Freiheit für Abdullah Öcalan!

Freiheit für alle AktivistInnen des kurdischen Widerstands!
Kampf dem rot"-grünen Polizei- und Abschiebeterror!

Am 15.02. endete die Flucht des PKK-Führers Abdullah Öcalan in den blutigen Händen des türkischen Geheimdienstes MIT mit den zynischen Worten: Willkommen daheim, sie sind jetzt unser Gast". Im Klartext: Der türkische Staatsfeind Nr. 1 ist Kriegsgefangener der Militärs und kann sich der Todfeindschaft seiner Gastgeber" sicher sein. Diese bemühen sich nicht einmal um den Anschein eines fairen Verfahrens". So wurde unmittelbar nach Öcalans Entführung aus Kenia dessen türkischer Anwalt inhaftiert und seinen internationalen AnwältInnen die Einreise verweigert. Zeitgleich wurden Hunderte Mitglieder der letzten legalen pro-kurdischen Partei Hadep inhaftiert. Es ist eine Aufgabe der internationalen - insbesondere der deutschen und türkischen - Linken und Arbeiterbewegung Leben und Freiheit Öcalans und aller kurdischen AktivistInnen zu verteidigen. In diesem Sinne unterstützen wir den Aufruf der PKK, Demonstrationen, Versammlungen und Besetzungen müssen mit dem Ziel entwickelt werden, das Leben des Vorsitzenden" der PKK zu sichern" (MED-TV Nachrichten 16.2.99). Eine erfolgreiche Verteidigung Öcalans und der PKK insgesamt gegen die Klassenjustiz in der Türkei und BRD erfordert insbesondere Arbeiteraktionen, welche die Herrschenden dort treffen, wo es ihnen weh tut: bei den Eigentumsverhältnissen. Alle Linken und bewußten ArbeiterInnen in Deutschland müssen den kurdischen Widerstand aktiv verteidigen. Auch für Öcalan und die zahlreichen KämpferInnen, die jetzt von Verhaftung und Abschiebung bedroht sind, gilt: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle!

Die berechtigten Proteste der KurdInnen gegen ihre türkischen Unterdrücker und deren deutsche Kollaborateure werden von einem Chor aus Regierungs- wie Oppositionspolitikern und bürgerlichen Medien für eine hemmungslose Hetzkampagne u.a. gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und für anti-demokratische Gesetzesverschärfungen benutzt. Im Handstreich werden grundlegende demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, z.B. durch ein Demonstrationsverbot für ganz Berlin nach dem Blutbad an den Kurden in der israelischen Botschaft. Laut Kanzler Schröder und Innenminister Schily dürften wir" Deutschen auf unseren" Straßen keine Austragung von Konflikten dulden, die nicht die unseren" seien und müßten auf die kurdischen Proteste mit aller Härte reagieren - einschließlich der Möglichkeit schnellerer Abschiebungen. Das ist verlogene nationalistische Propaganda und eine Drohung gegen Gesundheit und Leben der kurdischen AktivistInnen.

