Ein Brief an die Trotzkisten in aller Welt

Offener Brief von der 25. Jahresvollversammlung des Nationalkomitees der Socialist Workers Party

Erschienen am 16.11.1953 in der Zeitung der SWP, The Militant

An alle Trotzkisten:

Liebe Genossen,

Zum 25. Jahrestag der Gründung der trotzkistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten sendet das Plenum des Nationalen Komitees der Socialist Workers Party seine revolutionären Grüße an die orthodoxen Trotzkisten in aller Welt.

Obwohl die Socialist Workers Party aufgrund undemokratischer Gesetze, erlassen von Demokraten und Republikanern, nicht mehr der Vierten Internationale angeschlossen ist - der Weltpartei der sozialistischen Revolution, die von Leo Trotzki gegründet wurde, um das Programm fortzuführen und zu vollenden, das von der Zweiten Internationale der Sozialdemokraten und von der Dritten Internationale der Stalinisten verraten wurde -, so nehmen wir doch Anteil am Wohlergehen der weltweiten Organisation, die unter der Anleitung unseres ermordeten Führers geschaffen wurde.

Wie allgemein bekannt ist, brachten vor 25 Jahren die bahnbrechenden amerikanischen Trotzkisten Trotzkis Programm, das vom Kreml unterdrückt wurde, an die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung der Welt. Diese Tat erwies sich als entscheidend beim Durchbrechen der Isolierung, die die stalinistische Bürokratie Trotzki auferlegt hatte, und bei der Gründung der Vierten Internationale. Mit seiner Verbannung kurz danach begann Trotzki eine enge und vertraute Zusammenarbeit mit der Führung der SWP, die bis zu seinem Tode andauerte.

Diese Zusammenarbeit beinhaltete gemeinsame Anstrengungen, um in einer Reihe von Ländern revolutionär-sozialistische Parteien zu organisieren. Dies gipfelte, wie Ihr wisst, in der Gründung der Vierten Internationale im Jahre 1938. Das Übergangsprogramm, das der Grundstein des heutigen Programms der trotzkistischen Weltbewegung bleibt, wurde von Trotzki in enger Zusammenarbeit mit den Führern der SWP geschrieben, und wurde von diesen auf seine Bitte hin dem Gründungskongress zur Annahme vorgelegt.

Die Vertrautheit und Gediegenheit der Zusammenarbeit zwischen Trotzki und der Führung der SWP kann anhand des Berichts über den Kampf zur Verteidigung der orthodox-trotzkistischen Prinzipien im Jahre 1939/40 gegen die kleinbürgerliche, von Burnham und Schachtman angeführte Opposition beurteilt werden. Dieser Bericht hat während der vergangenen 13 Jahre bei der Gestaltung der Vierten Internationale einen tiefen Einfluss gehabt.

Nach der Ermordung Trotzkis durch einen Agenten von Stalins Geheimpolizei übernahm die SWP die Führung in der Verteidigung und Vertretung seiner Lehren. Wir übernahmen die Führung nicht aus eigenem Entschluss, sondern weil es notwendig war - der 2. Weltkrieg zwang die orthodoxen Trotzkisten, besonders in Europa unter den Nazis, in den Untergrund. Zusammen mit Trotzkisten in Lateinamerika, Kanada. England, Ceylon, Indien. Australien und anderen Ländern taten wir, was wir konnten, um das Banner des orthodoxen Trotzkismus während der schwierigen Kriegsjahre aufrecht zu halten.

Mit Kriegsende wurden wir durch das Auftauchen europäischer Trotzkisten aus dem Untergrund erfreut, die die organisatorische Wiedererrichtung der Vierten Internationale übernahmen. Seitdem wir durch reaktionäre Gesetze an der Zugehörigkeit zur Vierten Internationale gehindert wurden, setzten wir alle größeren Hoffnungen in das Entstehen einer Führung, die fähig wäre, die von Trotzki unserer Weltbewegung vermachte große Tradition fortzuführen. Wir fühlten, dass der jungen und neuen Führung der Vierten Internationale in Europa volles Vertrauen und volle Unterstützung gegeben werden musste. Als Eigenkorrekturen ernsthafter Fehler aufgrund der Eigeninitiative dieser Genossen vorgenommen wurden, fühlten wir, dass sich unser Kurs als gerechtfertigt erwies.

Heute müssen wir jedoch zugeben, dass der Verzicht auf scharfe Kritik, die wir zusammen mit anderen dieser Führung gewährten, dazu beitrug, den Weg zur Konsolidierung einer unkontrollierten, geheimen, persönlichen Fraktion in der Leitung der Vierten Internationale zu öffnen, die das grundlegende Programm des Trotzkismus aufgab.

Diese Fraktion, die sich um Pablo gruppiert, arbeitet nun bewusst und vorsätzlich daran, die historisch entstandenen Kader in den verschiedenen Ländern zu zerstören, zu spalten und, auseinander zu brechen und die Vierte Internationale zu liquidieren.

Das Programm des Trotzkismus

Um zu zeigen, was dieses Programm beinhaltet, wollen wir noch einmal die grundlegenden Prinzipien darlegen, auf denen die trotzkistische Weltbewegung aufgebaut ist:

1) Der Todeskampf des kapitalistischen Systems bedroht die menschliche Gesellschaft mit immer schlimmeren Krisen, Weltkriegen und barbarischen Erscheinungen wie dem Faschismus. Die gegenwärtige Entwicklung von Atomwaffen unterstreicht diese Gefahr auf die schärfste nur mögliche Art und Weise.

2) Das Versinken in diesem Abgrund kann nur vermieden werden, indem man den Kapitalismus durch eine sozialistische Planwirtschaft im Weltmaßstab ersetzt, um so wieder die fortschrittliche Entwicklung aufzunehmen, die der Kapitalismus in seiner Frühzeit eingeleitet hatte.

