Unterstützung der US-Truppen in Haiti: IKL rudert zurück

Am Samstag, 20. März, veranstaltete die Trotskyist League (der kanadische Ableger von James Robertsons Spartacist League/US) ein Forum zum Thema Haiti in Toronto, auf dem sie verkündete, dass sie die Präsenz der US-Besatzungstruppen in Haiti nicht länger unterstütze. Genosse Arthur Llewellyn streute in sein zusammenhangloses und lustloses Gefasel allgemeiner Betrachtungen zu verschiedenen Aspekten der haitianischen Geschichte und der sozialen Beziehungen Bemerkungen zu Kuba, Quebec, Afghanistan und Ost-Europa ein. Unterstützer der TL wirkten bei der Veranstaltung ein wenig gereizt und ihre Stimmung wurde nicht besser als die meisten einer Handvoll neuer Leute unter den Anwesenden während der Präsentation gingen.

Llewellyn diskutierte die Positionen verschiedener linker Gruppen zu Haiti und griff besonders die Internationalist Group (die in Toronto noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten ist) und die IBT heraus. Er ging nur beiläufig auf den zentralen Streitpunkt ein, nämlich in Workers Vanguard [WV] Nr. 951 vom 29 Januar die Denunziation jener, die den sofortigen Abzug der US-Besatzungstruppen gefordert hatten, als „zynisches Spiel mit Rhetorik, unbekümmert unbetroffen von der Tatsache, dass dies in der realen Welt, wenn die von ihnen vertretenen Grundsätzen umgesetzt würden, ein Massensterben durch Verhungern zur Folge hätte.“ Llewellyn wich der Frage aus, ob Revolutionäre zum Abzug der imperialistischen Truppen hätten aufrufen sollen, indem er das Problem einfach so darstellte, dass man die Lieferung von Hilfsgütern unterstütze oder nicht. Indem er die IG mit den Unterstützern der IBT „im Raum“ in einen Topf warf, denunzierte er uns, die ICL „der Kapitulation gegenüber dem Imperialismus“ zu bezichtigen, weil sie „nicht gegen Unterstützungsmaßnahmen für [Haiti's] verzweifelten Massen waren.“

In der anschließenden Diskussionsrunde antwortete ein Unterstützer der IBT auf das politsch feige Abtauchen der TL:

„Für den Fall, dass irgendjemand die Bedeutung dessen verpasst hat, was Arthur sagte: Die Trotskyist League unterstützte die Anwesenheit der imperialistischen Truppen in Haiti. Sie kannten all die schrecklichen Dinge, die die Imperialisten in dem Land getan haben, verdammten jedoch diejenigen von uns, die den sofortigen und bedingungslosen Abzug der US/UN/kanadischen bewaffneten Banditen forderten.
In der Verteidigung des nicht Verteidigbaren, zimmerte Workers Vanguard [29. Januar] ein Alibi für die Besetzung durch die fälschliche Behauptung, dass „[d]as US- Militär als einzige Kraft vor Ort über die Kapazität verfüge, … den Transport zu organisieren, so dass Nahrung, Wasser, Medizin und andere Versorgungsgüter die Bevölkerung Haitis erreichten. Doch selbst Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz, die historische Verbindungen zu imperialistischen Regierungen haben, beschweren sich öffentlich über die behindernde Rolle der Truppen.
Heute Abend wird uns gesagt, dass die IKL [Internationale Kommunistische Liga unter Führung der Spartacist League/US] jetzt auch „Truppen raus“ fordert, weil sich die ‚Konjunktur‘ geändert habe! Das einzige, was sich geändert hat ist, dass die erste militärische ‚Welle‘ die Situation für die Imperialisten stabilisiert hat. Nun, da Obama die Angelegenheit „sicher“ genug wähnt, um einige Truppen abzuziehen (zur Verlegung in den Irak, nach Afghanistan oder wohin auch immer) klinkt sich die IKL ein, ihren Abzug zu fordern und ihre (völlig bedeutungslose) „Opposition“ gegen imperialistische Besatzung zu verkünden.
Marxisten verstanden von Anfang an, dass das Ziel der Imperialisten nicht darin bestand, das Leid der haitianischen Massen zu lindern. Lt. Col. Gary Keim erzählte USA Today, dass die US-Marines aufgefordert wurden, ‚die Geschichte der Besetzung Haitis von 1915 bis 1934 nachzulesen‘. Heute ist die humanitäre Krise noch lange nicht vorbei, aber das militärische Ziel der „Sicherheit“ wurde erreicht. Als die Truppen eingriffen (durch Blockade des Flughafens, Umleitung von Hilfsflügen, Beschimpfung sogenannter „Plünderer“ usw.), d. h., als am meisten auf dem Spiel stand, bot die IKL den Imperialisten politische Rückendeckung.
Die Trotskyist League lehrt die Menschen, dass es grundsätzlich nicht falsch ist, imperialistische Truppen in Neokolonien zu unterstützen. Programmatischer Revisionismus kann verschiedenen Quellen entspringen: Einem ungesunden internen Regime, einem Einknicken unter dem Druck der bürgerlichen öffentlichen Meinung usw., aber er endet immer damit, dass er sich weiter und weiter vom revolutionären Marxismus entfernt, wie es eure sozialimperialistische Position zu Haiti anschaulich illustriert."

Statt auf die Frage zu antworten, ob Opposition gegen imperialistische Besatzungstruppen in Neokolonien eine prinzipielle Frage oder bloß eine taktische sei, rief die TL eine freundliche Naive auf, die sagte, dass wir uns irren müssten, da sie Artikel im Workers Vanguard bis weit zurück ins Jahr 2004 gelesen habe, die klar zum Rückzug imperialistischer Truppen aufriefen. Dies wurde von den IKLern mit Applaus bedacht, die sich bis zum Ende des Treffens weigerten, offen ihre eigene Position einzuräumen

Wir waren von diesem untypischen Verhalten überrascht. In der Vergangenheit neigten die Spartacisten jedoch dazu, entsetzt über die Position, verhärtet die Linie aggressiv zu verteidigen, die in ihrer Presse veröffentlicht wurde. Es ist schwierig, ihre Weigerung, sich in dieser Frage zu engagieren, anders zu interpretieren denn als Eingeständnis, dass sie nun erleichtert daran gehen können, ihre „konjunkturelle“ Unterstützung der imperialistischen Besatzungstruppen in Haiti unter den Teppich zu kehren.

Veröffentlicht: 22. März 2010 (en), 23. März 2010 (de)