Mit Waffenlieferungen an die Türkei, dem Verbot der Durchfahrt für den international besetzten Musa-Anter-Friedenszug 1997 nach Diyarbakir, der Unterdrückung der regimekritischen Zeitung Kurtulus, der brutalen Durchsuchung der Räume des Anadolu-Verlags in Köln u.v.m. macht der deutsche Staat bereits seit Jahren die Konflikte in der Türkei zu den seinen und unterstützt den NATO-Partner bei dessen Unterdrückungsmaßnahmen. Die imperialistische BRD ist Teil der Konflikte und Gegner im Kampf um die Befreiung der kurdischen und türkischen Arbeiter und Bauern! Dann entsetzt aufzuschreien, wenn der Kampf auf deutschen Straßen gegen deutsche Polizisten ausgetragen wird, und plötzlich deren" und unsere" Konflikte zu unterscheiden, ist auch noch in einem anderen Sinne blanke Heuchelei: Als wenn der Staat es dulden würde, wenn innerdeutsche Klassenkämpfe ausgetragen würden. Grundsätzlich reagieren die Herrschenden auf jeden Widerstand gegen Unterdrückung mit aller gebotenen Härte" - wenn Studierende im Protest gegen Bildungsabbau 1997 die Bannmeile stürmen, dann werden sie von berittener Polizei niedergemacht; wenn Bergarbeiter aus Wut über Massenentlassungen die Autobahn besetzen, dann wird ihnen mit Strafen wegen Landfriedensbruch gedroht und bei fast jeder anti-faschistischen Demonstration gibt es zahllose Festnahmen usw., usw.. Es geht nicht um deren" (=kurdisch-türkische) und unsere" (=deutsche) Konflikte, sondern um deren (=Ausbeuter und Unterdrücker) und unsere (=Ausgebeutete und Unterdrückte) Interessen. Wer also nicht begreift, daß der Terror gegen die PKK sich auch gegen die gesamte Linke und Arbeiterbewegung in Deutschland wie der Türkei richtet, der hat nichts begriffen!

Anders als deutsche Linke haben KurdInnen allerdings nicht die gleichen Rechte und sind von Abschiebung in den türkischen Folterstaat bedroht. Diese von der deutschen Regierung und anderen Spitzenpolitikern ausgesprochene Drohung ist alles andere als leer. So erklärte allen heuchlerischen Rechtsbedenken der SPD zum Trotz ... Baden-Württembergs SPD-Innenminister" 1994 in Anbetracht vergleichbarer Kurdenproteste mit Abschiebungen bereits begonnen zu haben" (BOLSCHEWIK 5). Wir fordern deshalb: Volle Staatsbürgerrechte für alle ImmigrantInnen - sofort! Sofortiger Stop aller Abschiebungen!

Revolutionäre Politik oder imperialistische Diplomatie?

Die Internationale Bolschewistische Tendenz und ihre deutsche Sektion die Gruppe Spartakus treten für die Verteidigung des kurdischen Widerstandes und insbesondere der PKK gegen den türkischen Staat und den Imperialismus ein. Immer wieder haben wir deutlich Weg mit dem Verbot der PKK" gefordert. Gegen das empörende Vorgehen des türkischen Terrorregimes gegen Öcalan kann nur eine angemessene Losung als Grundlage möglichst breiter Aktionseinheiten und Massenmobilisierungen ausgegeben werden: Sofortige und bedingungslose Freilassung von Abdullah Öcalan! Statt dessen ruft Nizamettin Tas vom ZK der PKK die fortschrittliche Öffentlichkeit" und alle demokratisch fortschrittlichen Gruppen" dazu auf Beobachterdelegationen ... in die Türkei [zu] entsenden" (MED-TV, 16.02.1999). Von solch impotenten Mitteln werden sich die Bluthunde der Militärs und des Imperialismus sicher nicht an die Kette legen lassen, sie taugen also nicht für das Ziel, die Garantie für das Leben des Vorsitzenden Apo sicherzustellen" (ebd.) - das können nur entschlossene internationale Massenmobilisierungen von ImmigrantInnen und ArbeiterInnen.

Statt auf revolutionäre Massenmobilisierungen setzt die PKK jedoch keineswegs zum ersten mal auf imperialistische Diplomatie". An die Regierungen der EU und der USA appelliert Tas, sie müßten Druck auf den faschistischen türkischen Staat ausüben" und kurdische DemonstrantInnen verlangen, daß die deutsche Regierung sich für einen fairen" Prozeß einsetzt. Die Forderungen nach einem fairen" Prozeß für Öcalan und erst recht nach außenpolitischem Druck des deutschen/europäischen Imperialismus auf die Türkei können wir nicht unterstützen.

