trotzdem noch den skandalösen Versuch der SL überdenken, den Anti-Apartheid-Boykott, der 1984 von Keylor geführt und von Heyman aktiv unterstützt wurde, zu ruinieren. Auf einem Forum der IBT in Toronto im September 2008 zum Anti-Krieg-Hafenstreik sagte Heyman: „Die erste wichtige Kampagne, in die ich da draußen involviert war, drehte sich 1984 um die Frage der Apartheid in Südafrika. Und von diesem Kampf lernte ich politisch viel und wie man als Revolutionär innerhalb der Gewerkschaftsbewegung funktioniert. Ich verdanke jemandem, der heute Abend anwesend ist, vieles, was ich gelernt habe, jene Lehren, und ihn möchte ich würdigen: Howard Keylor.“ Siehe „11-Day Anti-Apartheid Struggle on San Francisco Docks,“ „Local 10 Shows the Way! [11-Tage-Anti-Apartheid-Kampf im Hafen von San Francisco“, „Local 10 zeigt den Weg]!“ Und „Third Period Robertsonism at Pier 80 [Robertsonismus der Dritten Periode am Pier 80]“ in ET Bulletin Nr. 4, 1985 und „US-Dockers Take Historic Step [Dockers unternehmen einen historischen Schritt] Anti-War Strike [Anti-Krieg-Streik]“ 1917 Nr. 31, 2009.

Der selbstisolierende Charakter des sterilen Ultra-Sektierertums der SL wird offenkundig in ihrer Verurteilung verschiedener linker Gruppen in der Bay Area (einschließlich der IBT) für ihre Teilnahme an einer Reihe militanter Demonstrationen neben Tausenden von Jugendlichen für die Inhaftierung von Johannes Mehserle, dem Polizisten der Bay Area Rapid Transit, der Oscar Grant, einen 22-jährigen unbewaffneten schwarzen Mann ermordete (siehe „ On Jailing Killer Cops1917 Nr. 31, 2009). In einem Brief an die kanadische Gruppe der IKL vom 28. Juli 2009 kritisierten wir die leicht dahin gesagte Behauptung, dass „für den zunehmend unwahrscheinlichen Fall, dass Mehserle hinter Gitter geworfen wird, der Zweck einfach darin bestehen würde, den staatlichen bewaffneten Schlägertrupps eine ‚demokratische‘ Fassade“ zu verschaffen (WV, 24 April 2009).[19] +++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[19] In der Vergangenheit erhob die SL häufig die Forderung, Killerpolizisten ins Gefängnis zu sperren. Die IG hat es, unseres Wissens nach, bislang vermieden, die ganze Frage zu kommentieren. Wir kommentierten:

„Diese sektiererische Gleichgültigkeit gegenüber dem intensiven Wunsch den ‚Killerpolizisten einzusperren‘, der von Tausenden militanter Schwarzer und Jugendlicher in der Bay Area zum Ausdruck gebracht wurde, diskreditiert die IKL und untergräbt jeden Anspruch, ein Tribun der Unterdrückten zu sein.
·     ·     ·
„Als die SL eine revolutionäre Organisation war, verstand sie, dass bürgerlich-demokratische Rechte nur durch Opposition gegen ungeheuerliche Verletzungen bewahrt werden können, die von staatlichen Behörden begangen werden. Und sie wusste, wie man solche Probleme anspricht, ohne Illusionen zu erzeugen.“

In den frühen 1980er Jahren reichten die SL/PDC [Partisan Defense Comitee] mehrere erfolgreiche Klagen gegen den antikommunistischen Moonie Kult, den kalifornischen Attorney General [Rechtsberater der Regierung] George Deukmeijian, das FBI und den US-Attorney General ein. Damit verteidigte sie die demokratischen Rechte der gesamten Linken und der Arbeiterbewegung. In unserem Brief vom Juli 2009 fragten wir:

„Ist die IKL jetzt der Ansicht, dass ihre damalige Einleitung der Klagen bedeutete, Illusionen in die Möglichkeit einer Reform des kapitalistischen Staates zu fördern? Wenn nicht, welche mögliche Grundlage gibt es für die Ablehnung des Aufrufs, rassistische Polizisten ins Gefängnis zu stecken, die unschuldige Menschen ermorden? „

Die IKL hat nicht geantwortet. Vielleicht sind Robertson und die anderen noch nicht bereit, der Logik ihres idiotischen Sektierertums bis zur letzten Konsequenz zu folgen, obwohl es so aussieht, dass sie vielleicht ihre Ablehnung der Teilnahme an Blöcken für begrenzte Ziele (d.h. Einheitsfronten) auf antifaschistische Mobilisierungen ausweiten. Ein aktueller Artikel in der Presse der Spartacist League/Britain (SL/B) bietet dafür zumindest einen Hinweis:

„Die reformistische Standardantwort auf den Faschismus ist es, alle ‚demokratischen‘ Kräften in einer klassenübergreifenden Koalition zu vereinen. Dies verkörpert heute UAF [Unite Against Fascism], dessen Strategie aus der Verwendung bürgerlicher ‚Demokratie‘ als ein Bollwerk gegen die Faschisten besteht.“
Workers Hammer, Winter 2009-2010

Aus unserer Sicht ist es nicht das wesentliche Problem des von der Socialist Workers Party geführten UAF, dass es darauf abzielt, unterschiedliche Kräfte auf der Grundlage einer gemeinsamen Feindschaft gegen die Faschisten zu vereinigen, sondern eher, dass es impotente pazifistische Gegendemonstrationen und Vertrauen in Appelle an bürgerliche Obrigkeiten fördert. Es ist notwendig, Massenmobilisierungen arbeitender Menschen und Minderheiten zu organisieren, um die Faschisten von der Straße zu vertreiben. Die IKL wußte das einst und initiierte in den USA verschiedene antifaschistische Aktionen, denen es gelang, genau das zu tun.