3) Dies kann nur unter der Führung der Arbeiterklasse als einzig revolutionärer Klasse der Gesellschaft durchgeführt werden. Aber die Arbeiterklasse steht einer Führungskrise gegenüber, obwohl das Verhältnis der sozialen Kräfte im Weltmaßstab für die Arbeiterklasse noch nie so günstig war wie heute, um den Weg zur Macht zu beschreiten.

4) Um dieses weit-historische Ziel zu erreichen, muss sich die Arbeiterklasse selbst organisieren: dafür muss sie in jedem Land eine revolutionär-sozialistische Partei schaffen, nach dem von Lenin entwickelten Vorbild; das heißt eine Kampfpartei, die fähig ist, Demokratie und Zentralismus dialektisch zu verbinden - Demokratie beim Fällen von Entscheidungen, Zentralismus bei deren Durchführung; eine von der Basis kontrollierte Führung; eine Basis, die in der Lage ist, auch im Gefecht diszipliniert vorwärts zu gehen.

5) Das Haupthindernis dafür ist der Stalinismus, der die Arbeiter dadurch anzieht, indem er das Prestige der Oktoberrevolution von 1917 ausnutzt, nur um sie dann später indem er ihr Vertrauen missbraucht - in die Arme der Sozialdemokratie, in die Apathie oder in kapitalistische Illusionen zurückzustoßen. Die Strafe für diese Betrügereien wird von der Arbeiterklasse in Form der Festigung faschistischer oder monarchistischer Kräfte und neuer, vom Kapitalismus genährter und vorbereiteter Kriegsausbrüche bezahlt. Von ihrer Grün-dung an stellte sich die Vierte Internationale als eine ihrer Hauptaufgaben den revolutionären Sturz des Stalinismus in- und außerhalb der UdSSR

6) Die Notwendigkeit flexibler Taktiken, mit der sich viele Sektionen der Vierten Internationale und Parteien oder Gruppen, die mit ihr sympathisieren, konfrontiert sehen, machen es umso mehr zu ihrer Pflicht, zu wissen, wie man gegen den Imperialismus und all seine kleinbürgerlichen Agenturen (wie nationalistische Kräfte oder Gewerkschaftsbürokratien) kämpft, ohne vor dem Stalinismus zu kapitulieren; und - umgekehrt - zu wissen wie man gegen den Stalinismus (der letzten Endes eine kleinbürgerliche Agentur des Imperialismus ist) kämpft, ohne vor dem Imperialismus zu kapitulieren.

Diese grundlegenden Prinzipien - von Leo Trotzki aufgestellt - behalten auch ihre volle Gültigkeit in der zunehmend komplexeren und sich in ständiger Bewegung befindlichen Politik der heutigen Welt. In der Tat haben die revolutionären Situationen sich überall eröffnet, wie Trotzki voraussah, haben gerade jetzt volle Konkretheit zu dem gebracht, was einst als entfernte Abstraktion erschien, die nichts mit der lebendigen Realität der Zeit zu tun habe. Die Wahrheit ist, dass sich diese Prinzipien nun mit zunehmender Stärke behaupten - sowohl in der politischen Analyse, als auch bei der Kursbestimmung der praktischen Arbeit.

Pablos Revisionismus

Diese Prinzipien sind von Pablo aufgegeben worden. Anstatt die Gefahr einer neuen Barbarei nachdrücklich zu betonen, sieht er die Entwicklung zum Sozialismus als unwiderruflich an; er glaubt jedoch nicht, dass der Sozialismus in unserer oder einer der nächsten Generationen erreicht werden kann. Stattdessen hat er das Konzept einer alles verschlingenden" Welle von Revolutionen entwickelt, die die Schaffung von nichts als deformierten", d.h. stalinistischen Arbeiterstaaten ermöglicht, welche für Jahrhunderte" bestehen sollen.

Dies offenbart den äußersten Pessimismus über die Fähigkeiten der Arbeiterklasse, der voll zusammenpasst mit dem Lächerlichen, das er kürzlich über den Kampf für den Aufbau unabhängiger revolutionär-sozialistischer Parteien äußerte. Anstatt sich an den Hauptkurs zu halten, unabhängige revolutionär-sozialistische Parteien mit allen taktischen Mitteln aufzubauen, schaut er auf die stalinistische Bürokratie oder auf einen ihrer entscheidenden Teile, um sie so unter dem Druck der Massen so zu verändern, dass sie Ideen und Programm" des Trotzkismus annimmt. Unter dieser Maske der Diplomatie die für taktische Manöver erforderlich ist, um sich an die im Lager des Stalinismus befindlichen Arbeiter in solchen Ländern wie Frankreich anzunähern - verdeckt er jetzt die Verrätereien des Stalinismus.

Dieser Kurs hat bereits zu ernsthaften Abfallen aus den Reihen des Trotzkismus ins Lager des Stalinismus geführt. Die pro-stalinistische Spaltung in der ceylonesischen Partei ist eine Warnung an alle Trotzkisten vor den tragischen Konsequenzen der Illusionen in den Stalinismus, welche Pablo nährt.

Wir werden in einem anderen Dokument eine detaillierte Analyse von Pablos Revisionismus vorlegen. In diesem Brief wollen wir uns auf einige neue Proben beschränken, die auf dem entscheidenden Gebiet der Aktion zeigen, wie weit Pablo in seiner Versöhnung mit dem Stalinismus gegangen ist, und wie schwer die Gefahren für die Existenz der Vierten Internationale sind.