Denn obwohl die Türkei nicht faschistisch ist, so gilt doch auch für das vom Militär dominierte türkische Regime: Wenn die Füchse dem Hasen - egal wie formvollendet - den Prozeß machen, wird er auf jeden Fall am Ende verspeist. Öcalan erfüllt aus der Sicht der kemalistischen Gesetzgebung der Türkei alle Kriterien des Landesverrats - auch ein fairer" Prozeß würde deshalb sein Leben gefährden. Vor allem aber hat die blutige Bourgeoisie der Türkei keinerlei Recht, Öcalan den Prozeß zu machen - in welcher Form auch immer. Seit Gründung der modernen Türkei gehört es zu den Grundlagen der kemalistischen Staatsdoktrin, die Kurden zu diskriminieren und zu unterdrücken: ihre Sprache ist verboten, ihre Kultur wird geleugnet, Türkisch-Kurdistan in tiefer wirtschaftlicher Unterentwicklung und Armut gehalten. Auf den berechtigten Widerstand - sei es auch nur in Worten - gegen diese nationalistische Unterdrückung reagierte der türkische Staat immer wieder mit Zensur, Verhaftungen, Folter, Massakern und schließlich mit der Vernichtung Tausender kurdischer Dörfer. Die politische Verantwortung für die Abertausenden Toten im schmutzigen Krieg der türkischen Militärs gegen die kurdische Nation tragen weder die PKK insgesamt noch Öcalan insbesondere - sie liegt allein bei der türkischen Bourgeoisie, ihrem Staat und den imperialistischen Schutzmächten. Ihr revolutionärer Sturz ist die einzige Gerechtigkeit, die ihnen widerfahren kann und das einzige Mittel ihre Barbareien zu stoppen.

Die Appelle der PKK an die Imperialisten sind reaktionär-utopisch und der Befreiung der unterdrückten Werktätigen in Kurdistan und weltweit entgegengesetzt. Wir lehnen es ab, den imperialistischen Bock zum Gärtner zu machen. Die ökonomische und politische Unterentwicklung in Kurdistan und im Nahen Osten ist ein Produkt des imperialistischen Weltsystems. Mittels Weltmarktkonkurrenz, Kapitalanlagen und Krediten abgesichert durch militärische Stärke machen die Kapitalisten der ökonomisch entwickelten imperialistischen Staaten ihre Profite durch die Ausplünderung der unterentwickelt gehaltenen Länder.

Die Aufteilung der Kurden auf vor allem vier sie unterdrückende Staaten ist das Ergebnis des imperialistischen Abkommens von Lausanne (1923) über die Aufteilung des Nahen Ostens unter britischer und französischer Führung. Appelle an die EU, verbunden mit einem ernsthaften" Aufnahmeangebot der Türkei Menschenrechtsbedingungen" zu stellen, ist hoffnungslos utopisch: Jedenfalls ist kein Zeitpunkt absehbar, zu dem die imperialistische EU sich das Armenhaus" Türkei ans Bein binden wird. Daher sind alle sog. europäischen Menschenrechtsbedenken nur ein billiger Vorwand, um sich die Türkei vom Hals zu halten und weder darauf gerichtet noch dazu geeignet, die Lage der Kurden in der Türkei zu verbessern. Grundsätzlich würde ein Beitritt der abhängigen Türkei in die EU die Aufgabe von Souveränitätsrechten (z.B. im Agrarbereich) an die europäischen Imperialisten bedeuten - zum noch größeren Schaden der Unterdrückten und Ausgebeuteten. Der US-imperialistische Schutz" für die Kurden im Nordirak beläßt sie in Flüchtlingslagern und verhindert ihre Befreiung aus feudaler Ausbeutung und Unterdrückung. Er sichert den USA lediglich die Möglichkeit andauernder Angriffe auf den Irak und dem türkischen Militär die Chance - so wie jetzt auch - immer wieder in den Nordirak einzumarschieren, um PKK-Stellungen anzugreifen. Wir treten dagegen für das Recht aller unterdrückten Nationen auf Selbstbestimmung ein: Imperialisten raus aus dem Nahen Osten! Sofortiger Rückzug der türkischen Armee aus Kurdistan!