Der Artikel der SL/B enthält einen besonders hirnlosen Angriff auf Workers Power, die korrekt befürworten, der faschistischen British National Party (BNP) „keine Plattform“ zu bieten:

„Workers Power verteidigt die Position ‚keine Plattform für Faschisten‘, wie folgt: ‚Kommunisten sehen faschistische Organisationen als Instrumente des Bürgerkriegs gegen die Arbeiterklasse. Ihr Ziel ist die Zerschlagung der Arbeiterbewegung‘. Sie folgern: ‚Wir glauben, dass sie [die Faschisten] dabei aufgehalten werden müssen, ihre Kräfte zu organisieren. Dies ist die Politik von „no platform [keine Plattform (Eig. Übers.)]“. Wo Faschisten versuchen zu wachsen und ihren Einfluss und Unterstützung zu entwickeln, versuchen Kommunisten Aktionseinheiten von Arbeitern, Jugendlichen und Anti-Rassisten zu organisieren, um sie zu stoppen‘…. Workers Power greift UAF für sein Versäumnis an, die Faschisten physisch in den Straßen aufzuhalten, und sagt: „Obwohl UAF die Notwendigkeit sieht, gegen die BNP zu protestieren, leidet es darunter, seine Argumente und Taktik darauf zu begrenzen, was die kapitalistischen Politiker und Figuren auf dem rechten Flügel der Arbeiterbewegung akzeptieren werden“. Das Problem mit UAF ist nicht, dass ihm militante Taktik fehlt, sondern sein reformistisches Programm, das Workers Power teilt.“ (Eig. Übers.)

Workers Power und Mitglieder von UAF stimmen vielleicht in vielen Dingen überein (wie der Unterstützung für die Labour Party), aber sie teilen mit Sicherheit nicht die gleiche Strategie für den Umgang mit der unheimlichen Bedrohung, die die BNP darstellt. Der Versuch der SL/B, etwas anderes zu suggerieren, zielt vermutlich darauf ab, ihre Abneigung gegen jede Art gemeinsamer Aktion mit anderen linken Gruppen rational darzustellen. In antifaschistischen Mobilisierungen, die von UAF dominiert sind und an denen wir uns beteiligt haben, fanden wir, dass viele Teilnehmer daran interessiert sind, über den legalistischen Rahmen hinauszugehen, den die offizielle Führung verhängen will.[20] +++ Für den Zugriff auf zitierte IBT-Dokumente bitte den Endnotenindex anklicken. +++[20] Workers Power und andere Gruppen haben die Bildung eines Blocks vorgeschlagen zur Initiierung von Aktionen, die auf das Auseinandertreiben faschistischer Mobilisierungen abzielen. IBT-Genossen in Britannien haben auf die verschiedenen Vorschläge reagiert, indem wir unser grundsätzliches Einverständnisses mit einem solchen Ansatz klar gemacht haben. Nach unserer Kenntnis hat die SL/B kein Interesse ausgedrückt, die Möglichkeit der Teilnahme an einer solchen Initiative zu erkunden.

Der Artikel in Workers Hammer erhebt die abstrakt richtige Forderung nach „Gewerkschafts- und Minderheitenmobilisierung, um faschistische Provokationen zu stoppen“, bietet aber keine Vorschläge, wie solche Aktionen eingeleitet werden können. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass es entscheidend ist, die Beteiligung einer möglichst großen Vielfalt antifaschistischer Organisationen anzustreben. Der Artikel enthält auch eine eigenartig einseitige Charakterisierung des Faschismus:

„Aber die Gegenüberstellung von bürgerlicher ‚Demokratie‘ und Faschismus ist falsch. Parlamentarische Demokratie, die bevorzugte Herrschaftsmethode des Imperialismus, ist bloß die beste Tarnung für die Diktatur der Kapitalisten. Der Faschismus an der Macht ist eine andere Form der Diktatur des Finanzkapitals, eine, zu der die Bourgeoisie nur unter extremen Umständen Zuflucht nimmt, etwa wenn ihre Herrschaft durch das Proletariat bedroht ist, das für die Revolution mobilisiert.“

Parlamentarische Demokratie und Faschismus sind in der Tat zwei Formen der Diktatur der Bourgeoisie, aber der Unterschied zwischen ihnen kann eine Frage von Leben und Tod für die Arbeiter und die Unterdrückten sein, wie Trotzki 1932 betonte:

„Das XI. [stalinistisch kontrollierte] EKKI-Plenum fand sich bemüßigt, mit jenen fehlerhaften Auffassungen Schluß zu machen, die sich auf die ‚liberale Konstruktion eines Gegensatzes zwischen Faschismus und bürgerlicher Demokratie, wie auch zwischen den parlamentarischen Formen der bürgerlichen Diktatur und den offenen faschistischen Formen ...‘ stützen. Der Wesenskern dieser Stalinschen Philosophie ist sehr einfach: aus der marxistischen Verneinung eines absoluten Gegensatzes leitet sie die Verneinung des Gegensatzes überhaupt ab, und sei er auch relativ. Das ist der typische Fehler des Vulgärradikalismus. […]
Zwischen Demokratie und Faschismus besteht ein Widerspruch. Er ist durchaus nicht „absolut“ oder, um in der Sprache des Marxismus zu reden, bezeichnet durchaus nicht die Herrschaft zweier unversöhnlicher Klassen. Aber er kennzeichnet verschiedene Herrschaftssysteme ein und derselben Klasse. Diese beiden Systeme, das parlamentarisch-demokratische und das faschistische, stützen sich auf verschiedene Kombinationen der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen und geraten unvermeidlich in schroffe Zusammenstöße miteinander.“
Was nun?