Mit Stalins Tod kündigte der Kreml eine Reihe von Zugeständnissen an - jedoch keine von ihnen mit politischen Charakter. Anstatt dies als nichts anderes als ein Manöver zu charakterisieren, das das Ziel eines weiteren Sich-Verschanzens der usurpatorischen Bürokratie hat, und als Teil der Vorbereitung eines führenden Bürokraten, sich Stalins Mantel umzuhängen, nahm die pabloistische Fraktion diese Zugeständnisse für bare Münze, stilisierte sie zu politischen Konzessionen und sagte sogar die Möglichkeit der Teilung der Macht der stalinistischen Bürokratie mit den Arbeitern voraus. (Fourth International, Januar-Februar 1953, Seite 13)

Das Konzept der Teilung der Macht" am plumpsten verkündet von Clarke, einem Hohepriester des Pablo-Kultes - wurde von Pablo selbst in einer unbeantworteten, aber offensichtlichen Suggestivfrage indirekt als Dogma bestätigt: Wird die Liquidation des stalinistischen Regimes die Form annehmen, fragt Pablo, von gewaltsamen inter-bürokratischen Kämpfen zwischen Elementen, die für den Status quo, wenn nicht gar für ein Zurückdrehen des Rads der Geschichte kämpfen, und den immer zahlreicher werdenden Elementen, die vom machtvollen Druck der Massen bewegt werden?

(Fourth International, März-April 1953. S.39)

Diese Linie füllt das orthodoxe trotzkistische Programm der politischen Revolution gegen die Kreml-Bürokratie mit einem neuen Inhalt; nämlich mit der revisionistische Position, wonach die ,Ideen' und das Programm des Trotzkismus in die Bürokratie oder in einen entscheidenden Teil von ihr eindringen oder einsickern und so den Stalinismus auf eine unvorhergesehene Alt und Weise stürzen' werden.

In Ostdeutschland erhoben sich im Juni die Arbeiter gegen die stalinistisch beherrschte Regierung in einer der größten Demonstrationen in der Geschichte Deutschlands. Dies war die erste proletarische Massenerhebung gegen den Stalinismus, seit er in der Sowjetunion die Macht an sich riss und festigte. Wie antwortete Pablo auf dieses epochale Ereignis?

Anstatt die politischen Bestrebungen der aufrührerischen ostdeutschen Arbeiter klar auszudrücken, deckte Pablo die konterrevolutionären stalinistischen Satrapen, die sowjetische Truppen mobilisierten, um die Erhebung niederzuschlagen. (&die sowjetischen Führer und diejenigen der verschiedenen Volksdemokratien' und der Kommunistischen Parteien konnten die tiefe Bedeutung dieser Ereignisse nicht länger verfälschen oder ignorieren. Sie sind gezwungen worden, den Weg der umfassenderen und echten Zugeständnissen weiterzugehen, um das Risiko zu vermeiden, sich für immer die Unterstützung der Massen zu veräußern und noch stärkere Explosionen zu provozieren. Sie werden gezwungen sein, Zugeständnisse zu machen, um ernstere Explosionen in der nahen Zukunft zu vermeiden, und um auf eine kalte Art und Weise einen Übergang von der gegenwärtigen Situation in eine Situation zu bewirken, die für die Massen erträglicher ist.)
(Erklärung des Internationalen Sekretariats der Vierten Internationale, veröffentlicht in The Militant vom 6. Juli)

Anstatt den Rückzug der sowjetischen Truppen zu fordern - der einzigen Kraft, die die stalinistische Regierung stützte - nährte Pablo die Illusion, dass umfassendere und echte Zugeständnisse bei den Gauleitern des Kremls zum Vorschein kommen würden. Konnte Moskau um eine bessere Unterstützung, wie sie vor sich ging, gebeten haben, um die tiefe Bedeutung dieser Ereignisse ungeheuer zu verfälschen, die revoltierenden Arbeiter als Faschisten" und Agenten des amerikanischen Imperialismus" zu brandmarken und eine Welle der grausamen Repression gegen sie zu eröffnen?

Der französische Generalstreik

Im August brach in Frankreich der größte Generalstreik in der Geschichte des Landes aus. Von den Arbeitern selbst - gegen den Willen ihrer offiziellen Führung - in Gang gesetzt, stellte er in der Geschichte der Arbeiterklasse eine der günstigen Aussichten für die Entwicklung eines wirklichen Kampfes um die Macht dar. Den Arbeitern folgten die französischen Bauern mit Demonstrationen, die ihre starke Unzufriedenheit mit der kapitalistischen Regierung zum Ausdruck brachten. Die offizielle Führung - sowohl Sozialdemokraten als auch Stalinisten - verriet diese Bewegung, tat ihr Äußerstes, um sie in den Schranken zu halten und die, dem französischen Kapitalismus drohende Gefahr abzuwenden.

Wie antwortete die Pablo-Fraktion auf dieses kolossale Ereignis?

Sie bezeichnete die Handlungsweise der Sozialdemokraten als Betrug - aber mit falschen Begründungen. Der Verrat, so sagten sie, bestand in den hinter dem Rücken der Stalinisten geführten Verhandlungen mit der Regierung. Dies war jedoch ein zweitrangiger Verrat, der sich aus ihrem Hauptverbrechen ableitete, nämlich der Weigerung, den Weg zur Macht zu beschreiten.

Was die Stalinisten betrifft, verdeckten die Pabloisten deren Verrat. Durch diese Tat nahmen sie an dem stalinistischen Verrat teil! Die schärfste Kritik, die gegen den konterrevolutionären Kurs der Stalinisten zu äußern sie sich selbst in der Lage sahen, war, diese wegen einem Mangel an Politik anzuklagen.

Dies war eine Lüge. Die Stalinisten hatten keinen Mangel an Politik. Ihre Politik war, den Status quo im Interesse der Außenpolitik des Kreml aufrechtzuerhalten und dabei den wankenden französischen Kapitalismus zu stützen.

