Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT) — Kapitalismus in einem deformierten Arbeiterstaat: China: In Richtung Abgrund. In: Bolschewik 14 (2005) Nr. 22., S. 24+10-23. Version: 2023-04-10. — Geladen: 2024-04-24
URL: http:// bolshevik.org/deutsch/bolschewik/ibt_bol22_2005-02.html

Kapitalismus in einem deformierten Arbeiterstaat

China: In Richtung Abgrund

Millionen von ArbeiterInnen, armen LandarbeiterInnen und anderen Opfern des Wachstums von kapitalistischen sozialen Verhältnissen in China haben enorm mobilisiert. Ihre Organisationen sind einfach und lokal beschränkt, aber die Teilnehmerzahlen und die Intensität des Widerstandes steigen. Im Frühjahr 2002 organisierten 50.000 Ölarbeiter aus Daqing und 30.000 Metallarbeiter aus Liaoyang im nordöstlichen veralteten Industriegebiet eine ganze Reihe von Demonstrationen, Straßenblockaden und Sit-ins als Protest gegen Kürzungen und Entlassungen. Obwohl diese Aktionen zur Verteidigung einzelner staatlicher Unternehmen und die Ansprüche der entlassenen ArbeiterInnen durchgeführt wurden, weist ihre Logik klar auf die Notwendigkeit einer breiten Offensive hin, die den kapitalistischen Tumor ausrottet, der die Institutionen des nationalisierten Eigentums und der zentralisierten Planung zu zerstören droht, die 1949 durch die chinesische Revolution geschaffen wurden.

Die Enteignung der chinesischen Herrschaftsklasse und ihrer imperialistischen Gönner befreite China von der Dominierung durch den Weltmarkt. Das von Mao Zedong geleitete neue Regime, führte schnell Maßnahmen ein, die sofortige und erhebliche Verbesserungen in den Lebensbedingungen, im Gesundheits- und Erziehungswesen bedeuteten. Die Kader der Chinesischen Kommunistischen Partei (KPCh) waren überzeugt davon, die Grundlagen eines neuen sozialistischen Chinas zu legen. Das bürokratische Sowjet-Modell der Kommandowirtschaft, das von der KPCh eingeführt wurde, resultierte jedoch nicht - und konnte dies auch nicht - in einer Gesellschaft, in der die Arbeiterklasse direkte politische Macht hatte. Aber genau das ist eine wesentliche Vorbedingung für echte sozialistische Entwicklung.

China ist ein "deformierter Arbeiterstaat," qualitativ vergleichbar mit Nordkorea, Vietnam und Kuba. In diesen Gesellschaften wurde der Kapitalismus entwurzelt; die politische Macht ist aber das Monopol einer privilegierten bürokratischen Kaste, organisiert durch die "Kommunistische" Partei. Der Ausschluß der Produzenten von der Entscheidungsfindung verhindert, dass eine kollektivierte Wirtschaft effizient funktioniert, besonders nachdem die rudimentären Stadien der Industrialisierung erreicht worden sind. Außerdem, wie Marx und Lenin wiederholt erklärten, ist der Sozialismus nur auf der Basis einer internationalen Arbeitsteilung und der Eroberung der Macht durch die ArbeiterInnen in den entwickelten kapitalistischen Ländern denkbar. Die Ideologie vom "Sozialismus in einem Lande", die von allen national-begrenzten stalinistischen Bürokratien adoptiert wurde, ist im Grunde ein Ausdruck ihres Wunsches, die Anpassung an den Weltimperialismus zu erreichen.

Die kranke bürokratische Kaste, die der KPCh vorsteht, hat keine notwendige soziale Funktion. Sie ist ausschließlich mit dem Versuch beschäftigt, ihre eigenen Privilegien und Vorrechte zu erhalten. Ihr Programm ist eine Mischung aus kurzsichtigen Improvisationen und politischem Stückwerk, das sich aus zwei grundlegend inkompatiblen Wirtschaftssystemen zusammensetzt: konkurrierender Kapitalismus und zentrale Planung. Während sich die Widersprüche weiter mehren, schrumpft der Spielraum der KPCh für Manöver ständig. Chinas Bourgeoisie und Proletariat sind heute beide weit stärker als im Jahre 1949, als Mao Zedongs Guerillaarmee, die hauptsächlich aus Bauern bestand, die Macht übernahm. Die KPCh-Bürokratie ist sehr viel schwächer in Bezug auf Moral, Selbstbewußtsein und soziale Autorität.

1976, kurz nach Maos Tod, übernahm Deng Xiaopings Fraktion die Macht in der KPCh. Sie versprach mehr Wachstum durch die Einführung von Elementen der marktwirtschaftlichen Konkurrenz. Von ihren Rivalen als "Wegbereiter des Kapitalismus" bezeichnet, sah Dengs Fraktion den Einsatz von kapitalistischen Methoden als Mittel, die Position der Partei im Arbeiterstaat zu stärken, anstatt sie zu liquidieren.

Bis zum heutigen Tag sind viele strategische und potentiell profitable Teile der chinesischen Wirtschaft für private Investitionen geschlossen. Jedoch spielt China eine zunehmend wichtige Rolle in der Weltwirtschaft - jährliche fremde Direktinvestition (FDI) stieg von $1 Milliarde 1983 auf $53 Milliarden im Jahre 2002. Heute liegt China an sechster Stelle im Gesamthandel (der kombinierte Wert der Exporte und Importe), obwohl ein Großteil davon betriebsinterne Aktivitäten ausländischer Firmen ausmacht, die Maschinerie und andere Ausrüstung importieren und Fertigprodukte exportieren:

"Geht man in irgendeinen Wal-Mart, wird man nicht überrascht sein, die Regale übervoll mit in China hergestellten Waren zu sehen - alles von Schuhen und Kleidung bis zu Spielwaren und Elektronik. Aber der überall vorhandene ' Made in China'-Aufkleber verwischt einen wichtigen Punkt: Nur wenige dieser Produkte werden von einheimischen chinesischen Firmen hergestellt. Tatsächlich würde es schwer sein, ein einziges einheimisches chinesisches Unternehmen zu finden, das im globalen Maßstab operiert und seine eigenen Produkte im Ausland vermarktet.

Der Grund dafür ist, dass Chinas exportgeführter Produktionsboom überwiegend die Kreation fremder Direktinvestition (FDI) ist, die effektiv als Ersatz für inländischen Unternehmergeist dient."

-Y. Huang, T. Khanna, Foreign Policy, Juli/August 2003 [Übersetzung Bolschewik]

Das dramatische Wachstum der Verbrauchsgüter im vergangenen Vierteljahrhundert, das für eine bedeutende Minderheit der chinesischen Bevölkerung einen höheren Lebensstandard bedeutet hat, verschärfte gleichzeitig die sozialen Widersprüche und hat damit die Stabilität des Regimes untergraben. Die kapitalistische Entwicklung wird verzerrt durch die Fähigkeit der KPCh, die Regeln festzusetzen und durch die staatliche Kontrolle über Energie, Schwerindustrie und Finanzen.

Den Tausenden von neuen Millionären in der Volksrepublik China liegt viel daran, die KPCh loszuwerden und alles, was von zentralisierter Planung geblieben ist. Dies kann jedoch nicht durch eine graduelle Anhäufung von KPCh "Reformen" erzielt werden. Der Übergang von einem System des kollektiven Eigentums zu einem, in dem das Privateigentum dominiert, erfordert eine soziale Konterrevolution. Die Bürokratie kann sich nicht selbst in eine neue Bourgeoisie umwandeln. Ein Teil der Kader der KPCh könnte zwar ihre Positionen verwenden, um sich individuelle Vermögen herauszuschneiden; ein sehr viel größerer Teil würde durch die kapitalistische Restauration jedoch alles verlieren.

Die Bürokratie und Korruption

Das zentralisierte Monopol der politischen Macht in einer Gesellschaft, die in zunehmendem Maße auf die Anhäufung von privatem Gewinn orientiert, ist ein Rezept für monumentale Korruption. Jedes Unternehmen im heutigen China, selbst das größte, ist abhängig von der politischen Gunst, in der es steht oder welche Begünstigungen man glaubt, dass es erhält. Nichts ist wichtiger, als politische, administrative und finanzielle Verbindungen zu haben. Das ist als Guanxi-System bekannt. Die widersprüchliche Position der Bürokratie als Vermittler zwischen Arbeitern und Kapitalisten ist in ihrer Haltung zum Guanxi ausgedrückt. Persönliche Bereicherung wird von den meisten als legitime Belohnung der Funktion angesehen, wobei Korruption als Verbrechen gilt, auf das die Todesstrafe steht. Sie wird häufig aber inkonsequent angewendet.