Die offensichtliche Weigerung der SL/B eine Beteiligung an Einheitsfrontaktionen gemeinsam mit anderen Gruppen in Betracht zu ziehen, zusammen mit der Behauptung, dass „die Gegenüberstellung von bürgerlicher ‚Demokratie‘ und Faschismus falsch ist“, weil Faschismus lediglich „eine andere Form der Diktatur des Finanzkapitals“ ist, erinnert an die verhängnisvolle Passivität der stalinistischen „Dritten Periode“. Ein erfolgreicher Kampf zur Vernichtung der wachsenden faschistischen Bedrohung erfordert auf Arbeiter ausgerichtete Massenmobilisierungen, die aus dem weitesten Umfeld potenzieller Opfer des Faschismus schöpfen, um der BNP und ihresgleichen eine Plattform zu verweigern, von der aus sie ihr Gift verspritzen wollen. Kleine linke Organisationen können dies nicht aus eigener Kraft, aber sie können eine entscheidende Rolle spielen, sowohl bei der Initiierung beispielhafter Mobilisierungen als auch bei der Bekämpfung von Versuchen der Reformisten, wirksame Aktionen zu neutralisieren.



Seniler Spartacismus: „Pabloismus der zweiten Mobilisierung“

Die Ablehnung von Einheitsfrontaktionen, der „grundsätzliche“ Verzicht auf die Teilnahme an Präsidentschafts- und andere hochrangigen bürgerlichen Wahlkämpfen; die Weigerung, sich an Mobilisierungen zur „Inhaftierung von Killerpolizisten“ zu beteiligen, all das sind Symptome eines generellen Rückzugs von der aktiven Beteiligung am Klassenkampf zu einer introvertierten Existenz als „Hüter der Flamme.“

Die Kehrseite der spröden „linken“ Posen der SL bildet eine wachsende Zahl reformistischer Positionen, von denen der Offenbarungseid im Fall Haitis nur die letzte ist. In jedem Fall werden die Kapitulationen als Ergebnis einer nüchternen Bereitschaft präsentiert, die Realität anzuerkennen. Bevor die Führung der SL das US-Militär als die Retter der haitianischen Massen umarmte, taten sie sich als Unterstützer des Employee Free Choice Act (EFCA) hervor, obwohl ein obligatorisches Schiedsverfahren, d.h. die staatliche Intervention zur Wahrung des „industriellen Friedens“, inbegriffen ist. Wir argumentierten, dass „Wenn die EFCA nur eine Kartenprüfung [zur Bestimmung der Gewerkschaftsmitgliedschaft zwecks gegebener Anerkennung im Betrieb] einführte, wäre es eine unterstützbare Reform, aber sie kam mit einer Giftpille: ein verbindliches Schiedsverfahren um einen ersten Zwei-Jahres-Vertrag durchzusetzen, wenn keine Einigung innerhalb eines Monats nach der Zertifizierung [Anerkennung der gewerkschaftlichen Vertretung] unterzeichnet wird.“ Die SL drehte dies um und warnte, ein „verbindliches Schiedsverfahren ist eine Falle „, unterstützte aber dennoch die EFCA mit der Begründung, dass die fast einstimmige Opposition des Großkapitals bedeute, dass es „ein Referendum über gewerkschaftliche Organisierung darstelle“(WV, 30. Januar 2009). Als Reaktion auf die Kritik der IG an ihrem Verzicht auf die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse vom kapitalistischen Staat, verdrehte die SL die von der amerikanischen trotzkistischen Bewegung angenommene Position zum 1935 verabschiedeten Wagner Act-Franklin Delano Roosevelts „New Deal“-Gesetzgebung zur Verhängung staatlicher Kontrolle über die Gewerkschaften (siehe „EFCA, Bürokraten & Demokraten1917 Nr. 32, 2010).

Passivität und Defätismus, die in der Kapitulation der SL zur EFCA deutlich wurden, hatten sich zuvor während eines Streiks des städtischen Nahverkehrs im Dezember 2005 in New York City manifestiert, als WV bekannt gab, mit Kritik an den Bürokraten der lokalen Transit Workers Union (TWU) zurückzuhalten: „Da wir nicht auf eine alternative Führung des Streiks weisen können, würde so zu handeln, nur dazu gedient haben, den Streik zu schwächen“ (WV, 9. Juni 2006). Wir reagierten auf dieses erschreckend antirevolutionäre Gefasel, indem wir die SL daran erinnerten, dass es die primäre Aufgabe von Revolutionären sei, den Arbeitern zu helfen, einen Weg zum Sieg zu finden:

„In diesem Fall wäre der erste Schritt eindeutig die Kontrolle über den Streik von [New York TWU Führer Roger] Toussaint und seinem Kreis wegzunehmen und sie in die Hände einer demokratisch gewählten Streikleitung zu legen.
„Toussaint ist, wie alle Gewerkschaftsbürokraten, letzten Endes, ein Agent der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung …. Ihn und den Streik gegen kapitalistische Angriffe zu verteidigen, schloss den Versuch nicht aus, die Streikenden, von denen viele Illusionen in Toussaint gehabt haben dürften, über die Möglichkeit aufzuklären, dass ihre Führung vielleicht kapituliert. Eine Alarmierung der militanteren Schichten über diese Gefahr hätte den Streik nicht geschwächt, sondern eher gestärkt und die Chancen für einen Sieg verbessert.
„Das gleiche Problem stellt sich bei jeder großen Klassenauseinandersetzung. Wenn Kritik an Reformisten, Bürokraten und anderen Verführern während eines Kampfes nur den Kapitalisten helfen kann, was sollen wir mit Trotzkis Polemik gegen die Volksfrontregierung während des Spanischen Bürgerkrieges anfangen? Schwächte seine Kritik den Kampf gegen Franco? Schwächte während des Vietnam-Krieges die Kritik des stalinistischen Verrats durch die damals revolutionäre SL den Kampf für eine Niederlage des US-Imperialismus? „
— „On Criticism of Misleaders [Zur Kritik von Verführern] 1917 Nr. 29, 2007

Wir sind kaum überrascht, dass wir keine Antwort erhalten haben. Es gibt keine mögliche Antwort, die nicht im formalen Verzicht auf jeglichen Anspruch zur Bereitstellung marxistischer Führung gipfeln würde, ein Schritt, den die Spitzen der SL noch nicht zu gehen bereit sind.