Aber dies war noch nicht alles. Sogar in der internen Parteischulung der französischen Trotzkisten weigerte sich Pablo, die Rolle der Stalinisten als Verrat zu charakterisieren. Er bemerkte die in der einen oder anderen Weise von der Führung der traditionellen Organisationen gespielte Bremserrolle - ein Verrat ist eine einfaches Abbremsen! - aber auch ihre Fähigkeit - besonders der stalinistischen Führung -, dem Druck der Massen nachzugeben, wenn dieser Druck mächtig wird, wie das Fall während dieser Streiks war. (Political Note Nr. 1) Man könnte meinen, dass dies eine ausreichende Versöhnung zwischen dem Stalinismus und einem Führer sei, der den orthodoxen Trotzkismus aufgegeben hat, aber immer noch die Deckung der Vierten Internationale sucht. Pablo jedoch ging noch weiter.

Das berüchtigte Flugblatt

Ein an die Arbeiter der Renault-Werke in Paris gerichtetes Flugblatt seiner Anhänger erklärte, dass die stalinistische Führung der CGT (des Hauptgewerkschaftsbundes in Frankreich) im Generalstreik korrekt (gehandelt hätte), indem sie keine anderen Forderungen als jene, die die Arbeiter wollten, einbrachte". Und dies angesichts der Tatsache, dass die Arbeiter mit ihren Aktionen eine Arbeiter- und Bauernregierung forderten!

Indem sie die stalinistisch geführten Gewerkschaften willkürlich von der Kommunistischen Partei trennten - ein Beweis für das überaus mechanistische Denken oder ein Beweis für einen wohl überlegten Plan, die Stalinisten zu decken? -, erklärten die Pabloisten in ihrem Flugblatt, dass - soweit die Bedeutung des Streiks und dessen Perspektiven betroffen wurden - dieser Punkt die Gewerkschaften nur in zweiter Linie betraf. Die Kritik, die an diesem Punkt zu leisten ist, richtet sich nicht gegen die CGT, die eine Gewerkschaftsorganisation ist, die zuerst und zuvorderst als solche agieren muss, sondern gegen die Parteien, deren Rolle es wäre, auf die tiefe politische Bedeutung dieser Bewegung und ihrer Konsequenzen hinzuweisen. (Flugblatt An die Arbeiterorganisationen und an die Arbeiter von Renault, datiert vom 3. September 1953, unterzeichnet von Frank, Mestre, und Privas)

In diesen Feststellungen können wir den kompletten Verzicht auf alles erkennen, was uns Trotzki über die Rolle und die Verantwortlichkeiten der Gewerkschaften in der Epoche des Todeskampfes des Kapitalismus lehrte.

Dann kritisiert das Flugblatt der Pabloisten die französische Kommunistische Partei wegen ihres Mangels an Linie und weil sie sich einfach selbst auf das Niveau der Gewerkschaftsbewegung" stellt, anstatt den Arbeitern zu erklären, dass dieser Streik eine wichtige Etappe (!) in der Krise der französischen Gesellschaft war, die Einleitung (!) zu einem umfassenden Klassenkampf, der sich das Problem der Arbeitermacht stellen würde, um das Land von dem kapitalistischen Schwindel zu erretten und den Weg zum Sozialismus zu eröffnen.

Wenn die Arbeiter von Renault den Pabloisten glauben würden, dann war alles, dessen die verräterischen französischen stalinistischen Bürokraten schuldig waren, eine Spur von Syndikalismus, anstelle eines wohl bedachten Verrats am größten Generalstreik in der Geschichte Frankreichs.

Pablos Billigung der Politik der CGT-Führung scheint kaum glaubhaft, doch starren einem die unleugbaren Tatsachen ins Gesicht. Im größten Generalstreik, den Frankreich je sah, stellt Pablo freundlicherweise eine französische Version von Gompers bürgerlicher Politik, die Gewerkschaften aus der Politik herauszuhalten als korrekt hin. Und dies im Jahre 1953!

Wenn es von der CGT-Führung nicht richtig ist, politische Forderungen in Übereinstimmung mit den objektiven Notwendigkeiten (einschließlich der Bildung einer Arbeiter- und Bauernregierung) einzubringen, warum fordert dann die Socialist Workers Party von den gegenwärtigen Gompers der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung, dass sie eine Arbeiterpartei organisieren? Eine Arbeiterpartei, die darauf abzielte, eine Arbeiter- und Bauernregierung in den Vereinigten Staaten an die Macht zu bringen?

Pablos Blankovollmacht erscheint in einem noch befremdlicheren Licht, wenn wir uns daran erinnern, dass sich die CGT-Führung hochpolitisch verhält. Auf die leichteste Geste des Kremls hin ist sie bereit, die Arbeiter zu - egal welchem - politischen Abenteuer aufzurufen. Erinnern wir uns beispielsweise an ihre Rolle in den Ereignissen, die die Anti-Ridgway-Demonstrationen letztes Jahr hervorrief. Diese stalinistischen Gewerkschaftsbonzen zögerten, zu Streiks aufzurufen, um gegen die Verhaftung von Duclos, einem Führer der Kommunistischen Partei, zu protestieren.

Tatsache ist, dass die CGT-Führung ihren hochpolitischen Charakter noch einmal in den Generalstreiks zeigte. Mit der Geschicklichkeit von Jahren des Verrats und der Falschheit versuchte sie, die Arbeiter zu verwirren, ihre Initiative zu unterdrücken, zu verhindern, dass die politischen Forderungen der Arbeiter zum Durchbruch kamen. Die stalinistische Gewerkschaftsführung übte bewusst Verrat. Und diese Linie des Verrats nennt Pablo korrekt!

