Perestroika: Programm zur Frauenunterdrückung

„Die Frauen haben alles, was sie wollten, erreicht und blicken zurück“ prahlte die stellvertretende Ministerin für Kultur der RSFSR, N. Schukova, in einem Interview (Monatszeitung Dez. 1989). Die Arroganz ihrer Aussage steht dabei direkt proportional entgegengesetzt zur wirklichen Situation der Frauen in der Sowjetunion. So benennt sie den hohen Anteil berufstätiger Frauen (96%), der zweifellos zeigt, welche Chancen die Freiheit vom Kapital eröffnet: ökonomische Unabhängigkeit — die notwendige Bedingung zur Befreiung der Frau. Doch im deformierten Arbeiterstaat UdSSR heißt das: trotz hoher Qualifizierung überwiegend schlecht bezahlte Tätigkeit z.B. in Textilindustrie, Schule, Kindergarten und Krankenhaus bei überproportional hohem Anteil an Schwerstarbeit (wie z.B. fast alle Landarbeiterinnen); bis zu 6 mal mehr Nachtarbeit im Vergleich zu den Männern. Dazu kommt die Verdoppelung der Belastung durch Hausarbeit und Erziehung aufgrund fehlender bzw. mangelhafter öffentlicher Einrichtungen. Diese Situation ist nicht einfach mit mangelnden ökonomischen Kapazitäten zu erklären, sondern Produkt der stalinistischen Politik der „sozialistischen Familie“, mit der die Bürokratie ihre Macht durch die Spaltung der Arbeiterklasse entlang der Geschlechter erhalten will. Schukova heute: „Die Familie ist die Kernzelle des Staates — Eltern, Kinder und Großeltern“.

Sehr deutlich wird die Frauendiskriminierung in der Frage von Geburt und Abtreibung. Im Zuge der Oktoberrevolution wurden die reaktionären Familiengesetze radikal gestrichen, eine breite Debatte über Sexualität und Frauenunterdrückung eröffnet und die Abtreibung erstmalig auf der Welt legalisiert. Unter Stalin wurde die bürgerliche Moral dann wieder zur Leitlinie und 1936 Abtreibung sowie Propaganda für Verhütungsmittel: verboten. 1968 wurde die Abtreibung wieder erlaubt, aber noch heute fehlen brauchbare Kontrazeptiva in ausreichender Anzahl. So ist jede sowjetische Frau gezwungen durchschnittlich 6-10 mal im Leben abzutreiben. Von den katastrophalen Bedingungen in den Agrarregionen ganz zu schweigen, ist die Versorgung in den Gesundheitseinrichtungen der Zentren schlecht bis lebensgefährlich.

Was Schukova mit „alles erreicht haben“ meint, macht Gorbatschow in seinem Buch „Perestroika“ klar (ganze 2 von 340 Seiten sind der Frauenfrage gewidmet): Wohl haben die Frauen noch das „Recht auf Arbeit wie die Männer“, ihn beschäftigt jedoch vor allem die Frage „... was zu tun ist, um es den Frauen zu ermöglichen, zu ihrer eigentlichen weiblichen Lebensaufgabe zurückzukehren.“ Reaktionäre Gestalten wie der Schriftsteller Anatoli Afanasjew sind da offener: „Ich bin überzeugt, daß die bloße Präsenz der Frau in der Produktion ihrem biologischen wie psychischen Wesen widerspricht“ (Sputnik Okt. 1988). Gorbatschows Versprechen für die Zukunft der Frau heißt Kinder, Küche und auch Kirche, der er zu verstärktem Einfluß verhilft. Während kapitalistische Tendenzen sich entfalten können (d. h. unter anderem Arbeitslosigkeit auch und v.a. für Frauen) wird die Konterrevolution auf der gesellschaftlichen Ebene durch die Förderung der Familie gestärkt.

Im ärmeren südlichen Teil der UdSSR droht den Frauen durch Perestroika darüberhinaus die Gefahr mittelalterlicher Verhältnisse. Der Islam, an dem sich die stalinistische Bürokratie der Region und in Moskau anpaßt, wird zum ideologischen Konsens konterrevolutionärer Kräfte, für Frauen bedeutet er Versklavung.

Gegen diese Angriffe auf die Stellung der Frau muß grundsätzlich vorgegangen, die gesamte Arbeiterklasse mobilisiert werden: Während Teile der Bürokratie mit der kapitalistischen Restauration liebäugeln gilt es jeden Angriff auf das Recht auf Arbeit zurückzuschlagen, Frauen gleichberechtigte Positionen in der Gesellschaft zu erkämpfen und für den radikalen Ausbau sozialer Einrichtungen einzutreten. Dies muß Hand in Hand gehen mit dem Kampf gegen den auch in der Arbeiterklasse verbreiteten männlichen Chauvinismus. Die Schaffung einer kommunistischen Frauenbewegung, die Seite an Seite mit den Männern für die proletarische politische Revolution streitet, ist entscheidend: Freie Bahn für die Frau in der revolutionären Partei und der Gesellschaft!