Die zugegebene Kapitulation vor dem US-Imperialismus zu Haiti macht es allen, außer den Leichtgläubigsten, schwer, den Anspruch der SL, die ungebrochene Kontinuität des revolutionären Trotzkismus zu repräsentieren, zu schlucken. Auch die auf der Dreizehnten Nationalen Konferenz der SL formal beschlossene neue Betonung der Rolle des „objektiven historischen Prozesses“ durch die IKL bei der Schaffung von Bedingungen für revolutionäre Durchbrüche in unbestimmter Zukunft enthält Anklänge an den passiven Objektivismus, der die Zweite Internationale charakterisierte:

„Arbeiter und Jugendliche werden für unser Programm im Laufe eines Politisierungsprozesses gewonnen werden, der bedingt ist durch die Klassenbeziehungen und den Klassenkampf - ein objektiver historischer Prozess außerhalb der Einflusssphäre unserer kleinen Partei oder des Willens der Genossen.“
WV, 4. Dezember 2009

Revolutionäre müssen ihre Taktik in Übereinstimmung mit vielen Faktoren ausrichten, die weitgehend außerhalb ihrer Kontrolle sind, aber der subjektive Faktor ist selbst ein wesentliches Element im „objektiven historischen Prozesses.“ Eine marxistische Organisation verbringt ihre Zeit nicht verschanzt in ihrem eigenen Hauptquartier und wartet auf die Massen, die kommen, um an die Tür zu klopfen, sondern versucht in der Welt zu intervenieren, um sie zu ändern.

Die „Perspektive“ der SL, geduldig auf den „objektiven historischen Prozesses“ zu warten, um Chancen für revolutionäre Organisierung zu schaffen, ist in einem tiefen Pessimismus und mangelndem Vertrauen in die Arbeiterklasse verwurzelt, ähnlich dem Impressionismus, der den pabloistischen Revisionismus in den 50ern hervorbrachte. Wo die pabloistischen Liquidatoren verschiedene nicht-proletarische Kräfte als „stumpfe Instrumente“ eines sich unweigerlich entfaltenden sozialistischen „historischen Prozesses“ entwarfen, zeigt sich die SL-Marke des historischen Pessimismus in der Tendenz, die Möglichkeit abzuschreiben, dass Trotzkisten erfolgreich sind, die Anhängerschaft radikalisierter Arbeiter und Jugendlicher zu gewinnen. Dass eine solche morbide Perspektive gelegentlich „opportunistische Purzelbäume“ und sozialimperialistische Offenbarungseide zur Folge hat, ist kaum verwunderlich.

Der Krebs, der die SL als eine trotzkistische Organisation zerstörte, ist bis zu einem Punkt fortgeschritten, an dem die meisten ihres Kaderkerns zu müden, verbrauchten Elementen verkommen sind, zu Zynikern und zu demoralisierten Zeitungsschreibern. Der irreversible Charakter dieses Prozesses ist klar erkennbar in der laufenden programmatischen Kodifizierung ihres Abschieds vom bolschewistisch-leninistischen Erbe, das sie einmal verteidigte. Die Kehrtwende zu Haiti kann an diesem Verlauf nicht mehr ändern als die Absage an die Verbrechen Stalins 1956 die Kommunistische Partei zu regenerieren vermochte. Der Weg zurück zum Trotzkismus für IKLer verlangt eine entschlossene Distanzierung jedes Schritts des Abstiegs einer einst lebendigen revolutionären Propagandagruppe zu einer nahezu hirntoten Pawlowschen Sekte, in der selbst die groteskesten revisionistischen Abweichungen routinemäßig einstimmig gebilligt werden.

Die SL/IKL ist heute eine Organisation mit einer Politik, die keinen Sinn mehr macht, betrieben von einer Führung, die, konfrontiert mit einer kapitalistischen Krise, die anders ist als alles seit der Großen Depression der 1930er Jahre, öffentlich verkündet, dass sie keine „Perspektive“ hat und unfähig ist, irgendwelche „organisatorischen Durchbrüche“ zu erreichen. Während die verbleibende Verbindung zu ihrer revolutionären Vergangenheit ausreicht, um gelegentlich subjektiv revolutionäre Jugendliche zu gewinnen, bedeutet die politische Unfähigkeit der IKL, diese mit einer kohärenten marxistischen Weltsicht auszustatten, dass die meisten von ihnen binnen kurzem aussteigen oder abdriften. Die Leichtigkeit, mit der die IKL die These akzeptierte, dass die US-Marines eine progressive Rolle in Haiti zu spielen hatten, ist eine gewaltige Bestätigung unserer These, dass die IKL ein zutiefst kranker Organismus ist. Die revolutionäre Flamme, die so hell in den 60er und 70er Jahren brannte, ist seit langem erloschen.