Das Guanxi-System hat es den Kindern der obersten politischen Führer ermöglicht, beträchtliches Wohlhaben anzusammeln. In den neunziger Jahren wurde Deng Zhifang, der jüngste Sohn des ehemaligen Präsidenten Deng Xiaoping, ein reicher Mann durch Immobilienhandel und Finanzgeschäfte, während Jiang Mianheng, ältester Sohn des ehemaligen Präsidenten Jiang Zemin, ein Vermögen als Shanghais "König der Informationstechnologie" erwarb. Deng senior war bekannt für seinen Aphorismus "reich zu werden ist glorreich", doch gibt es Grenzen und einigen "kleinen Prinzen" der KPCh wurden gelegentlich die Flügel gestutzt.

Die der Korruption für schuldig befundenen Funktionäre sind entweder bei den höhergestellten Bürokraten in Ungnade gefallen oder wurden in den Medien bloßgestellt. Die Korruption aufzudecken ist eine Standardwaffe in der innerbürokratischen Kriegsführung geworden. Das kann aber ein gefährliches Spiel sein, das manchmal für die Anschwärzer selbst im Gefängnis endet. Einige Formen der Korruption (z.B. die Teilnahme an organisiertem Verbrechen, an Landprivatisierungen, am großangelegtem Diebstahl von Staatseigentum) werden streng bestraft, während andere, geringere Vergehen routinemäßig ignoriert werden (z.B. der private Gebrauch der staatseigenen Limousinen, Auferlegung von inoffiziellen Straßenzöllen, Vergabe von Verträgen und zinsgünstigen Krediten an Freunde). Begünstigungen sind akzeptiert als Teil des Guanxi-Systems.

Einer der spektakulärsten Fälle von Korruption fand in Shenyang, Chinas viertgrößter Stadt in der nordöstlichen Provinz von Liaoning, statt. Als Enthüllungen über den Verkauf von Positionen, über Diebstahl, Schmuggel, Vertragsmanipulation und Mord im Jahre 1999 zuerst an die Oberfläche kamen, wurden sie tatkräftig unterdrückt. Zhou Wei, ein pensionierter Funktionär, der versuchte, die Korruption aufzudecken, wurde zu zwei Jahren in einem Arbeitslager verurteilt, und Jiang Weiping, ein Journalist, der einige Exposés für das Magazin Front-Line in Hongkong schrieb, kam für neun Jahre ins Gefängnis. Als die Regierung schließlich doch den Korruptionsvorwürfen nachging, kamen einige Verdächtige mit guten Beziehungen ungestraft davon, einschließlich Bo Xilai, der Gouverneur Liaonings, dessen Vater zufälligerweise einen Sitz im Politbüro der KPCh hatte.

Die amtliche Untersuchung deckte ein Netz von korrupten Polizisten, Anklägern, Richtern, Gesetzgebern, Zollbeamten, Bankern und Führungskräften aus der privaten Industrie auf, die alle in Shenyang zusammenarbeiteten. Ein höherer Funktionär, Liu Yong, ordnete die Morde an mehr als 30 Leuten an, um Immobilien freizusetzen, die er entwickeln wollte. Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Ma Xiangdong, verspielte vier Millionen Dollar aus öffentlichen Geldern in den Casinos von Macao und Las Vegas. Shenyangs Bürgermeister, Mu Suixi, versteckte Goldbarren und 150 Rolex-Uhren im Wert von sechs Millionen Dollar in den Wänden seiner zwei Landhäuser, die er unwissentlich mit nachgemachten Antiquitäten möblierte.

Korruption in einem solchen Ausmaß bedeutet eine offensichtliche Bedrohung für das Überleben des deformierten Arbeiterstaates. Die Unterschlagung großer Teile des Staatseigentums durch Bürokraten mit guten Beziehungen ist die häufigste Beschwerde der chinesischen Bürger, die Korruption als eine der Hauptursachen für den Zusammenbruch der staatlichen Einrichtungen anführen und für die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit. Ein Aufruf zur Bildung eines Netzwerks von Komitees am Arbeitsplatz, die das Staatseigentums schützen und jedwede Korruption im Keim ersticken, würde weitreichende Unterstützung haben - und eine möglicherweise revolutionäre Tragweite. Um effektiv zu sein müßten solche Formationen in den Büros und Fabriken von den Arbeitern demokratisch gewählt werden und vollkommen unabhängig vom Apparat der KPCh sein. Solche Komitees könnten einen wichtigen Schritt in der Mobilisierung des chinesischen Proletariats gegen die steigenden Fluten der Konterrevolution darstellen.

Die Volksbefreiungsarmee

Seit Jahren führt das Offizierskorps der Volksbefreiungsarmee (VBA), integraler Bestandteil der Bürokratie, seine eigenen Bauernhöfe, Textilfabriken und andere Betriebe. Die Entscheidung Deng Xiaopings, den VBA-Betrieben zu erlauben, Güter zum Verkauf an die Öffentlichkeit zu produzieren, resultierte erwartungsgemäß in weitverbreiteter Korruption und einer prokapitalistischen Einstellung innerhalb des Offizierskorps. Lenin bemerkte in "Staat und Revolution", dass der Staat, auf das wesentliche reduziert, eine bewaffnete Kraft ist, die die Interessen der einen oder anderen sozialen Klasse verteidigt, d.h. deren Eigentumsformen. Jeder Staat ist in großer Gefahr, wenn Elemente seines Militärs anfangen, einem anderen sozialen System anzuhängen. Dem offenkundigsten prokapitalistischen Flügel der KPCh, in den späten neunziger Jahren durch Premierminister Zhu Rongji repräsentiert, gefiel die wachsende Sympathie der VBA für den Markt. Aber der Mehrheit der Bürokratie gefiel es nicht, und im Juli 1998 verlangte die Regierung, dass das Militär sich seiner Geschäftsinteressen entledige. Anfang 1999 unternahm das Regime einen weiteren Schritt in diese Richtung und zentralisierte die militärische Beschaffung, wodurch viele der Beziehungen zwischen örtlichen militärischen Kommandanten und Unternehmern zerstört wurden.

Die KPCh ist eine extrem heterogene Partei mit vielen Schattierungen in den politischen Ansichten - von den ausdrücklichen Pro-Kapitalisten bis zu den orthodoxen Überbleibseln der "Marxismus-Leninismus-Mao Zedong-Gedanken" der verhängnisvollen Kulturrevolution der sechziger Jahre. Die Partei wird durch zwei Dinge zusammengehalten: erstens, die Furcht, dass in China ein gesellschaftliches Chaos ausbricht, sollte die Bürokratie ihre Kontrolle verlieren, und, zweitens, der Wunsch, ihre persönliche Sicherheit, politische Autorität und Privilegien zu erhalten. Die Führung der KPCh hat das ökonomische, soziale und politische Desaster gesehen, welches das Ergebnis der kapitalistischen Restauration im sowjetischen Block war und in der Zersplitterung der ehemaligen Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens gipfelte.

Die Bürokraten, deren Position sie nicht an die Beute heranlaesst - eine Kategorie, die jetzt auch die meisten VBA-Offiziere einschließt - haben ernsthafte Vorbehalte gegenüber der Fortsetzung des Weges zur Privatisierung und der Integration in den kapitalistischen Weltmarkt. Der linke Flügel der Bürokratie - die konservativeren Elemente, die die vorhandenen sozialen Einrichtungen beibehalten wollen - ist im zunehmend verfallenden Nordosten konzentriert und in den ärmeren und weniger entwickelten westlichen und zentralen Gebieten des Landes. Chinas aufblühender Südosten, in dem sich die kapitalistischen Aktivitäten zentrieren, ist das Heim des rechten Flügels der Bürokratie; also dem Teil, der am ehesten bereit ist, die wirtschaftliche "Reform" bis hin zur kapitalistischen Restauration zu treiben.

Die innerbürokratischen Unstimmigkeiten sind bisher innerhalb der vorhandenen Strukturen der KPCh geblieben. Eine mittlere Fraktion von "Pragmatikern" hat die prekäre Balance zwischen den Konservativen und den prokapitalistischen "Reformern" aufrechterhalten. Die Pragmatiker hoffen, dass das fortgesetzte Wachsen des Privatsektors und die weitere Integration Chinas in den Weltmarkt irgendwie die Produktivität und den Lebensstandard genug anheben, damit sich die Bürokratie durchwurschteln kann.

Bis vor kurzem war Premier Li Peng der hervorstechendste Konservative in der KPCh - analog zu Jegor Ligatschow oder Gennadi Janajew in der sowjetischen Partei vor der Konterrevolution im August 1991. Die führende Figur unter den Anhängern des Kapitalismus in der KPCh - analog zu Boris Jelzin -- war der ehemalige Premierminister Zhu Rongji. Deng Xiaopings Nachfolger, Präsident Jiang Zemin, spielte die Rolle von Michail Gorbatschow und balancierte zwischen den beiden Extremen.