Die Ausreise" Öcalans aus Syrien war keineswegs das von Teilen der Kurdistan-Solidarität herbei phantasierte diplomatische Bravourstück im Dienste einer politischen Lösung" des Krieges in Kurdistan. Die ganze Fluchtodyssee Öcalans zeigte vielmehr in konzentrierter Weise, wie illusionär die diplomatischen Hoffnungen der PKK waren und sind: Kein Staat dieser Welt ist offensichtlich bereit, sich auf die Seite des kurdischen Befreiungskampfes zu stellen und auch nur Öcalan Asyl zu gewähren. Selbst Italien komplimentierte ihn hinaus und in Griechenland rollen die pro-kurdischen" Kabinettsköpfe. Am Ende ist auch Öcalan eine heiße Kartoffel", die außer seinen Häschern keine Regierung dieser Welt will. Er teilt damit das Schicksal der kurdischen Nation als Bauer auf dem Schachbrett der internationalen Diplomatie.

Die Orientierung der PKK auf den Rechtsaußen Lummer statt die Linke, an imperialistischen Mächten statt der internationalen Arbeiterbewegung ist gescheitert! Sie ist allerdings kein zufälliger politischer Fehler, sondern entspricht voll und ganz dem politischen Charakter der PKK als kleinbürgerlich-nationalistischer Guerillabewegung - und wird deshalb auch jetzt noch von ihr fortgesetzt.

Sozialismus oder Barbarei:
Permanente Revolution oder Etappentheorie?

Die PKK geht wie auch die meisten türkischen StalinistInnen und MaoistInnen davon aus, daß es in Kurdistan wegen der Rückständigkeit nur eine bürgerlich-nationale, klassenübergreifende Volks-Revolution geben könne und dürfe, deren Ziel eine kapitalistische Entwicklung mit staatlicher Hilfe ist - das ist, wenn man die wohltönenden aber nichtssagenden Phrasen beiseite läßt und sich auf den Klartext über das angestrebte Gesellschaftssystem konzentriert, das wirkliche Programm der PKK. Daraus folgt die Unterordnung der kurdischen ArbeiterInnen und Bauernschaft unter die Interessen der schwachen kurdischen Bourgeoisie und ihrer (zukünftigen) Entwicklung - gerechtfertigt mit der nationalistischen Begriffsschöpfung der patriotischen Bourgeoisie". Die schwache Bourgoisie aller unterentwickelten Länder ist aber durch unzählige ökonomische, politische und verwandtschaftliche Fäden mit dem Imperialismus und dem reaktionären Feudaladel verbunden. Es ist daher nur konsequent, wenn die PKK - verzweifelt und erfolglos - den diplomatischen Schulterschluss mit den Imperialisten sucht und sich seit einigen Jahren offen der Kollaboration mit dem patriotischen" Landadel rühmt. Keine herrschende Klasse hat sich je mit den Massen verbündet, wenn diese nicht darauf verzichten, sie anzugreifen, d.h. hier im Namen der kurdischen Nation sogar die feudale Unterdrückung hinnehmen. Auf diesem Weg kann es keine Befreiung und kein besseres Leben für die ausgebeuteten Klassen Kurdistans geben. Allerdings führt dieser reaktionäre Weg direkt zu den antisemitischen Artikeln Öcalans (unter seinen Pseudonymen Ayden Safer und A. Inanc z.B. in Özgür Ülke, 28/29.8.1994), der Öffnung zu islamistischen Tendenzen und der Unterstützung des imperialistischen Rassismus: Leider wird das entwickelte Deutschland aufgrund der Rückständigkeit unseres Volkes etwas verschmutzt. Das macht mich traurig. Deutschland hätte diese Schlechtigkeit nicht zugefügt werden dürfen. ... Deswegen macht sich erneut Rassismus breit. Berechtigterweise übrigens! Ich finde auch die Rechten sind im Recht. Ich sage offen, ich denke in diesem Punkt nicht wie ein Sozialdemokrat. Die Rechten haben recht" (Öcalan im Gespräch mit Günther Wallraff).