 

Notes:

 1. Das Mea Culpa (Schuldbekenntnis) der IKL erwähnt die IG, aber nicht die IBT, obwohl eine der Polemiken, auf die angespielt wird („BT zu Haiti: Atemberaubender Zynismus“ (WV, 26. Februar) eine Reaktion auf unsere Erklärung vom 9. Februar ist, die ihre Position als sozialimperialistisch verurteilte. Einige Unterstützer der Spartacist League haben uns erklärt, dies sei so, weil wir darauf aus seien, die IKL zu „zerstören“. 2003 suggerierte die SL, wir seien „Gegner des revolutionären Marxismus“, deren Methode es sei, eine „Organisation umzubringen, indem ihr der Kopf abgehackt wird“ (WV, 1. August 2003), als wir den IKL-Oberbonzen James Robertson durch die Erwähnung einer grob chauvinistischen Anspielung auf Kurden als „Scheißhaufen [Kurds as „turds“ (im Orig.)]“ in einer Rede, die 1979 in einem internen Spartacist Diskussionsbulletin abgedruckt wurde, in Verlegenheit brachten. Die ganze Affäre brachte die IKL in Aufruhr. WV veröffentlichte daraufhin eine ausnehmend lächerliche Erklärung, warum Robertsons chauvinistischer „Scherz“ etwas anderes gemeint habe als das, was es bedeutete, wie jeder (einschließlich des derzeitigen Führers der IG) wusste. Die ganze Affäre ist dokumentiert in unserer Broschüre Polemics with the ICL: Kurdistan & the Struggle for National Liberation [dt.: Polemik mit der IKL: Kurdistan und der Kampf für nationale Befreiung].

Wie wir in Whatever Happened to the Spartacist League? [Was geschah mit der Spartacist League?] bemerkten,hat sich die IG zurückgehalten, die Kontroverse zu kommentieren: „Norden, der nicht bereit war, seinen Namen unter WVs lächerliches Alibi zu setzen, sieht keinen Gewinn darin, die SL-Mitgliedschaft unnötig gegen sich aufzubringen, indem er die Wahrheit sagt.“

Die IG beklagt sich in ihrem „Offenen Brief“ vom 8. Mai, dass die IKL versucht, sie mit der IBT gleichzusetzen: „Ihr versucht dadurch, uns mit der unzutreffend benannten Internationalen Bolschewistischen Tendenz gleichzusetzen, deren Gründer austraten und in der Tat auf dem Höhepunkt des Zweiten Kalten Krieges aus der IKL flohen ….“ In der Tat wurden unsere Gründungskader in einer Reihe apolitischer Säuberungen rausgejagt, die ein Vorspiel für eine ähnliche Behandlung waren, die anderthalb Jahrzehnte später der IG zuteil wurde. Die IG bestätigte dies ungewollt, indem sie Darstellungen ihrer Säuberungen veröffentlichte, die praktisch identisch waren mit unserer Beschreibung dessen, was unseren Genossen widerfuhr. Beide Darstellungen wurden in unserem langen Schreiben vom 15. Dezember 1996 an die IG verglichen (abgedruckt in Trotskyist Bulletin Nr. 6 , S. 20-21) und auch in „IG: Ex-Robertsonites in Denial—Willful Blindness [IG: Ex-Robertsoniten verschließen die Augen — vorsätzliche Blindheit (Eig. Übers.)]1917 Nr. 20, 1998).

 2. Die Position der SL wurde ursprünglich in einer Polemik gegen die IG in einem Artikel der Ausgabe der WV vom 29. Januar vorgebracht. Ein paar Tage zuvor, am 25. Januar, beteiligten sich Genossen der IBT an einer Demonstration in der San Francisco Bay Area zu Haiti mit Plakaten, die aufriefen: „Bewaffnete Schläger von Imperialisten und UN - Raus aus Haiti!“ Am 28. Januar gaben wir in Toronto eine Erklärung ab, die feststellte: „In Haiti wird sich nichts Wesentliches ändern, bevor nicht die Imperialisten vertrieben worden sind und das Eigentum der einheimischen herrschenden Klasse durch eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung enteignet wurde.“ Im Gegensatz zu Unterstellungen, die von verschiedenen SLern geäußert wurden, als sie der Okkupation noch Rückendeckung gaben, riefen wir nicht für den Truppenabzug auf, um uns die IKL „vorzuknöpfen“ oder um gegenüber der IG unsere „amourösen Annäherungsversuche … voranzutreiben“. — Widerstand gegen imperialistische Truppen in Neokolonien ist eine „Standardposition“ für Revolutionäre.

 3. Die formalen Führungsgremien der IKL haben seit langem kaum mehr als einen Stempel für den Gründer/Führer und sein Umfeld abgegeben. Wir haben 1985 in „The Road to Jimstown“, unserer Darstellung der qualitativen Degeneration der Spartacist Tendenz vom Trotzkismus zum politischen Banditentum, festgestellt: „…der demokratische Aspekt des ‚demokratischen Zentralismus‘ in der SL verkümmerte in den 70er Jahren erheblich. Auf dem Höhepunkt der Umwandlung, in den zwei Jahren vor dem Austritt der Cunningham-Gruppierung 1972, traf sich das Politbüro (PB — Gremium, das die alltägliche politische Führung der Gruppe bilden soll) 39 Mal oder einmal in zweieinhalb Wochen. Zehn Jahre später traf es sich über einen gleichen Zeitraum im Durchschnitt nur einmal in zwei Monaten. Abgesehen vom Inhalt der Sitzungen, die an sich die Entpolitisierung des internen Lebens der SL widerspiegeln, bedeutet dies, dass die Funktion der gewählten Führung der SL einfach darin besteht, die Entscheidungen der wirklichen Führung — Robertson und wen auch immer er um ‚Rat‘ fragt — abzusegnen.“

 4. Ein Beispiel dafür ergeignete sich 1993, als die SL abrupt und unerklärlich die Umkehrung einer ursprünglich korrekten Einschätzung des Zerwürfnisses zwischen Boris Jelzin und Alexander Rutskoj als „Streit zwischen korrupten und zynischen Lagern“ von Konterrevolutionären verkündete (see 1917 No. 13, 1994).