Aber auch das ist noch nicht alles. Eines der Hauptziele des pabloistischen Flugblatts ist es, die französischen Trotzkisten zu denunzieren, die sich in dem Renault-Werk während des Streiks wie echte Revolutionäre verhielten. Es nennt insbesondere zwei Genossen, die vor mehr als einem Jahr aus der Vierten Internationale und ihrer französischen Sektion ausgeschlossen worden sind. Es stellt fest, dass diese Gruppe aus Gründen der Disziplinlosigkeit ausgeschlossen worden ist; und die Richtung, der sie besonders im Verlauf der letzten Streikbewegung gefolgt ist, derjenigen, die tatsächlich von der PCI (der französischen Sektion der Vierten Internationale) verteidigt wird, entgegengesetzt ist. Mit der Anspielung auf die Gruppe ist in Wirklichkeit die Mehrheit der französischen Sektion der Vierten Internationale gemeint, welche willkürlich und ungerechtfertigt von Pablo ausgeschlossen wurde.

Hat die trotzkistische Weltbewegung je zuvor von einem solchen Skandal gehört, wie trotzkistische Militante bei den Stalinisten zu denunzieren und gegenüber den Arbeitern einen abscheulichen stalinistischen Verrat zu rechtfertigen?

Es sollte noch bemerkt werden dass die pabloistische Denunzierung dieser Genossen gegenüber den Stalinisten auf das Urteil eines Arbeitertribunals folgte, dass die Trotzkisten in dem Renault-Werk von den durch die Stalinisten auf sie abgezielten Verleumdungen freisprach.

Die amerikanischen Pabloisten

Unserer Meinung nach ist die Untersuchung dieser Weltereignisse ausreichend, um die Tiefe des pabloistischen Versöhnlertums gegenüber dem Stalinismus anzuzeigen. Aber wir würden gerne - für die Prüfung durch die trotzkistische Weltbewegung - einige zusätzliche Fakten vorlegen.

Über anderthalb Jahre war die Socialist Workers Party in einen Kampf gegen die, von Cochran und Clarke angeführte, revisionistische Tendenz verwickelt. Der Kampf mit dieser Tendenz ist einer der härtesten in der Geschichte unserer Partei gewesen. Im Grunde drehte er sich um dieselben fundamentalen Fragen, die uns von der Burnham-Schachtman-Gruppe und der Morrow-Goldman-Gruppe am Beginn und am Ende des 2. Weltkrieges trennten. Er stellt einen neuen Versuch dar, unser Programm zu revidieren und aufzugeben. Er beinhaltete die Fragen der Perspektive der amerikanischen Revolution, den Charakter und die Rolle der revolutionären Partei und ihrer Organisationsmethoden sowie die Perspektiven der trotzkistischen Weltbewegung.

Während der Nachkriegsperiode festigte sich eine mächtige Bürokratie innerhalb der amerikanischen Arbeiterbewegung. Diese Bürokratie stützt sich auf eine große Schicht privilegierter, konservativer Arbeiter, die unter den Bedingungen der Kriegsprosperität verweichlicht sind. Diese neue privilegierte Schicht rekrutierte sich in großem Maße aus den Reihen von ehemals militanten Sektoren der Arbeiterklasse, aus derselben Generation, die den CIO gründete.

Die relative Sicherheit und Stabilität ihrer Lebensbedingungen haben zeitweilig die Initiative und den Kampfgeist jener Arbeiter gelähmt, die in der vorherigen Phase bei allen militanten Klassenaktionen in vorderster Front standen.

Der Cochranismus ist das Zeichen des Drucks dieser neuen Arbeiteraristokratie und ihrer kleinbürgerlichen Ideologie auf die proletarische Advantgarde. Die Launen und Neigungen der passiven, relativ befriedigten Schicht von Arbeitern wirkt als ein mächtiger Mechanismus, der fremden Druck in unsere eigene Bewegung hineinträgt. Der Slogan der Cochranisten Werft den alten Trotzkismus zum alten Eisen! - drückt diese Stimmung aus.

Die cochranistische Tendenz betrachtet das revolutionäre Potential der amerikanischen Arbeiterklasse als eine weit entfernte Aussicht. Sie denunzieren die marxistische Analyse, die die molekularen Prozesse aufzeigt, welche neue Kampfregimenter im amerikanischen Proletariat schaffen, als sektiererisch.

Soweit es irgendwelche progressiven Tendenzen innerhalb der Arbeiterklasse der Vereinigten Staaten gibt, erblicken sie nur in den Reihen oder am Rande des Stalinismus und unter aufgeklärten Gewerkschaftspolitikern den Rest der Klasse betrachten sie als so hoffnungslos eingeschlafen, dass er nur durch die Auswirkung eines Atomkrieges geweckt werden könne.

Kurz, ihre Position zeigt: ein Verlust an Vertrauen in die Perspektive der amerikanischen Revolution; ein Verlust an Vertrauen in die Rolle der revolutionären Partei im allgemeinen und der Socialist Workers Party im besonderen.

Merkmale des Cochranismus

Wie alle Sektionen der Weltbewegung sehr gut aus ihren eigenen harten und schwierigen Erfahrungen wissen, gibt es weit größeren Druck als verlängerte Kriegsprosperität und die Ausbreitung der Reaktion, wie sie jetzt auf uns in den Vereinigten Staaten zukommt. Aber der Faktor, der die Kader auch unter den schwierigsten Umständen aufrechterhält, ist die brennende Überzeugung der theoretischen Richtigkeit unserer Bewegung, das Wissen, dass sie lebensnotwendig ist, um die historische Aufgabe der Arbeiterklasse voranzubringen, das Verständnis dafür, dass bis zu einem bestimmten Grad das Schicksal der Menschheit davon abhängt, was sie tun, der feste Glaube, dass - wie auch immer die momentanen Verhältnisse sein mögen - die Hauptlinie der geschichtlichen Entwicklung die Schaffung von leninistischen Kampfparteien erfordert, welche die Krise der Menschheit durch eine siegreiche sozialistische Revolution lösen werden.