Während die PKK den kurdischen Befreiungskampf als im Kern isolierte nationale Aufgabe betrachtet (mit der Kurdistan-Solidarität als quasi-diplomatischer Hilfstruppe), betrachten wir als KommunistInnen die Revolution in Kurdistan als Bindeglied der proletarischen Revolution im Nahen Osten. Eine isolierte national-ökonomische Entwicklung und ein Fortschritt unter kapitalistischer Führung ist im Zeitalter des Imperialismus und des Weltmarktes mit seiner internationalen Arbeitsteilung nicht mehr möglich. Das muß der Ausgangspunkt aller revolutionären Überlegungen und Handlungen sein, der durch alle Erfahrungen belegt wird: So wurden selbst die Träume der Tigerstaaten" von der nach- und aufholenden kapitalistischen Entwicklung unter den Trümmern der letzten imperialistischen Finanzkrise brutal begraben. In Anbetracht der ökonomischen Rückständigkeit dieser Länder und des Drucks der Weltmarktkonkurrenz kann das Kapital solcher Länder sich überhaupt nur dann entwickeln, d.h. Profite machen, wenn es Mensch und Natur doppelt und dreifach ausbeutet. Deshalb endete der Tagtraum der national-demokratischen Etappe" unterhalb der proletarischen Revolution noch jedes mal im Alptraum barbarischer Unterdrückung im Interesse der aufstrebenden Nationalbourgeoisie (China 1927, Spanien 1936-39, Indonesien 1965/66, Chile 1972/73). Die KapitalistInnen wissen das. Die Aufgabe sozial kleinbürgerlicher Formationen mit einem bürgerlichen Programm wie der PKK ist es jedoch den Massen genau jenes reaktionäre, x-mal gescheiterte Etappenmodell national-kapitalistischer Entwicklung zu predigen.

Demgegenüber geht die von der Oktoberrevolution praktisch bestätigte Strategie der Permanenten Revolution davon aus, daß a) selbst die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution (demokratische Rechte, Agrarrevolution, nationale Frage) nicht von der reaktionären Bourgeoisie sondern allein durch die proletarische Revolution gestützt auf die armen Bauernmassen gelöst werden können; und b) nur eine internationale sozialistische Revolution den Weg freimachen kann für die ökonomische, politische und kulturelle Emanzipation der Massen. Die bürokratische Degeneration des ersten Arbeiterstaates der Welt unter Stalins Politik des Sozialismus in einem Lande" bewies praktisch die Unmöglichkeit des nationalen Sozialismus.

Kurdistan - Bindeglied der Revolution im Nahen Osten

Wir verteidigen uneingeschränkt das Recht der kurdischen Nation auf Selbstbestimmung, d.h. staatliche Lostrennung, ohne jedoch aktuell für seine Einlösung einzutreten.

Unter den gegenwärtigen Umständen würde sich ein unabhängiges Kurdistan in großen Schwierigkeiten befinden. ... umschlossen von seinen historischen Unterdrückern ... wäre [es] auch von rückständigen, vorkapitalistischen sozialen Strukturen bestimmt. Wegen seiner Unterentwicklung hinge ein unabhängiges Kurdistan von der Gnade sowohl der regionalen als auch der imperialistischen Mächte ab" (BOLSCHEWIK 2). Eine wirkliche Befreiung wäre so nicht möglich, dazu fehlt in Kurdistan die zentrale Voraussetzung der Revolution: ein existierendes und organisiertes Proletariat.