Chinas Perestroika war relativ erfolgreich, zum Teil, weil sie nicht von Glasnost oder Demokratisierung begleitet wurde. Jiang hielt die KPCh zusammen, indem er die kapitalistische Entwicklung erlaubte, gleichzeitig das Staatseigentum an den wirtschaftlichen Schlüsselsektoren beibehielt und die Kontrolle der Bürokratie über die Medien, Polizei, bewaffneten Kräfte und alle Aufsichts- und Rechtsorgane eifersüchtig behütete. Jiangs Nachfolger, Hu Jintao, wurde ausgewählt, weil er ein Pragmatiker ist, mit dem Ziel, die KPCh intakt zu halten. Als zusätzliche Absicherung hat Jiang die Position des Vorsitzenden des zentralen militärischen Ausschusses behalten, genau wie Deng Xiaoping, als dieser "in den Ruhestand" ging.

Für die Arbeiterklasse und die armen Bauern ist die Verteidigung des Systems des sozialisierten Eigentums und der staatlichen Planung eine Frage von Leben und Tod. Marxisten befürworten den Sturz der KPCh durch proletarische politische Revolution, verteidigen jedoch gleichzeitig bedingungslos den chinesischen deformierten Arbeiterstaat gegen die kapitalistische Restauration und sind bereit, militärisch zusammen mit den stalinistischen Bürokraten gegen die Konterrevolution vorzugehen.

Im August 1991 erkannten viele sowjetische Arbeiter Jelzin und seine Anhänger als ihre Feinde. Die einzige Anweisung der konservativen stalinistischen Bürokraten um Janajews Notstandskomitee an die Arbeiterklasse war die, nichts zu tun. Eine kleine revolutionäre Organisation, bereit, zu intervenieren bevor die Konterrevolution in vollem Gange war, hätte möglicherweise genug prosozialistische Arbeiter sammeln können, um die Kräfteverhältnisse zu verschieben. Jelzins Sieg war nicht unvermeidlich - das Fehlen der revolutionären Führung bedingte das Resultat.

Ein chinesischer kapitalistischer Staat wird weder mit der Geschwindigkeit noch so relativ unblutig kreiert werden, wie das in Rußland zu sehen war. Millionen von arbeitenden Menschen in China wissen, dass ihre Interessen im Gegensatz zu denen der "kapitalistischen Wegbereiter" stehen und haben bereits damit begonnen, völlig unabhängig von der Bürokratie zu fungieren. Der Rhythmus der Entwicklungen in China ist viel langsamer und unebener, als dies in Rußland in den späten achtziger Jahren der Fall war. Es gibt noch eine Chance für die Entwicklung des Bewußtseins, des Programms und der Organisation, die notwendig sind, um das System des kollektivierten Eigentums zu verteidigen und die KPCh-Bürokratie zu entmachten.

Vorgebliche Trotzkisten & China

Das Programm der proletarischen politischen Revolution wurde zuerst von Leo Trotzki in den dreißiger Jahren für den bürokratisierten sowjetischen Arbeiterstaat entwickelt. Die meisten vorgeblich trotzkistischen Organisationen, die heute behaupten, Trotzkis Perspektive aufrechtzuerhalten, tun dies in der Praxis nicht. Die Spartacist League/U.S. (SL - deutsche Sektion: Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands) z. B. schwankte zu China wild hin und her. 1997 verkündete die SL düster, dass die Pläne der KPCh für den Verkauf einer Reihe von staatseigenen Industrien "die Liquidierung der restlichen geplanten, kollektivierten Wirtschaft und die Restauration des Kapitalismus in China bedeuten würden" (Workers Vanguard [WV], 3. Oktober 1997, Hervorhebung im Original). Zwei Jahre später, behauptete WV immer noch: "die Hauptkraft, die heute [in China] in Richtung kapitalistischer Restauration treibt, ist das stalinistische Regime selbst" (WV, 11. Juni 1999). Im Jahr 2000 verkündete die SL, dass Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation (WTO) effektiv das Ende des deformierten Arbeiterstaates signalisieren würde:

"Eintritt in die WTO würde die Beseitigung dessen bedeuten, was vom Staatsmonopol des Außenhandels geblieben ist, und damit die Wirtschaft noch weiter dem Druck des kapitalistischen Weltmarktes unterwerfen. Er würde folglich als Rammbock dienen, um die Entscheidung der KPCh aus dem Jahre 1997 durchzudrücken, den Hauptteil der staatseigenen Industrie zu privatisieren."

(WV, 7. April 2000)

Diese pessimistische Prognose hat sich als falsch herausgestellt. Chinas Mitgliedschaft in der WTO stellt zwar einen bedeutenden Schritt in Richtung Integration in den Weltmarkt dar und erhöht den Druck in Richtung kapitalistische Restauration, aber bis jetzt hat es keine drastische Privatisierung des staatlichen Sektors gegeben. Die Charakterisierung der chinesischen Stalinisten durch die SL als die führende Kraft für die kapitalistische Restauration erinnert an ihre Weigerung im August 1991, militärisch mit Janajews Notstandskommittee gegen Jelzins Gesindel zu stehen. Sie kritisierten unsere Position der militärischen Unterstützung der stalinistischen Putschisten, die, so behauptet die SL, "genau so auf die kapitalistische Restauration festgelegt waren wie Jelzin ("The International Bolshevik Tendency-What Is It?").

Die Führer der Internationalist Group (IG - eine Abspaltung von der SL im Jahre 1996), die die SL-Position von 1991 zum Putsch aus Gründen des persönlichen Prestiges beibehalten, kritisierten die SL dafür, dass sie eine im wesentlichen identische Herangehensweise an China vertreten. Die SL reagierte, indem sie behauptete, die IG sei stalinophil und schreibe der Bürokratie eine revolutionäre Kapazität zu. Jan Norden, führendes Mitglied der IG, wurde denunziert, "die altersschwachen ewig-gestrigen Stalinisten [in der DDR] mit einer Art instinktivem revolutionärem Appetit ausgestattet zu haben" und für die Schaffung "der Illusion, dass ein Flügel der Bürokratie Beijings selbst den Kampf gegen die kapitalistische Konterrevolution aufnehmen wird" (WV, 11. Juni 1999). Tatsächlich ist es durchaus möglich, dass Elemente des stalinistischen Apparates auf der Seite der Arbeiter gegen die kapitalistische Restauration stehen würden. Und Revolutionäre würden zweifellos versuchen, Widersprüche innerhalb der Bürokratie auszunutzen, um die Position der Arbeiter zu stärken, die für unabhängige politische Aktionen mobilisieren.

Die SL-Kritiken zur Stalinophilie sind besonders seltsam von einer Gruppe, die in den frühen achtziger Jahren als "Juri Andropow-Bataillon" marschierten und die Leonid Breschnjews Intervention in Afghanistan "hoch"-leben ließ. Die Stalinophilie der SL erreichte ihren Höhepunkt im Januar 1990, als James Robertson, der Gründer/Führer der Gruppe, ein persönliches Treffen in Ost-Berlin zu vereinbaren suchte, um drei führenden Stalinisten frei Haus seinen Rat anzubieten: dem sowjetischen General B.V. Snetkow, Markus Wolf, DDR-Spionagechef und Gregor Gysi, führendes Mitglied der Regierungspartei (siehe: "Robertsonites in Wonderland", 1917 Nr. 10).

Der Zickzackkurs der SL wird neben stalinophilen Zicks von gelegentlichen stalinophoben Zacks begleitet, wie z. B., als WV den sowjetischen Abschuß einer imperialistischen Provokation (dem KAL 007-Spionageflug im Jahre 1983) als "schlimmer als eine barbarische Grausamkeit" bezeichnete (siehe Trotskyist Bulletin Nr. 1). Die IG stellt die SL eingefroren im Zick-Modus dar. Sie hat die Annäherung an Gysi, Snetkow und Wolf nie zurückgenommen und würde vermutlich einen ähnlichen Versuch des Expertenrates für die Führung der chinesischen Bürokratie gutheißen.

Im Gegensatz zur IG ist die Herangehensweise der SL nicht eingefroren - SL-Kader sind im Grunde nicht gegenüber einem bestimmten politischen Programm loyal, sondern eher zu einem Führer, James Robertson, der die Gruppe je nach Willen zwischen unterschiedlichen politischen Positionen hin und her schieben kann. Nach mehreren Jahren der Behandlung der chinesischen Stalinisten als schlechthin kapitalistisch-restaurationistisch, hat die SL, möglicherweise durch das Ausbleiben der Verwirklichung ihrer schrecklichen Projektionen, nun stillschweigend die Position geändert und diskutiert jetzt wieder die Möglichkeit, dass ernsthafter Widerstand gegen die kapitalistische Restauration die KPCh spalten könnte.