Der Cochranismus ist die Ersetzung dieser orthodox-trotzkistischen Weltanschauung durch Skeptizismus, theoretische Improvisationen und journalistische Spekulationen. Dies hat dem Kampf in der SWP gleichermaßen unversöhnlichen Charakter verliehen wie mit der kleinbürgerlichen Opposition in den Jahren 1939-40.

Die Cochranisten haben in dem Verlauf des Kampfes folgende charakteristische Merkmale offenbart:

1) Nichtachtung der Parteitradition und der historischen Aufgabe der Partei. Kaum eine Gelegenheit wurde von den Cochranisten ausgelassen, um die 25-jährige Tradition des amerikanischen Trotzkismus zu verleumden, lächerlich zu machen und geringschätzig darüber zu reden.

2) Eine Neigung, prinzipienfeste marxistische Politik durch prinzipienlose Zusammenschlüsse gegen das Parteiregime zu ersetzen. So setzt sich die Cochran-Fraktion auch aus widersprüchlichen Elementen zusammen. Eine Gruppe - hauptsächlich in New York konzentriert - begünstigt eine entristische Taktik in die stalinistische Bewegung. Amerikas.

Eine andere Gruppe, die sich aus konservativen Gewerkschaftlern zusammensetzt und hauptsächlich in Detroit konzentriert ist, glaubt nichts gewinnen zu können, indem man sich den Stalinisten zuwendet. Sie stützt ihre revisionistische Auffassung auf eine Überschätzung der Stabilität und anhaltenden Macht der neuen Arbeiterbürokratie.

Ebenfalls vom Cochranismus angezogen sind müde gewordene Individuen, die nicht länger dem Druck der gegenwärtigen widrigen Bedingungen standhalten können und nach einer glaubwürdigen Erklärung suchen, mit der sie sich in den Ruhestand zurückziehen können. Der Kitt, der diesen prinzipienlosen Block zusammenhält, ist die gemeinsame Feindschaft gegen den orthodoxen Trotzkismus.

3) Eine Neigung, die Partei von dem, was ihr Hauptkampfplatz in Amerika sein muss, wegzuschieben, von den politisch noch nicht erwachten Arbeitern der Großindustrie. Die Cochranisten ließen in der Tat das Programm der Übergangslosungen und forderungen fallen, das von der SWP als eine Brücke hin zu diesen Arbeitern benutzt wurde, und argumentierten, die Mehrheit würde sich bei Beibehaltung dieses Kurses selbst an die Rückständigkeit der Arbeiter anpassen

4) Die Überzeugung, dass jede Möglichkeit für die amerikanische Arbeiterklasse, in ihrer radikalen Opposition gegen den amerikanischen Imperialismus vor Ausbruch des Dritten Weltkriegs vorwärts zu kommen, ausgeschlossen ist.

5) Plumpes Experimentieren und Theoretisieren über den linken Stalinismus, das bis zu dem übertriebenen Glauben absinkt, dass die Stalinisten nicht länger verraten können, dass der Stalinismus eine revolutionäre Seite beinhaltet, die es den Stalinisten ermöglicht, in den Vereinigten Staaten eine Revolution zu führen, in deren Verlauf sie trotzkistische Ideen aufnehmen, so dass sich die Revolution eventuell selbst korrigieren würde.

6) Anpassung an den Stalinismus angesichts der neuen Ereignisse. Sie unterstützen und verteidigen die Versöhnung mit dem Stalinismus, wie sie sich in Pablos Interpretation von Berijas Sturz und der darauffolgenden umfassenden Säuberungen in der UdSSR findet. Sie wiederholen all die pabloistischen Argumente, die die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus während des großen Aufstandes der ostdeutschen Arbeiter und während des französischen Generalstreiks decken. Sie interpretieren sogar die Wendung des amerikanischen Stalinismus zur Demokratischen Partei hin als nichts als ein rechtes Schwanken im Rahmen einer Wendung nach links.

7) Verachtung der Traditionen des Leninismus in Fragen der Organisation. Eine Zeitlang versuchten sie eine Doppelherrschaft innerhalb der Partei zu errichten. Als sie von der überwältigenden Mehrheit der Partei auf dem Plenum im Mai 1953 abgewiesen wurden, stimmten sie schriftlich zu, es unter der Herrschaft der Mehrheit und der politischen Linie auszuhalten, die von dem Plenum entschieden wurde. Später jedoch brachen sie ihr Abkommen und erneuerten ihre fraktionelle Sabotage der Parteiaktivitäten auf eine fieberhaftere und hysterischere Art und Weise als je zuvor.

Der Cochranismus, dessen Hauptmerkmale wir oben aufgezeigt haben, stellte innerhalb der Partei nie mehr als eine schwache Minderheit dar. Er hätte sich auf nichts als den unbedeutendsten und schwächlichsten Ausdruck von Pessimismus belaufen, wäre nicht die Hilfe und Unterstützung gewesen, die er von Pablo - hinter dem Rücken der Parteiführung - erhielt.

Pablos geheime Förderung und Unterstützung wurde kurz nach unserem Mai-Plenum enthüllt; und seitdem hat Pablo offen mit der revisionistischen Fraktion in unserer Partei zusammengearbeitet, sie in ihrer Kampagne ermutigt, die Parteifinanzen zu sabotieren, die Parteiarbeit zu zerstören und Vorbereitungen für eine Spaltung zu treffen.