Kurdistan ist kein klasssischer Fall der kolonialen Revolution wie in der Vergangenheit etwa China oder Vietnam. In beiden Fällen war das Proletariat zwar klein, aber es hatte genügend ökonomische und politische Macht, um die Bauernschaft zu einem erfolgreichen Angriff sowohl gegen die imperialistischen Herren als auch gegen die einheimische Bourgeoisie führen zu können" (ebd.). Weil dort stalinistische Guerillaführer siegten, welche die revolutionäre Führungsrolle des Proletariats leugneten, entstanden nur despotische, bürokratisch deformierte Arbeiterstaaten.

Eine der Besonderheiten der kurdischen nationalen Frage besteht darin, daß diese verwoben ist mit der sozialen Frage in den Staaten mit kurdischen Minderheiten und, durch diese, mit der sozialen Frage in allen Staaten des Nahen Ostens. Der Kampf für die Freiheit der Kurden erfordert einen gemeinsamen Kampf mit den türkischen, arabischen und persischen Lohnabhängigen. Jede ernsthafte Bedrohung der kapitalistischen Herrschaft in der Türkei z.B. wirft unweigerlich die kurdische Frage auf. Andererseits könnte der Kampf um die nationale Befreiung der Kurden zum Funken werden, der die zerbrechlichen Regime der Region ins Wanken bringt" und ersetzt durch eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens, in der die Kurden über ihre eigene Zukunft entscheiden können" (ebd.). Ein solcher Kampf wäre ein wichtiger Impuls für den Klassenkampf in Deutschland/Europa mit seinen Millionen immigrierter ArbeiterInnen aus dem Nahen Osten.

Proletarischer Internationalismus
kontra
Kleinbürgerlicher Nationalismus

Demgegenüber hat der Kampf der PKK für ein unabhängiges Kurdistan, losgelöst vom Klassenkampf und ohne jeden sozialistischen Inhalt, in eine Sackgasse geführt. Eine Chance auf einen Sieg im Guerillakrieg ist mittlerweile offensichtlich in unerreichbare Ferne gerückt. Der national-bornierte Kurs der PKK ist mit der notwendigen internationalen Einheit im Klassenkampf völlig unvereinbar. Anschläge auf türkische Touristenzentren, Geschäfte und Cafes sind Anschläge gegen die internationalistische Einheit. Anders als gezielte Angriffe auf den türkischen und deutschen Staat oder Faschisten sind sie keineswegs das legitime Recht der PKK. Wenn es zu Angriffen auf Kioske, Teehäuser, Dönerbuden kommt, bloß weil sie türkisch sind, treten wir als InternationalistInnen für die Verteidigung dieser Einrichtungen und Zivilpersonen gegen blinde nationalistische Wut ein. Gleiches gilt für mögliche Anschläge die nicht direkt und gezielt den türkischen Staat und das Großkapital treffen, sondern Touristenzentren, d.h. den gleichermaßen nutz- und rücksichtslosen national-bornierten Versuch den türkischen Staat indirekt" zu treffen, indem man türkische, kurdische und westeuropäische ArbeiterInnen ermordet. Selbst wenn diese den Tourismus deutlich senken würden, so reicht es nicht, so die Profite zu senken, um die entschlossene Verteidigung imperialistischer Herrschaftsverhältnisse zu stoppen: Das können nur revolutionäre Angriffe auf die kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse. So haben die USA einst im Kampf gegen den Vietcong das ganze Weltwährungssystem von Bretton Woods zusammenbrechen lassen, um ihren schmutzigen Krieg gegen die vietnamesische Revolution zu finanzieren. Auch in Kurdistan werden die Imperialisten sich den Kampf gegen den kurdischen Widerstand zur Not was Kosten lassen und fehlende Tourismuseinnahmen der Türkei durch Militärhilfen ausgleichen. Allein die BRD hat schon jetzt Milliarden in die Türkei gepumpt.