Das Versäumnis der SL, keine Erklärung für ihre frühere stalinophobe Abweichung zu geben, hat sie nicht daran gehindert, Empörung über die skrupellosen Reformisten des Komitees für eine Arbeiterinternationale (KAI) zu äußern, die die gleiche Position annahm:

"Den 16. Kongreß der KPCh kommentierend, schrieb die britisch-zentrierte, von Peter Taaffe geführte, Tendenz: ' China ist auf dem Weg, die kapitalistische Restauration fertigzustellen, aber die regierende Clique versucht, dies stufenweise zu tun und unter Beibehaltung ihrer repressiven autoritären Herrschaft' (Socialist, 22. November 2002). Indem sie Chinas Regierung das Etikett des 'autoritären' kapitalistisch-restaurationistischen Regimes geben, können die Taaffe-Anhänger und ihresgleichen es rechtfertigen, von den Imperialisten unterstützte antikommunistische Kräfte in China zu unterstützen, im Namen der Förderung der 'Demokratie', genau wie sie 1991 Boris Jelzins 'demokratische' Konterrevolution in der UdSSR unterstützten."

WV, 21. November 2003

Die SL spricht weise: "Eine kapitalistische Konterrevolution in China (wie in Osteuropa und in der ehemaligen UdSSR) würde vom Kollaps des stalinistischen Bonapartismus und der politischen Zersplitterung der regierenden kommunistischen Partei begleitet werden." (Ebenda)

Aber im August 1991, während der tödlichen politischen Krise der sowjetischen stalinistischen Bürokratie, nahm die SL die gleiche Haltung ein, für die sie jetzt Taaffe angreifen, und behauptete, es gäbe keinen Unterschied zwischen den Notstandskomitee-"Konservativen", die die Sowjetunion erhalten wollten, und Jelzins Mob, der zurück zum Kapitalismus wollte.

Die Partei der Sozialen Gleichheit (PSG) von David North, die sich ebenfalls auf Trotzkis politisches Erbe beruft, veröffentlicht auf ihrer Web site regelmäßig Artikel über China, die geflissentlich die grundlegende Frage vermeiden, ob China ein bürgerlicher Staat oder ein deformierter Arbeiterstaat ist. Die North-Anhänger haben eine lange Vergangenheit der konsequenten Stalinophobie, nachdem sie auf der Seite Boris Jelzins, Lech Walesas und praktisch jedem anderen Konterrevolutionär im sowjetischen Block standen. Wir erwarten, dass sie sich in jedem zukünftigen Showdown ebenfalls klar auf die Seite der "demokratischen" Konterrrevolution stellen werden.

Andere angeblich revolutionäre Gruppen sind weniger verhalten. Die britische Workers Power Gruppe (in Deutschland Gruppe Arbeitermacht) z. B. behauptet, dass der chinesische deformierte Arbeiterstaat bereits einen nahtlosen (und unbemerkten) Übergang zu einem kapitalistischen Staat hinter sich hat. Ernsthafte bürgerliche Analytiker wissen das jedoch besser:

"Der größte Mythos über China in den neunziger Jahren war, dass das Land aufgehört hatte, sozialistisch zu sein. Trotz einer selbst ernannten kommunistischen Regierung, die durch ein Politbüro funktioniert, einem Zentralkomitee und einem nationalen Netzwerk von 50 Million Parteimitgliedern, wurde dieser Mythos zur allgemein anerkannten Meinung. Sie wurde in Zeitungen und Zeitschriften, ganz abgesehen von Vorstandssitzungen, auf der ganzen Welt wiederholt. Die offizielle Bekanntgabe des 'Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken', durch die amtlichen Medien täglich propagiert, wurde von der Außenwelt als chinesische Formulierung für das immer noch politisch schwierige Konzept des Kapitalismus verstanden…. In den neunziger Jahren war das Land keine freie Marktwirtschaft; es war ein grundlegend sozialistisches Land, das einige chinesische Modifizierungen machte."

The China Dream, Joe Studwell

Der chinesische Wertpapiermarkt, die Banken und die WTO-Mitgliedschaft

Der Kapitalismus hat in China gefährliche Eingriffe vorgenommen, aber er wird noch innerhalb einer sozialen/politischen Ordnung gehalten, die im Widerspruch zum freien Markt steht. Anders als in einer kapitalistischen Marktwirtschaft funktionieren weder Chinas Börsen noch Banken, um Investitionen an die Unternehmen zu lenken, die am wahrscheinlichsten scheinen, hohe Profitraten zu erzeugen. In China werden Investitionen durch den Staatsapparat kontrolliert und das entscheidende Kriterium ist nicht Gewinnmaximierung sondern das Erhalten der Stellung und die Kontrolle durch die regierende Bürokratie. Dies wird von den bürgerlichen Kommentatoren als definitiv aus der Art geschlagen angesehen:

"in den frühen neunziger Jahren, als China zweistellige Wachstumsraten registrierte, investierte Beijing massiv im Staatssektor. Die meisten Investitionen waren nicht kommerziell lohnend und hinterließen dem Banksektor eine sehr große Anzahl von nichterfüllten Darlehen - zusammen möglicherweise soviel wie 50 Prozent der Vermögenswerte der Bank."

Y. Huang, T. Khanna, Foreign Policy, Juli/August 2003

Der kapitalistische Wertpapiermarkt ermöglicht es Firmen, ihr Kapital durch den Verkauf von "Anteilen" der vorhandenen Werte und zukünftigen Profite zu erhöhen. Aktienpreise schwanken entsprechend der potentiellen Rentabilität, und jeder Investor, der eine Aktienmehrheit einer Firma kontrolliert, kann alle maßgeblichen Entscheidungen treffen.

Damit ein kapitalistischer Aktienmarkt richtig funktioniert, müssen Informationen über die Rentabilität der konkurrierenden Geldanlagemöglichkeiten weitgehend zugänglich sein. Deshalb ist die Finanzpresse, selbst unter Bedingungen der strengen Pressezensur, in kapitalistischen Ländern normalerweise mehr oder weniger frei. Die Märkte haben umfangreiche Richtlinien, die Offenlegung der Aktienmehrheit, Buchführung, Revision und Berichterstattung regeln, und theoretisch Verzerrungen ausschalten, die aufgrund des unterschiedlichen Zuganges zu den Informationen entstehen. Während die großen Spieler routinemäßig Verbote des Insider-Handels ignorieren, fallen Verletzungen in großem Ausmaß unter Sanktionen, da sie die Finanzmärkte destabilisieren können und folglich die Interessen der gesamten kapitalistischen Klasse bedrohen.

Die Aktienmärkte von Shanghai- und Shenzhen bestehen seit zwei Jahrzehnten, und heute haben 60 Millionen Chinesen Trading Accounts (Konten zum Handel mit Wertpapieren). Dennoch, anstatt Investitionen auf die rentablen Unternehmen zu konzentrieren, ist die Rolle dieser Börsen, finanzielle Unterstützung an die Unternehmen zu geben, die die Erlaubnis haben, an die Börse zu gehen - wovon die meisten staatseigene Unternehmen (SEUs) sind. Die Regierung entscheidet nicht nur, welchen Unternehmen die Erlaubnis erteilt wird, an die Börse zu gehen, sondern auch welche finanziellen Informationen verfügbar sind. Infolgedessen schwanken die Preise wild wegen manipulierter Informationen, Insider-Handel und Schwindel, wovon vieles in einem kapitalistischen Land durch die Finanzpresse aufgedeckt werden würde. Aktionäre können Geld verdienen oder verlieren, wenn die Aktienpreise steigen und fallen. Ihre Beziehung zu den Unternehmen, in die sie investieren, ist jedoch wie die der Spieler beim Pferderennen zu den Pferden, auf die sie wetten:

"In China… bleiben die Bürokraten die Torwächter; dabei kontrollieren sie streng die Kapitalverteilung und schränken die Fähigkeit der Privatunternehmen an die Börse zu gehen und den Zugang zu für Wachstum benötigtes Geld strikt ein. In der Tat hat Beijing die Geldmärkte hauptsächlich als Weg benutzt, um die SEUs über Wasser zu halten. Diese politische Linie hat enorme Verzerrungen produziert…"

(ebenda.)

Die enormen Ausmaße der Verzerrungen macht die Börse in Shanghai etwa 800 mal unbeständiger als die in New York, gemäß einem Artikel in der Sommer-Ausgabe von 1998 der Harvard China Review.

Mit dem Eintritt in die Welthandelsorganisation im Dezember 2001 erklärte sich China einverstanden, den Verkauf von importierten Gütern zu Weltmarktpreisen zu erlauben. Das verspricht, die chinesischen ländlichen Gebiete, in denen die Mehrheit der Bevölkerung lebt, und die strategischen Industrien wie Stahl zugrundezurichten. Aber trotz der schriftlichen Vereinbarung hat Beijing beträchtlichen Einfluß auf die inländische Wirtschaft behalten. Ausländische Versicherungsgesellschaften, um ein Beispiel zu nennen, die innerhalb von zwei Jahren Zugang zum chinesischen Markt hätten erhalten sollen, dürfen nicht ohne Regierungslizenz operieren, die die Behörden nach eigenem Ermessen bewilligen. Die Hälfte des Telekommunikationsmarktes Chinas hätte für ausländische Unternehmen geöffnet werden sollen, aber die Bedingungen werden von Chinas Aufsichtsamt gestellt, das im Besitz des größten Festnetzlieferanten und der beiden hauptsächlichen Mobilphonfirmen ist. Die Regeln verlangen, dass drei Viertel des Kapitals von einem inländischen chinesischen Partner aufgebracht wird (Financial Times [London], 15. März 2002).