Ein Jahr vorher, im August 1992, hatte Robertson entschieden, dass es nicht länger möglich sei, die Position aufrecht zu erhalten, dass Russland unter Jelzin ein Arbeiterstaat bleibe, aus Prestigegründen weigerte er sich jedoch zuzugeben, dass wir damit richtig lagen, dass der Sieg der Jelzinleute im August 1991 den Triumph der Konterrevolution markierte. Seit diesem Zeitpunkt behaupteten die IKL (und die IG) unbeholfen, dass der sowjetische degenerierte Arbeiterstaat unter Boris Jelzin einem allmählichen Prozess unterworfen war, der ihn „1991-1992“ in einen bürgerlichen Staat verwandelte. Für eine ausführlichere Diskussion siehe Whatever Happened to the Spartacist League?, S. 10-12.

 5. Siehe unsere Stellungnahme vom 9. Februar sowie den Bericht von der öffentlichen Veranstaltung der IKL zu Haiti in Toronto am 20. März.

 6. Der offene Brief der IG vom 8. Mai an die IKL fragt: „Was wäre, wenn kein führender Parteigenosse gesagt hätte: ‚Stopp‘. Wo wäret ihr dann?…. Warum ging dies so glatt vonstatten und blieb fast drei Monate lang eure Linie?“ Das sind gute Fragen. Die IG, die dazu tendiert hat, die Diskussion über die Beziehung zwischen dem zutiefst deformierten internen Regime der SL und ihren formalen programmatischen Abweichungen zu vermeiden, mag vielleicht darüber nachdenken, wie es angehen kann, dass so viel von der Meinung eines einzelnen „führenden Parteigenossen“ abhängt.

 7. Siehe „Maoist ‚New Democracy‘ or Permanent Revolution?—’People’s War’ in the Himalayas [Maoistische ‚Neue Demokratie‘ oder Permanente Revolution?—‚Volkskrieg‘ im Himalaya] (Eig. Übers.)“, 1917 No. 32, 2010.

 8. In „Der Kampf für revolutionäre Kontinuität in der nachsowjetischen Welt“ (Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr.24, Sommer 2004) gestand die IKL, nach 9/11 gab es: „opportunistisches Zurückweichen sowie […] bombastische Wortblasen in unserer Propaganda. Hervorstechendstes Beispiel für diesen Opportunismus war unsere einen Monat lang währende Unfähigkeit, öffentlich zu erklären, dass Marxisten einen Unterschied machen zwischen Anschlägen auf Einrichtungen wie das Pentagon — welches unmittelbar die militärische Macht des US-Imperialismus verkörpert — und willkürlichem Terror gegen unschuldige Zivilisten — wie im Falle des World Trade Centers.“ Unsere Erklärung vom 18. September 2001: „World Trade Center Bombenterror — US-imperialistische Herrschaft: Ein endloser Horror“ zog eine klare Trennlinie zwischen dem Pentagon und dem World Trade Center. Die Korrektur der SL in der Frage kam in Form einer Polemik gegen uns. siehe „Die Bolschewistische Tendenz und die Pathologie von Renegaten - Zur Attacke auf das Pentagon“ (Eig. Übers.), WV 12. Oktober 2001.

 9. Norden hat Berichten zu folge zugegeben, dass im Nachhinein die „Marines Alive [Marines lebend (Eig. Übers.)]„-Position zumindest ein taktischer Fehler war. Aber die IG zieht es vor, dem Problem aus dem Weg zu gehen, da jede ernsthafte Diskussion bald ihre Behauptung in Frage stellen würde, die SL habe eine konsequent revolutionäre Geschichte bis zum Zeitpunkt des Weggangs der IG 1996 (siehe auch „IG & Revolutionary Defeatism–‘A Blank Page’“ [IG & revolutionärer Defätismus-‚Eine leere Seite‘], 1917 Nr. 28, 2006). In ihrem „Offenen Brief“ an die IKL rät die IG: „Diejenigen, die wirklich den Ursprung der pro-imperialistischen ‚Politik des Möglichen‘ der SL zu Haiti suchen, täten gut daran, die wirkliche Bilanz ihrer Anpassungen und Kapitulationen gegenüber ‚ihrer eigenen‘ Bourgeoisie in den vergangenen Jahren zu prüfen.“ Guter Rat, wir würden nur vorschlagen, dass der Zeitrahmen in Jahrzehnten gemessen werden sollte, anstatt in Jahren.

 10. Die Antwort der SL auf uns („BT zu Haiti: Atemberaubender Zynismus“ WV, 26. Februar) zeigte sich darüber besorgt, dass die Übereinstimmung der Kritik von IG und IBT an der „unverhohlenen Rechtfertigung des Imperialismus“ Bewegung in Richtung auf eine umfassendere politische Konvergenz auslösen könnte, durch die potenziell ein formidabler Konkurrent entstehen könnte. Die politische Wahlverwandschaft zwischen der IG und IBT ist offensichtlich, aber dies gilt gleichermaßen für die Bedeutung der Hauptfrage, die zwischen uns steht, die politische Geschichte der SL vor dem Abgang der IG.