Dieser verräterische Kurs der Pablo-Cochran-Fraktion gipfelte schließlich in einem organisierten Boykott in New York gegen die 25-Jahr-Feier der Partei, die mit einer Abschlusskundgebung im Rahmen der New Yorker Stadtwahlkampagne verbunden wurde.

Diese verräterische, streikbrecherische Aktion beinhaltete tatsächlich eine organisierte Demonstration gegen den 25-jährigen Kampf des amerikanischen Trotzkismus und gleichzeitig einen Akt der objektiven Unterstützung der Stalinisten, die den ursprünglichen Kern des amerikanischen Trotzkismus im Oktober 1928 ausschlossen.

Der organisierte Boykott dieser Veranstaltung war tatsächlich eine Demonstration gegen die Kampagne der Socialist Workers Party während der New Yorker Stadtwahlen.

Alle, die an dieser verräterischen, gegen die Partei gerichteten Aktion teilnahmen, vollendeten damit offensichtlich die Spaltung, die sie lange vorbereitet hatten, und verwirkten damit jegliches Recht auf Mitgliedschaft in unserer Partei.

Das 25. Jahresplenum der SWP, das diese Tatsache formell registrierte, enthob die Mitglieder des Nationalkomitees, die den Boykott organisierten, ihrer Funktion und gab bekannt, dass sich alle Mitglieder der Pablo-Cochran-Fraktion, die an dieser verräterischen und streikbrecherischen Aktion teilnahmen, oder die sich weigern, sich davon zu distanzieren, durch diesen Tatbestand außerhalb der Reihen der SWP stellten.

Methoden der Komintern

Pablos Doppelzüngigkeit gegenüber der SWP-Führung, insgeheim mit der revisionistischen Cochran-Tendenz zusammenzuarbeiten, ist eine Methode, die der Tradition des Trotzkismus fremd ist. Aber es gibt auch eine Tradition zu der sie passt - der Stalinismus. Solche, vom Kreml benutzten Mittel waren behilflich, die Kommunistische Internationale zu zerstören.

Viele von uns haben dies alles in der Periode von 1923-28 selbst miterlebt. Es ist jetzt offenkundig, dass diese Handlungsweise keine isolierte Abweichung seitens Pablos ist. Es gibt offensichtlich ein festes Muster.

So erhielt z. B. in einer führenden europäischen Sektion der Vierten Internationale ein hervorragender Parteiführer eine Anweisung von Pablo, die ihm befahl, sich selbst als jemand zu verhalten, der bis zum Vierten Weltkongress die Mehrheitslinie und die Disziplin der Internationale verteidigt, Zusammen mit dem Ultimatum drohte Pablo Repressalien an, falls seine Anweisungen nicht befolgt würden.

Die Mehrheit, auf die sich Pablo hier beruft, ist schlichtweg das bescheidene Etikett, das Pablo sich selbst und der kleinen, von seinen revisionistischen Neuheiten hypnotisierten Minderheit verleiht. Pablos neue Linie steht dem grundsätzlichen Programm des Trotzkismus in heftiger Unvereinbarkeit gegenüber. In vielen Teilen der trotzkistische Weltbewegung ist mit der Diskussion darüber erst begonnen worden. Da sie von keiner einzigen trotzkistischen Organisation unterstützt worden ist, stellt sie auch nicht die gebilligte, offizielle Linie der Vierten Internationale dar.

Die ersten Berichte, die wir erhalten haben, lassen einen übertriebenen und anmaßenden Versuch Pablos erkennen, der weltweiten Organisation seine revisionistischen Auffassungen unterzuschieben, ohne auf Diskussionen oder Abstimmungen zu warten. Wir haben bereits genügend Informationen, dass die Vierte Internationale sich sicher ist, Pablos Linie in überwältigender Mehrheit zurückzuweisen.

Pablos autokratische Aufforderung an einen Führer einer Sektion der Vierten Internationale, sich seiner Kritik an Pablos revisionistischer politischer Linie zu enthalten, ist schlimm genug. Aber Pablo blieb nicht hierbei stehen. Während er versuchte diesen Führer mundtot zu machen und ihn von einer freien Diskussion abzuhalten, in welcher die Basis von seiner Erfahrung, seinem Wissen und seiner Einsicht lernen könnte, schritt Pablo fort, sich organisatorisch einzumischen und zu versuchen, eine revisionistische Minderheitsfraktion herauszubilden, um Krieg gegen die Führung der Sektion führen zu können.

Dieses Vorgehen stammt aus der schlechten Tradition der Komintern, als sie unter dem Einfluss des Stalinismus degenerierte. Wenn es kein anderes Ergebnis als dieses gäbe, wäre es notwendig, den Pabloismus bis zur Entscheidung zu bekämpfen, um die Vierte Internationale vor interner Korruption zu retten.

Solche Taktiken verfolgen eine deutliche Absicht. Sie sind Teil der Vorbereitung für einen Putsch der pabloistischen Minderheit. Indem sie sich Pablos administrative Macht nutzbar machen, hoffen sie, ihre revisionistische Linie der Vierten Internationale aufzuzwingen und - wo immer sich Widerstand regt mit Spaltungen und Ausschlüssen zu antworten.

Dieser stalinistische organisatorische Kurs begann - wie jetzt ganz klar ist - vor mehr als anderthalb Jahren mit Pablos rohem Missbrauch seiner administrativen Macht während seiner spalterischen Kampagne gegen die Mehrheit der französischen Sektion der Vierten Internationale.

Auf Beschluss des Internationalen Sekretariats wurde der gewählten Mehrheit der französischen Sektion verboten, ihr Recht auszuüben, die politische und propagandistische Arbeit der Partei anzuleiten. Stattdessen wurden das Politische Büro und die Parteipresse unter die Kontrolle einer paritätischen Kommission gestellt.