Ausländischen Banken wird es nun - durch die Bedingungen der Vereinbarung mit der WHO - erlaubt, in China Geschäfte zu machen. Jedoch hat die chinesische Regierung vorgeschrieben, dass jede Bank nur eine neue Filiale pro Jahr eröffnen kann. Wenn man bedenkt, dass die vier großen Staatsbanken bereits die stattliche Anzahl von 130.000 Niederlassungen über das Land verteilt haben, dann wird es eine Weile dauern, bevor ausländische Banken eine effektive Konkurrenz darstellen werden. Diese vier Banken, in denen zwei Drittel aller Transaktionen vorgenommen werden, sind im alleinigen Besitz des Finanzministeriums. Die meisten anderen Banken und Kreditinstitute Chinas gehören Regierungsagenturen, und alle werden streng durch die zentralen Autoritäten kontrolliert und als Mittel zur Finanzierung neuer Investitionen benutzt. Im Gegensatz zu kapitalistischen Ländern hängen Investitionen in China von den Anforderungen der regierenden Bürokratie ab:

"Die zentrale Regierung behandelt die Banken als 'zusätzliches Budget', als einen bequemen Platz, um Kapital zu finden, mit dem die Probleme der Vergangenheit übertüncht werden. Kranke staatseigene Unternehmen zu sanieren ist nur der Anfang. Es gibt, zusätzlich, den Aufbau von High-tech-Zonen, zu stauende Flüsse, und alles, was in Chinas westlicher Region zu entwickeln ist. Die Staatsführer erwarten von den Staatsbanken, dass sie ihren Teil beitragen."

(The Coming Collapse of China, Gordon G. Chang)

Ein großer Teil der Bankdarlehen gehen an staatseigene Unternehmen, die immer noch 55 Prozent der städtischen Bevölkerung beschäftigen. Die Tatsache, dass die meisten von ihnen ihre Schulden nicht zahlen können, ist irrelevant. Im Kapitalismus würden die Banken und die SEUs, die sie mit Subventionen und zinsverbilligten Krediten am Leben halten, in den Bankrott gezwungen. Aber in der Volksrepublik China können staatseigene Unternehmen nur durch Regierungsanordnung den Bankrott erklären.

SEZs & SEUs

Eine der Schlüssel"reformen", die nach Maos Tod eingeführt wurden, war die Umwandlung kollektivierter Farmen in einzelne Bauernhöfe. Heutzutage mieten im ländlichen China Millionen Familien kleine Grundstücke vom Staat. Während einige Bauern genug Kapital akkumuliert haben, um größere Unternehmen zu starten, sind wesentlich mehr in verzweifelte Armut abgesunken. Dennoch können selbst die erfolgreichsten Bauern nicht mit der westlichen Landwirtschaft konkurrieren. Beispielsweise wurde Korn auf dem Chicagoer Rohstoffmarkt im September 2000 für 100 $ US pro Tonne gehandelt. In China wurde die selbe Menge für 175 $ US verkauft (Minneapolis Star Tribune, 1. Oktober 2000). Beinahe 20 Prozent der ländlichen Arbeitskräfte sind mittlerweile arbeitslos. Mehr als hundert Millionen ehemalige Bauern sind bereits in den Straßenhandel, Prostitution und die Kleinkriminalität der Vorstädte gezwungen worden. Das chinesische Ministerium für Landwirtschaft hat errechnet, dass gelockerte Importkontrollen, wie von der Welthandelsorganisation verlangt, mindestens weitere 20 Millionen landwirtschaftliche Arbeitsplätze kosten werden.

1980 eröffnete die Regierung vier sogenannte Special Economic Zones (Spezielle Wirtschaftszonen - SEZs) für ausländische Investitionen in Guandong in der Nähe Hong Kongs. Inzwischen existieren über 12.000 SEZs, die sich vor allem an der südöstlichen Küste konzentrieren. Sie sind im wesentlichen kapitalistische Wirtschaftskolonien in dem deformierten Arbeiterstaat, die ein Achtel des Gesamtproduktionsvolumens ausmachen und etwa die Hälfte der Exporte. Die chinesischen Kapitalisten in Hong Kong und Taiwan, die die meisten Anfangsinvestitionen tätigen, finden die SEZs äußerst profitabel. Chinas Arbeitskräfte gehören zu den billigsten der Welt: Die Löhne belaufen sich auf die Hälfte derer Mexikos und entsprechen einem Zwanzigstel derjenigen in den USA. Die Löhne werden niedrig gehalten, indem die KPCh, die die Regeln bestimmt, gnadenlos jegliche Versuche, effektive Gewerkschaften aufzubauen, unterdrückt.

Die riesigen staatseigenen Unternehmen des Nordostens, die direkt von KPCh gemanaged werden, sind der Kern der kollektivierten Wirtschaft, die mit der Revolution 1949 aufgebaut wurde. In den 80er Jahren hatten die staatseigenen Unternehmen praktisch die gesamte nicht-landwirtschaftliche Produktion Chinas inne, aber heutzutage ist ihr Anteil auf lediglich 30 Prozent gesunken. Dennoch machen sie vitale Sektoren der Wirtschaft aus (Schwerindustrie, High-Tech-Produktion, Waffenindustrie, Energie und Telekommunikation), umgerechnet 70 Prozent des gesamten fixen Kapitals und zahlen einen unproportionalen Anteil der Steuern, die den Staat finanzieren. Die staatseigenen Unternehmen, durch die der Staat den ArbeiterInnen eine "Eiserne Reisschüssel" garantiere - Arbeitsplätze, Verpflegung, ein Gesundheitssystem, Wohnungen und Rente -, bleiben wichtig für die Vormachtstellung der Bürokratie, aber ohne den Druck des Marktes oder die demokratische Kontrolle der Produzenten sinkt die Produktivität ständig, sowohl in absoluten Zahlen als auch in Relation zu ausländischen Unternehmen.

Die SEUs werden von der bürgerlichen Finanzpresse als kläglicher Rest eines niedergehenden Systems gesehen, das so bald wie möglich demontiert werden muss. Aber die Bürokratie der KPCh, selbst ein "Überbleibsel", den die Imperialisten gerne loswerden würden, sieht das anders. Seit den späten 90er Jahren hat die KPCh versucht, die staatseigenen Unternehmen zu "rationalisieren", indem sie die weniger produktiven den Bach hinuntergehen ließ, während sie andere dazu ermutigte, durch Fusionen, die Herausgabe von Aktien und dem Ausverkauf nicht profitabler Teile ihrer Unternehmen kapitalistische Unternehmen zu imitieren.

Im Mai 2003 kündigte Präsident Hu Jintao an, dass die staatseigenen Unternehmen, die zuvor von zahlreichen Ministerien und Gemeinden geführt wurden, von nun an von einer zentralen Aufsichts- und Verwaltungskommission für Staatseigentum verwaltet würden. Das Ziel ist die Errichtung einiger dutzend international wettbewerbsfähiger SEUs in den strategischen Industrien nach dem Vorbild der japanischen zaibatsu und der südkoreanischen chaebols. Während dies nicht den fundamentalen Widerspruch der bürokratischen Kontrolle über eine kollektivierte Ökonomie lösen wird, könnte es das Abschneiden der staatseigenen Unternehmen verbessern.

Die "Rationalisierung" der staatseigenen Unternehmen bedeutete die Kürzung der Leistungen für die ArbeiterInnen und RentnerInnen und ließ die Zahl der ArbeiterInnen dramatisch sinken. Seit 1998 haben die SEUs zwischen 25 und 50 Millionen Arbeitsstellen vernichtet. Dieser Frontalangriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse hat Millionen wütend gemacht. In Chinas nordöstlichem veralteten Industriegebiet, wo die Arbeitslosigkeit die Höhe von 40 Prozent erreicht, spielen die Kinder statt "Räuber und Gendarm" "Töte den Boss".

Die westliche große Entwicklung & die nationale Frage in Tibet und Xinjiang

Die KPCh hat vor wenigen Jahren das Projekt "Westliche große Entwicklung" für die Bewohner von Gansu, Guizho, Ningxia, Qinghai, Shaanxi, Zechuan, Tibet, Yunnan und Xinjiang ins Leben gerufen. Diese Gebiete, die mehr als die Hälfte der chinesischen Landfläche ausmachen und eine Bevölkerung von 300 Millionen Leuten beheimaten, beinhalten strategisch bedeutsame Grenzen, militärische Schlüsseleinrichtungen und die wichtigsten Öl- und Mineralquellen des Landes. Geographische Isolation, politische Instabilität, primitive Infrastruktur und eine wenig gebildete, verstreute Bevölkerung machen diese Regionen unattraktiv für kapitalistische Investitionen.