Genauso wenig wie die bisherigen Verbrechen Öcalans und der PKK gegen die kurdische Linke würden uns Anschläge auf türkische Läden und Urlaubsorte davon abhalten, die Hauptverantwortlichen für Terror und Unterdrückung in der türkischen und den imperialistischen Regierungen zu erkennen, sowie die PKK gegen diese zu verteidigen. Aber wir lehnen die zugrunde gelegte Logik, wonach nur patriotische Kurden zählen, entschieden ab. Sie taugt zum Herstellen klassenübergreifender, reaktionärer nationaler Gemeinschaften. Sie taugt überhaupt nicht zur demokratischen und sozialen Befreiung, die allein durch die internationale Einheit im Klassenkampf, d.h. die Spaltung jeder Nation durch Klassenkampf, möglich ist. Sie ist damit ironischer- und tragischerweise selbst der Befreiung der Kurden von nationaler Unterdrückung und feudaler Ausbeutung entgegengesetzt. Wir setzen auf internationale Arbeiteraktionen gegen die deutsch/imperialistisch-türkische Kooperation.

Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür war der von Genossen der Internationalen Bolschewistischen Tendenz angeführte Longshore-Boycott" Mitte der 80er Jahre in den USA. Dieser fast zweiwöchige politische Streik von Hafenarbeitern in der Bay Area richtete sich gegen die Entladung südafrikanischer Ware. Er schadete dem Apartheidsregime in Millionenhöhe und förderte gleichzeitig den Klassenkampf und die internationalistische Einheit der Arbeiterklasse, d.h. die elementare Voraussetzung der internationalen Revolution zur Befreiung der Menschheit. Eine solche internationalistisch-revolutionäre Perspektive ist völlig realistisch: Als 1991 die türkische Regierung im Golfkrieg gegen den Irak aufmarschieren wollte, brachen in Türkisch-Kurdistan spontane Proteste aus, deren Forderungen von den Massenstreiks und -demonstrationen türkischer und kurdischer ArbeiterInnen aufgenommen wurden. Dieses politische Erwachen der türkischen Arbeiterklasse im Schulterschluß mit dem kurdischen Befreiungskampf brachte das türkische Regime in eine ernsthafte direkte Bedrohung.

In Deutschland und den anderen europäischen Staaten müssen Revolutionäre in der einheimischen Arbeiterklasse offensiv für aktive Solidarität mit den ImmigrantInnen und den Kämpfen des kurdischen Widerstands gegen nationale Unterdrückung eintreten. Andererseits müsssen sie am radikalen Potential der proletarisierten ImmigrantInnen des Nahen Ostens anknüpfen und es zum revolutionären Angriff auf die reformistischen BürokratInnen, vor allem in den Gewerkschaften, bündeln. Die Politik der PKK, immigrierte KurdInnen nicht als vaterlandslose Arbeiter sondern als kurdische Patrioten zu organisieren, steht auch hier im unversöhnlichen Widerspruch zu den Geboten des proletarischen Internationalismus.

Eine sorgfältige marxistische Analyse der kurdischen Frage läßt nur einen Schluß zu: So wichtig es ist die PKK gegen Repression zu verteidigen, so wichtig ist es auch sie scharf zu kritisieren, und daß kurdische KämpferInnen mit ihr brechen, um sich am Aufbau einer leninistisch-trotzkistischen Weltpartei auf dem Programm der permanenten Revolution mit multi-nationalen Sektionen u.a. in der Türkei und Deutschland zu beteiligen. Gleiches gilt für die zahlreichen türkischen Gruppen (mao-)stalinistischer Revisionisten des Leninismus. Es ist zugleich der beste Beitrag für die revolutionäre Befreiung der Kurden und aller Unterdrückten dieser Erde.


Version: 1999-02-24 - Aktualisiert: 2009-12-12