In ihrer Polemik stellt die SL fest, dass beide, IG und IBT, mehrere wichtige Initiativen des militanten Hafenarbeiters Jack Heyman unterstützten und verbindet dies mit dem mangelnden Enthusiasmus der IG, den Schauprozess und Ausschluss von Bill Logan (jetzt bei der IBT) aus der Spartacist Tendenz zu verteidigen: „Als ein Spartacist-Sprecher bei der Veranstaltung intervenierte, um Logan als widerlichen und gefährlichen Betrüger zu entlarven, versuchte Jack Heyman, der Lieblingsgewerkschaftsbürokrat von BT und IG, unseren Redner zu unterbrechen und Logan gegen „persönliche Verleumdungen“, wie er es nannte, zu verteidigen. Norden verhielt sich dabei ganz still und ergriff danach das Wort, wobei seine einzige Erwähnung Logans aus einer kurzen, ach so kameradschaftlichen Kritik an Logans Beschreibung eines australischen Gewerkschaftsboykotts bestand, der in den 1930er-Jahren gegen Roheisenlieferungen an Japan geführt wurde und den Logan als Beispiel für proletarischen Klassenkampf gegen den Krieg angeführt hatte.“ Die ehemaligen SLer, die die IG führen, spielten keine besondere Rolle beim Ausschluss Logans und widmeten dem Studium der Dokumentation vermutlich nicht viel Zeit. Wer das jetzt verfügbare Material untersucht, wird selbst entdecken, dass Logans Untaten wohlbekannt waren und zumindest implizit von Robertson und dem Rest der SL-Spitzen gebilligt wurden, bis er zur Beseitigung ins Fadenkreuz geriet, was im Wesentlichen eine innerbürokratische Säuberung war (siehe „On the Logan Show Trial“ [Über den Schauprozess gegen Logan]).

Was die Kritik der IG am Roheisen-Boykott betrifft, antworteten wir mit einer Erklärung, die feststellte, dass Genosse Logan lediglich eine Position von der Gründungskonferenz der Vierten Internationale wiederholte, die mit Trotzkis Zustimmung angenommen wurde (siehe „Polemic with the Internationalist Group- Workers’ Sanctions & the Fourth International [Arbeitersanktionen & die Vierte Internationale]“ 1917 Nr. 31, 2009). Wir warten hierzu noch auf Antwort von der IG, und vermuten, dass sie ihre Position neu bewertet hat.

 11. 1993 in der Frühjahrsausgabe von Foreign Policy schrieb der Herausgeber, Charles W. Maynes: „Die Vereinigten Staaten vergaßen in der Selbstüberschätzung der Reagan-Administration die grundlegende Natur der Friedenssicherung. Sie entsandte US-Marines in den Libanon, ohne zu verstehen, dass es für ihre Sicherheit unerlässlich war, dass die USA im libanesischen Bürgerkrieg keine Partei ergriffen. Die Reagan-Regierung beschloss, den Christen den Rücken zu stärken und fand ihre Truppen bald unter Beschuss der Muslime und schließlich, nach der verheerenden Bombardierung der Kaserne der Marines in Beirut, aus dem Libanon verjagt. „ Die New York Times schrieb Hisbollah, der libanesischen „Partei Gottes“, den Angriff zu: „In den letzten Jahren hat die islamische Gruppe ihrer Vergangenheit aus den 80ern ein neues Image als nicht im Untergrund operierende politische Kraft aufgepfropft. Damals waren Hisbollah oder Gruppen, mit denen sie eng verbunden war, berüchtigt für brutale terroristische Aktionen, einschließlich der Zerstörung der amerikanischen Botschaft in Beirut 1983 und die Tötung von 241 Amerikanern auf einem Gelände der Marines noch im selben Jahr.“
New York Times , 14. Februar 2001

 12. Während die SL diesen irrtümlichen Vorschlag standhaft zurückwies, war es eine völlig logische Anwendung der sozialpatriotischen „Marines lebend”-Position, wie wir in 1917 Nr. 13 anmerkten: „Die Situation auf dem Balkan ist heute ziemlich analog zu der im Libanon vor einem Jahrzehnt. In beiden Fällen unterstützen Marxisten keine Seite im kommunalistischen Bruderkrieg, während sie jedes Lager gegen die imperialistischen Truppen verteidigen. Als Bill Clinton mit einer militärischen Intervention gegen die Serben im letzten Frühling drohte, riet ihm ein Editorial der New York Times davon ab und richtete die Aufmerksamkeit auf die Parallele mit dem Libanon: „‚Senator Ernest F. Hollings aus South Carolina hat auch einen aufschlußreichen Aspekt vorgebracht. Die Bereitwilligkeit der Reagan-Administration, das Bekka-Tal zu bombardieren und Marines in das Chaos des Libanon zu schicken, führte zu einem katastrophalen Verlust an Leben.“
New York Times , 29. April 1993
„Jeff S. hat recht, dass es keinen Grund für Revolutionäre gibt, heute eine andere Position zu Bosnien einzunehmen als vor über einem Jahrzehnt in der Levante. Aber er versteht nicht, dass die Position der SL zu Reagans Libanon-Katastrophe eine absichtliche opportunistische Anpassung an die wahrgenommenen Erfordernisse des Augenblicks war. Die SL-Führung fürchtete, dass die Verteidigung des verheerenden Schlages gegen die amerikanischen Militärs im Libanon sie in Schwierigkeiten bei den Reagan-Leuten bringen könnte. So wiederholten sie stattdessen die Linie der Demokratischen Partei und riefen dazu auf, die Marines ‚lebend‘ rauszuholen. „Die unaufrichtige Antwort der SL-Führung auf das Schreiben dieses fehlgeschulten Genossen ist eine zynische Mischung aus Vernebelung und unverhohlener Fälschung. Mit der Behauptung, dass ein Vergleich der Konflikte in der Levante und auf dem Balkan eine ‚falsch angewandte historische Analogie‘ sei, antwortete WV: „‚Die wenigen hundert US-Marines, die geschickt wurden, um den Beiruter Flughafen zu „bewachen“, bilden kaum eine imperialistische Militärintervention in Libanons Nachbarschaftskrieg, noch waren die Kämpfe im Libanon damals in erster Linie ein Bürgerkrieg.‘
WV, 2. Juli 1993
„Hier ist alles falsch. Selbst ein „paar hundert“ US-Gendarmen, die eine Militärbasis in einem Land der Dritten Welt errichten, konstituieren eine ‚imperialistische Militärintervention‘.