Das Projekt repräsentiert eine massive Expansion des staatlichen Sektors und umfaßt den Bau von Straßen, Zugstrecken, Flughäfen und eine 14 $ US Milliarden Pipeline, die Erdgas über 4.000 Kilometer von Xinjiang nach Shanghai befördert. Xinjiang, Chinas größte Provinz ist eine der ärmsten und Heimat von 8 Millionen türkisch sprechenden Uiguren, unter denen eine islamistisch-nationalistische Unzufriedenheit schwelt. Anfang 1997 wurden 500 Uiguren während anti-chinesischer Unruhen in Yining im westlichen Xinjiang verhaftet. Amnesty International berichtete, dass 30 Uiguren im April 2001 für separatistische und religiöse Aktivitäten zum Tode verurteilt wurden.

Die Regierung fördert aktiv die Zuwanderung von Han-Chinesen nach Xinjiang, das zwei Hauptexportprodukte hat: Öl und Baumwolle. Die Han unterhalten die Ölindustrie und ihre neuen, groß angelegten Baumwollfarmen verdrängen die kleinen Farmen der Uiguren vom Markt. Während die Uiguren zwar immer noch in der Überzahl gegenüber den Han sind, werden letztere die Hauptnutznießer jeglicher zukünftiger staatssubventionierter Entwicklung sein.

Die Unterdrückung der Uiguren erhält wenig Aufmerksamkeit in den westlichen Medien, möglicherweise weil 300 der gefangenen Taliban, die durch US-Streitkräfte gefasst wurden, Uiguren sind. Aber trotz Beijings untertäniger Versuche, als Amerikas Partner im "Krieg gegen den Terrorismus" mitzuwirken, weist die USA die Anerkennung von Chinas Besorgnis über die Existenz von islamischem Fundamentalismus und die Aushändigung der uigurischen Gefangenen zurück. US-Politiker erwägen wahrscheinlich gerade die Einstellung islamistischer Fanatiker in Xinjiang aus dem gleichen Grund, aus dem der CIA Osama Bin Ladens afghanische Mudjaheddin zwei Jahrzehnte zuvor geschult und ausgerüstet hat.

Im Gegensatz zu den Uiguren liegt den pro-imperialistischen "Demokraten" das Schicksal der Tibetaner näher am Herzen. Diese "Demokraten" neigen dazu, zu ignorieren, dass Tibet 1949 eine extrem rückständige, von Mönchen geplagte, feudale Gesellschaft war, in der die durchschnittliche Lebenserwartung 30 Jahre betrug. In den frühen 50er Jahren, als die KPCh erstmals an der Macht war, suchte sie die "Einheitsfront" mit den tibetanischen Theokraten und aristokratischen Parasiten und versuchte, sich bei dem verhätschelten jugendlichen Dalai Lama und seinem Gefolge einzuschmeicheln. Dieses Abkommen löste sich innerhalb weniger Jahre, und 1959 wurde eine Massenrebellion von der Volksbefreiungsarmee auf Kosten des Lebens einiger 10.000 niedergeschlagen. Der Dalai Lama floh über den Himalaya nach Indien. Beijing übernahm direkte Kontrolle und fing an, das traditionelle soziale System zu entwurzeln, indem das Land des Adels und der Klöster der Bauernschaft übergeben wurde.

Es ist verständlich, dass die tibetanische Bevölkerung, die ihre eigene Sprache, Kultur und ihr eigenes Land haben, von den Han nicht beherrscht werden wollen. Wie die Uiguren haben auch die Tibetaner das Recht auf eine eigene nationale Existenz, aber für Sozialisten muss die Verteidigung der nationalen Rechte der unterdrückten Völker der Verteidigung des deformierten Arbeiterstaates untergeordnet werden. Die internationale "Free Tibet"-Kampagne ist ein Bestandteil der imperialistischen Welle gegen China. Das ist keine neue Entwicklung: Die Mitwirkung des CIA an den Aufständen von 1959 ist seit langem klar bewiesen und ein paar Jahre später berichtete die Associated Press: "Die Adminstration des Dalai Lama hat heute bekanntgegeben, dass sie 1,7 Millionen $ US in den 60er Jahren pro Jahr von der Central Intelligence Administration erhalten hat…" (New York Times, 2. Oktober 1998). Eine jährliche Beihilfe von 180.000 $ US war "für den Dalai Lama bestimmt."

Marxisten erkennen, dass reaktionäre Ideologien und nationalistische Einstellungen in der materiellen Ungleichheit der klassengespaltenen Gesellschaft verwurzelt sind. So oft wie möglich würden wir versuchen, den Einfluss sozialer Rückständigkeit durch Erziehung und ökonomische Anreize auszulöschen anstatt durch Repression. Ein leninistisches Regime würde den Han Chauvinismus durch die Kombination von großzügigen Beihilfen für die Entwicklung mit einer wahren regionalen Autonomie für nationale Minderheiten, inklusive des Rechts, örtliche politische Institutionen zu kontrollieren, Bildung und Regierungsdienste in der bevorzugten Sprache zu erhalten und politische Meinungs- und Reisefreiheit zu haben, bekämpfen. Durch das Einverständnis, dass die Tibetaner oder Uiguren das Recht haben, ihre eigene Regierung zu kontrollieren, würde eine revolutionäre Regierung in China ihren Willen der Koexistenz mit der traditionellen herrschenden Kaste und Xinjiangs Mullahs signalisieren, sofern diese von der Bevölkerung Unterstützung erhalten.

Die imperialistische Schlinge

Die imperialistische Schlinge um das Genick Chinas ist in den letzten Jahren bedeutend enger geworden. Die Restauration Chinas als ein Feld der uneingeschränkten imperialistischen Plünderung bleibt eine strategische Priorität der Vereinigten Staaten. Eins der Ziele der kürzlichen amerikanischen neokolonialen Kriege bestand darin, seinen Einfluß über den chinesischen deformierten Arbeiterstaat zu vergrößern. China ist zunehmend abhängig von importiertem Öl und der Aufbau eines verlässlichen US-Marionettenstaats im Irak würde eine wirklich große Bedrohung für Beijing darstellen.

US-Militäranlagen in Kirgisistan und Usbekistan, die während der Eroberung Afghanistans aufgebaut wurden, haben Chinas Einfluss im ehemaligen sowjetischen Zentralasien ersetzt. Außer ihren Garnisionen in Afghanistan, Südkorea und Japan, verhandeln die USA mit Vietnam und Thailand über Marine- und Luftstützpunkte und rüsten weiterhin Taiwan auf. Die US-Politik ist derzeit darauf ausgerichtet, den ökonomischen Druck auf China auszuweiten und seine Möglichkeiten einzudämmen, seine Macht auswärts zu entfalten. Gleichzeitig visieren amerikanische Raketen permanent chinesische Anlagen an und das Risiko einer aggressiven militärischen Aktion gegen den deformierten chinesischen Arbeiterstaat unter Benutzung irgendeines Vorwands bleibt sehr real.

Falun Gong: Eine Bedrohung für die KPCh?

Die KPCh hat ihre Monopolstellung auf politische Organisation immer eifersüchtig geschützt. So beobachtet Joe Studwell in The China Dream: "Chinesische Bürger können keinen Anglerverein, keine Selbsthilfegruppe für Alkoholiker oder eine kommunale Zeitung ohne offizielle Genehmigung gründen." Jede Organisation, die Leute mit anderen außerhalb der eigenen, unmittelbaren Umgebung verbindet, wird als Bedrohung angesehen. Die chinesischen Nachrichtenmedien berichten in der Regel nicht über große Unfälle in der Industrie, Korruptionsskandale, Streiks und Demonstrationen, um zu verhindern, dadurch einen Aufschrei nationalen Ausmaßes zu provozieren.

Die Kontrolle der KPCh war aber immer mangelhaft und die Ankunft des Internets hat das Regime mit einem neuen Bündel von Problemen konfrontiert. Dem Internet wird das schnelle Anwachsen von Falun Gong, einer Art chinesischen New Age Meditations-/Übungsbewegung, die sich aus öffentlichen Qigong/Tai Chi-Sessions entwickelt hat, zugeschrieben. Die Regierung sah Qigong/Tai Chi lange Zeit als eine harmlose Quelle von Übungen und sozialer Aktivität für die (hauptsächlich älteren) Teilnehmer und ignorierte die anti-materialistischen philosophischen Untermauerungen von vielen Strömungen dieser Bewegung. Das Regime hatte sogar eine Qigong-Forschungsanstalt unter der Führung von Li Hongzhi gesponsort, in der sich Falun Gong in den frühen 90ern entwickelte. 1994 trennte sich Li von der Forschungseinrichtung und zog nach New York.