Zu der Zeit verurteilten wir scharf diese eigenmächtige Handlung, durch die eine Minderheit dazu benutzt wurde, eine Mehrheit zu stürzen. Sobald wir davon erfuhren, sandten wir unseren Protest an Pablo, mussten jedoch zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, weil wir nicht zu nachdrücklicheren Maßnahmen gegriffen haben. Dieser Fehler war unserer unzureichenden Einschätzung der tatsächlichen Streitfragen zuzuschreiben. Wir dachten, die Differenzen zwischen Pablo und der französischen Sektion wären taktischer Natur, und dies führte uns dazu - trotz unserer Besorgnis über sein organisatorisches Vorgehen -, für Pablo Partei zu ergreifen, als nach einem monatelangen zerreißenden Fraktionskampf die Mehrheit ausgeschlossen wurde.

Aber im Grunde genommen hatten die Differenzen programmatischen Charakter. Tatsache ist, dass die französischen Genossen der Mehrheit klarer als wir sahen, was geschah. Der Achte Kongress ihrer Partei erklärte, dass eine schwere Gefahr die Zukunft und sogar die Existenz der Vierten Internationale bedroht... Revisionistische Vorstellungen - entstanden aus Feigheit und kleinbürgerlichem Impressionismus - sind in ihrer Führung aufgetaucht. Die noch große Schwäche der Internationale, die vom Leben ihrer Sektionen abgeschnitten ist, hat für einen Augenblick die Errichtung eines Systems persönlicher Herrschaft erleichtert, das sich und seine antidemokratischen Methoden auf die Revision des trotzkistischen Programms gründet (La Verité vom 18. September 1952).

Die gesamte französische Situation muss im Lichte der weiteren Entwicklung noch einmal überprüft werden. Die Rolle, die die Mehrheit der französischen Sektion während des neuen Generalstreiks spielte, demonstrierte auf die entschiedenste Weise, dass sie weiß, wie man die grundlegenden Prinzipien des Trotzkismus aufrechterhält. Der Ausschluss der französischen Sektion der Vierten Internationale war nicht gerechtfertigt. Die französische Mehrheit, die sich um die Zeitung La Verité gruppiert, sind die wirklichen Trotzkisten Frankreichs und werden von der SWP offen als solche anerkannt.

Besonders empörend ist die verleumderische Verdrehung, die Pablo von der politischen Position der chinesischen Sektion gibt. Sie sind von der Pablo-Fraktion als Sektierer, als Flüchtlinge vor einer Revolution bezeichnet worden.

Im Gegensatz zu dem Eindruck, der freigiebig von der Pablo-Fraktion geschaffen wurde, handelten die chinesischen Trotzkisten als echte revolutionäre Repräsentanten des chinesischen Proletariats. Nicht durch einen Fehler von ihnen wurden sie als Opfer vom Mao-Regime in einer Weise ausersehen, wie Stalin die ganze Generation von Lenins Bolschewiki in der UdSSR ausersah, indem sie die Noskes und Scheidemänner in Deutschland nachahmten, die die Luxemburgs und Liebknechts der Revolution von 1918 für die Hinrichtung auserkoren. Aber Pablos Linie des Versöhnlertums gegenüber dem Stalinismus führt ihn unerbittlich dazu, das Mao-Regime coleur de rose auszumalen, während er graue Farbe auf den festen, prinzipiellen Standpunkt unserer chinesischen Genossen gießt.

Was tun?

Um zusammenzufassen: Die Trennungslinien zwischen Pablos Revisionismus und orthodoxem Trotzkismus sind so tief, dass weder ein politischer noch ein organisatorischer Kompromiss möglich ist. Die Pablo-Fraktion hat gezeigt, dass sie demokratische Entscheidungen nicht erlauben will, die die erreichte Mehrheitsmeinung wiederspiegeln. Sie verlangten vollständige Unterordnung unter ihre kriminelle Politik. Sie sind entschlossen, alle orthodoxen Trotzkisten aus der Vierten Internationale zu vertreiben oder ihnen den Mund zu stopfen und sie zu fesseln.

Ihr Plan war, ihr stalinistisches Versöhnlertum Schritt für Schritt durchzusetzen und ebenso schrittweise die loszuwerden, die dahin kommen, zu sehen, was passierte, und Einwände erheben. Das ist die Erklärung für die seltsame Zweideutigkeit vieler pabloistischer Formulierungen und diplomatischer Manöver.

Bis jetzt hatte die Pablo-Fraktion einen gewissen Erfolg mit diesen prinzipienlosen machiavellistischen Manövern. Aber der qualitative Wendepunkt ist erreicht. Die politischen Fragen haben die Manöver durchbrochen und der Kampf ist nun ein Entscheidungskampf.

Wenn wir den Sektionen der Vierten Internationale von unserer erzwungenen Position außerhalb ihrer Reihen Ratschläge geben, dann denken wir, dass es Zeit ist zu handeln, entschlossen zu handeln. Die Zeit ist gekommen für die orthodoxe trotzkistische Mehrheit der Vierten Internationale, ihren Willen gegen Pablos Usurpation der Leitung durchzusetzen.

Sie sollte zusätzlich die Leitung der Angelegenheiten der Vierten Internationale sichern, indem sie Pablo und seine Agenten aus den Ämtern entfernt und sie mit Kadern ersetzt, die in der Aktion gezeigt haben, dass sie wissen, wie man den orthodoxen Trotzkismus vertritt und die Bewegung auf einem korrekten organisatorischen und politischen Kurs hält.

Mit brüderlichen trotzkistischen Grüßen,

Nationalkomitee der SWP