 13. „Ein passendes historisches Modell“ für diese Kriecherei vor den Demokraten kann in Farrell Dobbs' Beileidsbekundung an Jacqueline Kennedy nach der Ermordung ihres Mannes im November 1963 gefunden werden. Die erste Ausgabe des Spartacist (Februar-März 1964) antwortete mit dem Abdruck von Kommentaren führender Mitglieder der damals trotzkistischen Socialist Labour League, die erklärten: „Wir trauern nicht um John F. Kennedy“ und Dobbs Brief als „kriecherisches Stiefellecken“ beschrieben, dass „jeden Grundsatz zurückweist, für den Trotzki und die bolschewistische Partei gekämpft haben.“

 14. Siehe „Challenger's ‚Major Malfunction‘— No Disaster for the Working Class, [Challengers ‚großes Versagen‘—Keine Katastrophe für die Arbeiterklasse]“ 1917 Nr. 2, 1986 . Siebzehn Jahre später, als ein ähnliches Unglück die Raumfähre Columbia (und das militärische Personal an Bord) zerstörte, brachten wir eine Erklärung heraus (8. Februar 2003), die feststellte, dass Raumfähren eine wesentliche Rolle für die Fähigkeit der USA gespielt haben, um Spionage- und Waffensysteme im Weltraum zu stationieren: „Der Verlust der Columbia, eines von nur vier Shuttles, stellt einen erheblichen Rückschlag für das US-Militär dar, weil weder Ersatz zur Verfügung steht, noch irgendwelche alternativen Systeme existieren”. Wir charakterisierten die Fehlgeburt der Columbia-Mission als einen Schlag gegen den imperialistischen Drang, den Weltraum zu militarisieren und forderten die SL und die IG auf, die Gelegenheit für eine Abkehr von ihrem früheren sozialpatriotischen Salut an die Berufssoldaten an Bord der Challenger zu ergreifen. Beide entschieden sich, die Funkstille in dieser Frage beizubehalten.

 15. Siehe „Disagreeable Sectarians [Widerliche Sektierer]“, 1917 Nr. 21, 1999

 16. Nach ein paar Jahren, in denen sie die Augen verschloss, räumte die SL schließlich ein, daß es völlig falsch war, die Demonstrationen in Seattle zu boykottieren (womit sie implizit zugab, dass unsere Kritik korrekt gewesen war). Aber die IG muss noch ihren Standpunkt ändern. Wenn die Führer der IG tatsächlich ihre Ansicht geändert haben, empfehlen wir ihnen, dem Beispiel der SL zu folgen und den Mut aufzubringen, dies öffentlich zu sagen.

 17. Die Hochwassermarke der kurzlebigen „antisektiererischen“ Wende der SL war vermutlich die Entscheidung, unsere Broschüre, The Case of Mumia Abu-Jamal [Der Fall Mumia Abu-Jamal], auf den Literaturtischen des Partisan Defense Committee, [in Deutschland] das Komitee fur soziale Verteidigung, zu verkaufen.

 18. Auch wenn die IG 1999 und 2008 die Streiks in den Häfen unterstützte, muss sie trotzdem noch den skandalösen Versuch der SL überdenken, den Anti-Apartheid-Boykott, der 1984 von Keylor geführt und von Heyman aktiv unterstützt wurde, zu ruinieren. Auf einem Forum der IBT in Toronto im September 2008 zum Anti-Krieg-Hafenstreik sagte Heyman: „Die erste wichtige Kampagne, in die ich da draußen involviert war, drehte sich 1984 um die Frage der Apartheid in Südafrika. Und von diesem Kampf lernte ich politisch viel und wie man als Revolutionär innerhalb der Gewerkschaftsbewegung funktioniert. Ich verdanke jemandem, der heute Abend anwesend ist, vieles, was ich gelernt habe, jene Lehren, und ihn möchte ich würdigen: Howard Keylor.“ Siehe „11-Day Anti-Apartheid Struggle on San Francisco Docks,“ „Local 10 Shows the Way! [11-Tage-Anti-Apartheid-Kampf im Hafen von San Francisco“, „Local 10 zeigt den Weg]!“ Und „Third Period Robertsonism at Pier 80 [Robertsonismus der Dritten Periode am Pier 80]“ in ET Bulletin Nr. 4, 1985 und „U.S. Dockers Take Historic Step—Anti-War Strike [Hafenarbeiter unternehmen einen historischen Schritt — Anti-Krieg-Streik]“ 1917 Nr. 31, 2009.

 19. In der Vergangenheit erhob die SL häufig die Forderung, Killerpolizisten ins Gefängnis zu sperren. Die IG hat es, unseres Wissens nach, bislang vermieden, die ganze Frage zu kommentieren.

 20. Workers Power und andere Gruppen haben die Bildung eines Blocks vorgeschlagen zur Initiierung von Aktionen, die auf das Auseinandertreiben faschistischer Mobilisierungen abzielen. IBT-Genossen in Britannien haben auf die verschiedenen Vorschläge reagiert, indem wir unser grundsätzliches Einverständnisses mit einem solchen Ansatz klar gemacht haben. Nach unserer Kenntnis hat die SL/B kein Interesse ausgedrückt, die Möglichkeit der Teilnahme an einer solchen Initiative zu erkunden.