Falun Gong predigt "Wahrheit, Wohltätigkeit und Nachsicht", während sie gleichzeitig warnen, dass Menschen einer gemischten Rasse Schwierigkeiten haben werden, im Leben nach dem Tode einen vernünftigen Platz zu finden. Außerdem lehren sie, dass moderne Maschinen (wie Flugzeuge und Computer) von Außerirdischen, die als Menschen verkleidet waren, erfunden wurden. Anhängern von Falun Gong wird erzählt, dass sie durch die Ausführung von fünf Übungen ein gold-farbenes, sich drehendes "Falun" innerhalb ihrer Körper entwickeln können, mit dem sie Energie von verschiedenen Universen absorbieren können, während sie simultan dazu religiöse Erleuchtung und Gesundheit erhalten. Dieser Unsinn hat offensichtlich einen Einfluß in einer Gesellschaft, in der eine wachsende Anzahl von Menschen einer Zukunft ohne Renten oder Zugang zu medizinischer Versorgung entgegensieht. Es ist nicht überraschend, dass Falun Gong hauptsächlich unter alten Menschen beliebt ist, unter Arbeitslosen und denen, die es im "neuen" China nicht schaffen.

1999 schrieb He Zouxiu, ein theoretischer Physiker an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, nachdem lokale Führer sich über die spaltenden Auswirkungen der Falun Gong beschwert hatten, eine viel publizierte Kritik an deren Lehre. Als Antwort darauf versammelten sich 10.000 Falun Gong-Anhänger am 25. April 1999 zu einer Meditations-Session außerhalb des Zhongnanhai-Gebäude in Beijing, der Heimat der politischen Elite Chinas. Die Demonstration überraschte die Autoritäten völlig. Während die KPCh sich dazu getrieben fühlt, die lokalisierten Proteste aufgrund von unmittelbaren Bedürfnissen zu dulden, verbietet sie absolut jede organisatorische Aktivität, die sie nicht kontrolliert. In Folge der April-Demonstration wurden Falun Gong-Übungen verboten und viele ihrer Führer inhaftiert. Aber Falun Gong hat überlebt. In mindestens fünf verschiedenen Provinzen haben es Falun Gong-Unterstützer geschafft, sich in Fernsehkanäle der Regierung zu hacken, was es ihnen ermöglichte Nachrichten zu verbreiten, die von einfachen Ermahnungen, wie "Falun Gong ist gut!", bis hin zu einstündigen Programmen gehen, um für den Kult zu bekehren.

Die chinesischen Stalinisten sind politisch zu bankrott, um in der Lage zu sein, die primitiven Ansichten der Falun Gong-Sekte effektiv bekämpfen zu können. Die Führung der KPCh handelt nicht länger mit Ideen sondern nur durch Repression. Falun Gong wird zweifelsohne von den Imperialisten und mitläuferischen Konterrevolutionären unterstützt, aber im Gegensatz zur polnischen Solidarnosc, deren Führung bewußt als pro-imperialistische Agenten innerhalb des deformierten Arbeiterstaates funktionierten, hat Falun Gong kein politisches oder soziales Programm. Marxisten übernehmen keine Verantwortung für die Unterdrückung dieser Sorte von abergläubischem Nonsens durch die KPCh.

Falun Gong ist offensichtlich ein verderbliches Opiat, das von vielen verzweifelten Chinesen als Fluchtort vor den Unsicherheiten und materiellen Entbehrungen des Lebens in einem zerfallenden deformierten Arbeiterstaate genutzt wird. Es gibt jedoch weit gefährlichere pro-kapitalistische Kräfte in China, einschließlich innerhalb der Führung der KPCh selbst. Die Tatsache, dass Falun Gong in weiten Teilen der Volksbefreiungsarmee praktiziert wurde und sogar in höheren Ebenen der KPCh ist der Beweis dafür, dass die Partei, deren Kader einmal von dem "marxistisch-leninistisch-Mao Zedong-Gedanken" geleitet war, sich heutzutage nichts anderem als der Behauptung ihrer Privilegien und Vorteile hingibt.

Chinas Proletariat: Eine Geschichte des Kampfes

Die Arbeiterklasse hat in der Geschichte der Volksrepublik China wiederholt seine eigenen Organisationen entwickelt. Während der kurzen Periode der "Hundert Blumen"-Liberalisierungskampagne von 1956/57 gab es eine Reihe arbeitsplatz-basierter "Beschwerdeabhilfe-Institutionen" die außerhalb der Kontrolle des offiziellen gesamtchinesischen Gewerkschaftsbundes (ACFTU) eine Welle von Streiks leiteten. Der Höhepunkt der Bewegung wurde erreicht, als die Hälfe der Arbeitskräfte in den Docks von Guangzhou (Kanton) gegen Lohnsenkungen mobilisierte. Am Ende war die KPCh jedoch in der Lage, den Streik zu zerschlagen und viele Aktivisten der Arbeiterklasse in Arbeitslager zu schicken.

Der innerbürokratische Machtkampf Mitte der 60er Jahre, bekannt als "Kulturrevolution", hatte einen unbeabsichtigten Nebeneffekt in Form der Schaffung eines kurzen Freiraums für unabhängige Arbeiteraktionen. Es gab 1966/67 einen beachtlichen Aufwind in der Kampfkraft der Arbeiterklasse, insbesondere in Shanghai, wo Massenorganisationen von hunderttausenden von Arbeitern geschaffen wurden. Diese Formationen spielten eine Rolle in der Absetzung der Stadtadministration der KPCh und der Errichtung der kurzlebigen Shanghaier Volkskommune. Anfang Februar 1967 wurde die Kommune mit einer Demonstration, an der eine Millionen Arbeiter teilnahmen, initiiert. Ihr kurzes Leben hindurch wurde die Shanghaier Kommune effektiv durch eine Fraktion enttäuschter Kader der KPCh kontrolliert, die ihre Intention der Herrschaft anhand der Prinzipien, die von Marx in Der Bürgerkrieg in Frankreich umrissen wurden, seine klassische Studie von der 1871 existierenden Pariser Commune, proklamierten (obwohl sie seinen Hinweis, dass Führer öffentlich gewählt und unmittelbar wiederabsetzbar sein sollten, ignorierten). Nach nur drei Wochen wurde die Kommune liquidiert, auf Anordnung des großen Führers selbst. Der deplazierte Enthusiasmus der Shanghaier Arbeiter für eine "Kommune", die tatsächlich nur ein Werkzeug einer Fraktion der herrschenden KPCh war, zeigte sowohl die Instabilität der Bürokratie als auch die Impulsivität der Arbeiterklasse.

Im April 1976 flammte eine weitere Welle arbeitsplatz-basierter Aktivität als Reaktion auf die ultra-maoistische Politik der "Viererbande" auf. Deng Xiaoping wurde kurz ein zweites Mal für seine Rolle in diesen Unruhen abgesetzt aber war bald wieder zurück an der Macht. Die Arbeiter benutzten die kurzzeitige Lockerung der politischen Repression, als Dengs "kapitalistische Wegbereiter" die Macht konsolidierten, um unabhängige Gewerkschaften zu fordern und Niedriglöhne sowie eigenmächtiges Management und andere Erscheinungsformen der neuen Markt-"Reformen" anzugreifen. Eine Zeitung der Taiyuan Eisen- und Stahlfabrik schlug vor, um tatsächlich die eigenen Interessen zu verteidigen, dass Arbeiter ihre eigenen Organisationen mit wählbaren und absetzbaren Kandidaten bilden. Diese Stimmen wurden schnell zum Schweigen gebracht, aber die Ideen, die sie vortrugen, leben nach wie vor.

Anfang April 1989, als studentische Demonstranten den Tienanmen-Platz besetzten, um demokratische Reformen zu fordern, trafen bald Delegationen von ArbeiterInnen aus den Fabriken Beijings hinzu. Am Ende des Monats entwickelte sich die Autonome Beijinger Arbeiter Föderation (ABAF), die ihre Basis in den bereichen Eisenbahn, Stahl und Flugverkehr hatte. Ähnliche Formationen entstanden bald auch in anderen wichtigen Städten. Ursprünglich waren diese Organisationen darauf fixiert, Forderungen nach vom ACTFU unabhängigen Gewerkschaften zu stellen; jedoch begannen sie bald, Themen wie höhere Löhne, Lebensstandard, bürokratische Privilegien, Einkommensunterschiede und Demokratie am Arbeitsplatz anzusprechen. Arbeiterorganisationen in verschiedenen Städten begannen, sich zu vernetzen und viele sandten Repräsentanten zur ABAF, die angefangen hatte, als Leitungszentrum der Bewegung zu fungieren.

Am 18. Mai 1989 demonstrierten eine Millionen Menschen, vor allem ArbeiterInnen, in Beijing. Eine Woche später wurde das Vorbereitungskomitee für eine nationale "Arbeiter-Selbstregierungsföderation" ins Leben gerufen. Die KPCh sah dies als eine ernsthafte Bedrohung ihrer Herrschaft an. Am 2. Juni 1989 begann die ACFTU, die vorher die Forderungen der Massen nach einem Generalstreik übernommen hatte, zu fordern, dass die ABAFs verboten werden sollten. Zwei Tage später griffen loyale Armeeeinheiten des Regimes brutal die Demonstranten an und töteten Hunderte. Tausende von ArbeiterInnen, die beschuldigt wurden, an der Autonomen Arbeiterbewegung teilgenommen zu haben, wurden ins Gefängnis geworfen oder hingerichtet.

Die Autonomen Arbeiterföderationen wurden zwar durch Repression zerschlagen, lieferten jedoch der Arbeiterbewegung eine machtvolle Demonstration des Potentials für unabhängige politische Arbeiteraktion. Zwischen 1990 und 1994 wurden drei Versuche, Arbeitsrechtsorganisationen aufzubauen, zerschlagen und ihre Organisatoren ins Gefängnis geworfen. Nur die ACFTU (als Arbeiterarm der KPCh) ist legal und nur ihr ist gestattet,"vernünftige Forderungen" aufzustellen, [Markt]-"Reformen aufrechtzuerhalten" und "die normale Produktionsordnung so bald wie möglich wieder einzurichten", sollte es zu Arbeiterunruhen kommen.

Ansteigende Welle der Arbeiterkämpfe

Das Anwachsen der Proteste der Arbeiter, die durch massive Arbeitslosigkeit angeschürt wurden, hat bereits Dimensionen erreicht, die seit der Revolution von 1949 beispiellos sind. Nach Berichten, die dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit zugeschrieben werden, hat sich die duchschnittliche Anzahl von Protesten zwischen 1998 und 2002 verdoppelt. Während die meisten dieser Aktionen unmittelbare Forderungen für den Wiederaufbau von Arbeitsplätzen, vom Gesundheitssystem und von Arbeitslosenunterstützung für Arbeiter in bestimmten Unternehmen anpeilen, denunzieren die Demonstranten regelmäßig das korrupte Gebaren der Manager und der lokalen Autoritäten.

Die Größe und der Umfang der Protestmobilisierungen sind eine reale Sorge für die Autoritäten. Eine Studie des Zentralkomitees der KPCh von 2001 berichtet: "In den letzten Jahren haben einige Gegenden aufgrund schlechter Führung und aus zahlreichen anderen Gründen Erfahrungen mit einer wachsenden Zahl von Gruppenaktionen gemacht; dabei ist deren Ausmaß angestiegen und umfasst häufig eintausend oder sogar über zehntausend Teilnehmer" (New York Times, 2. Juni 2001). Der Bericht beschwerte sich: "Die Demonstranten besetzen regelmäßig Brücken oder Straßen, stürmen Partei- und Regierungsbüros, nötigen Parteikomitees und die Regierung und es gibt sogar kriminelle Akte wie Angriffe, Zerstörungen, Plünderungen und Brandstiftungen". Noch besorgniserregender war die Tatsache, dass die Teilnahme "sich von Bauern und Erwerbslosen ausdehnte zu Arbeitern, die noch Jobs haben, Privatgeschäftsleuten, entlassenen Soldaten und sogar Behördenangestellten, Lehrern und Studenten."

Einige der Aktivisten, die 1989 in den Arbeiterunruhen involviert waren, spielen eine Rolle in der derzeitigen Welle von Arbeitskämpfen. Zhang Shanguang, der sieben Jahre seines Lebens für seine Rolle in der Autonomen Arbeiterföderation im Gefängnis verbracht hat, wurde 1998 für weitere 10 Jahre inhaftiert, vorgeblich für die Übergabe von Nachrichtenmaterial an das Freie Radio Asien, einem US-Propaganda-Posten. Sein wirkliches Verbrechen bestand jedoch im Aufbau der Shupu Regionalvereinigung für Rechte der entlassenen Arbeiter, die die Bauernproteste gegen willkürliche Besteuerung unterstützte. Yue Tianxiang, ein erfahrener Arbeiteraktivist, der 1983 die Shaoyang Gegenseitige Hilfsorganisation für städtische Arbeiter initiierte, und 1989 für die Leitung der Shaoyang Autonomen Arbeitergewerkschaft inhaftiert worden war, wurde 1999 zu weiteren zehn Jahren Haft für seine Rolle bei der Veröffentlichung des China Workers Monitor in der Provinz Gansu verurteilt . 1999 wurde Xue Jifeng in eine Klinik für psychisch Kranke gesperrt, weil er eine unabhängige Gewerkschaft in der Provinz Henan organisiert hatte. Am 30. April berichtete Amnesty International wie Cao Maobing, ein Arbeiter einer Seidenfabrik in der Provinz Jiangsu, in eine psychiatrische Klinik gesperrt wurde, wo er unter Zwang einer Drogen- und Elektroschock-"Therapie" unterzogen wurde nachdem er versucht hatte, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen und Korruption im Management aufzudecken.

Verschiedene imperialistische Agenturen, einschließlich des aus Hong Kong stammenden China Labour Bulletins, (das mit dem Radio Freies Asien in Verbindung steht) und die pro-kapitalistische Demokratische Partei Chinas, unterstützen heuchlerisch die Kämpfe des chinesischen Proletariats als ein Mittel, die KPCh zu unterminieren. Während die meisten Arbeiteraktivisten sich der negativen Effekte der kapitalistischen Markt"reform" bewusst sind, haben viele Illusionen in die süß klingenden Versprechen der "demokratischen" Agenten des Imperialismus. Führer der örtlichen Kämpfe, die durch stalinistische Repression gelitten haben und keine andere Alternative sehen, als sich mit den pro-kapitalistischen "Reformern" zu verbünden, können schnell als Agenten der kapitalistischen Reaktion enden.

Für politische Arbeiterrevolution!

Der Triumph der Konterrevolution im Sowjetblock brachte die größte Niederlage, die die internationale Arbeiterbewegung jemals erlitten hat. Heutzutage stellt sich klar die Frage, ob der chinesische deformierte Arbeiterstaat ein ähnliches Schicksal ereilen wird. Die Zunahme sozialer Spannungen entlang von ethnischen, regionalen und - noch wichtiger - Klassenlinien machen den Status Quo unhaltbar. Im Gegensatz zu den sowjetischen Arbeitern während der Perestroika-Periode in den 80er Jahren sind sich die chinesischen Arbeiter bewusst, dass das Anwachsen der kapitalistischen Marktbeziehungen droht, ihr Leben zu zerstören. Während die plebejische Unzufriedenheit wächst, leidet auch die zunehmend machtvolle Bourgeoisie unter den Restriktionen der kapitalistischen Entwicklung, die die stalinistische Bürokratie errichtet hat. Die Imperialisten und ihre Ideologen freuen sich darauf, die demoralisierte KPCh zu stürzen und China in eine "normale" kapitalistische Neo-Kolonie zu transformieren, die offen für die verheerende Wirkung der "Globalisierung" und der allumgreifenden Privatisierung der Produktionsmittel wäre. Die einzige Alternative ist eine politische proletarische Revolution um die korrupte KPCh abzusetzen, alles Privateigentum zu enteigenen und Institutionen einer wahrhaften arbeiterdemokratischen Herrschaft zu errichten.

Eine revolutionäre Organisation mit ihren Wurzeln im militanten chinesischen Proletariat könnte schnell die Loyalität von mehreren hundert Million Arbeitern gewinnen, die bereits das Anwachsen des Kapitalismus als tödliche Gefahr sehen. Die chinesische Arbeiterklasse hat wiederholt bewiesen, dass sie sowohl über die soziale Kraft als auch den Willen verfügt, sich gegen eine neue kapitalistische Gesellschaftsordnung aufzulehnen. Dieser Faktor ist von kritischer Bedeutung. Im heutigen China ist die zentrale Aufgabe, den Kern einer neuen, revolutionären Arbeiterpartei - einer trotzkistischen Partei - zu schaffen. Diese Partei ist mit einem internationalistischen Programm des entschlossenen Kampfes gegen die Raubzüge des Imperialismus bewaffnet und verschreibt sich der unbedingten Verteidigung und der Ausweitung der Errungenschaften der chinesischen Revolution. Eine politische Revolution der chinesischen Arbeiter würde einen weit größeren Schlag gegen die weltweite imperialistische Ordnung bedeuten, als der ursprüngliche "Verlust" Chinas 1949. Sie könnte eine revolutionäre Welle über Japan, Korea und dem Rest Asiens auslösen und radikal die globale soziale und politische Realität verändern, indem sie den Weg zu einer sozialistischen Zukunft für die gesamte Menschheit öffnet.

Übersetzung aus 1917, Nr. 26, 2004